Köln – Es ist eine Art Damoklesschwert mit vier Buchstaben. Es ist das Wort, das viele Wirte in diesen Tagen wie ein Ausrufezeichen an das Ende ihrer Antwort rücken, wenn sie gefragt werden, was das Glas Kölsch bei Ihnen kostet: „Eins fünfzig – noch“, sagt auch der Wirt vom „Trierer Eck“ mit einem Lächeln, das nicht wirklich fröhlich wirkt. Denn lange wird er diesen Preis kaum mehr halten können.
Dirk Schröder hat das Lokal am Weidenbach Anfang 2020 übernommen und selbstverständlich auch das uralte Schild im Thekenbereich belassen, auf dem geschrieben steht: „Die Kneipe ist für uns lebenswichtig“. Die Frage ist, wie lange das Kneipenkölsch für den einzelnen Gast bezahlbar bleibt, wenn sogar Lokale, die nach preiswerter Tränke aussehen wie die „Tankstelle“ im Kwartier Latäng oder die „Furchtbar“ nunmehr 1,80 Euro berechnen, und auch in anderen Läden mit altem Kneipen-Charme wie dem „Thiebolds-Eck“ oder dem „Leuchtturm“ 1,70 respektive 1,80 Euro zu bezahlen sind.
Mit 1,60 Euro pro 0,2l-Glas rangiert der „Sölzer Klaaf“, die Stammkneipe von Hans Süper, zwar weit unter Durchschnitt, aber auch hier lautet die Botschaft: „Noch!“ Wenn das Ecklokal in ein paar Wochen nach Lindenthal in die Räumlichkeiten vom „Franz-Eck“ gezogen ist, wird man für das Kölsch 1,80 Euro hinlegen müssen. Ganz so viel ist es in einer anderen Sülzer Gaststätte, dem „Haus Dürr“ nicht, aber auch dort hat Wirt Frank Wegener kürzlich um zehn Cent auf 1,70 Euro erhöht. Dasselbe plant auch der Wirt vom „Alt Brück“, wo man „nur noch diese Woche“ für vergleichsweise preiswerte 1,60 trinken kann. 1,60 kostet das Kölsch übrigens auch im Zollstocker „Refugium“, im „Haus Taunus“ sowie im „Klettenberger Hof“ und im „Bootz“.
„Südkurve“-Wirt will vorerst bei 1,40 Euro bleiben
Aber es geht tatsächlich auch für weniger. Kathrin von Wnuck Lipinski möchte in ihrer Gaststätte „Im kleinen Finanzamt“ an der Friedrichstraße „so lange es irgendwie geht“ den Preis von 1,50 Euro beibehalten. Der gilt auch – noch – fürs „Haus Bayer” und im „Taunushof” (Humboldt/Gremberg). Auch in der Nippeser „Kornkammer” und im Neubrücker „Stübchen” am Straßburger Platz ist der Strich auf dem Deckel mit 1,50 Euro gleichzusetzen. Die Wirtin vom „Herler Eck” hat ebenfalls noch nicht erhöht, somit gilt dort ebenfalls vorerst 1,50 Euro. Bernhard Leder ist einer der wenigen Kölner Kneipiers, bei dem man das „Noch” vergessen kann. Der Wirt vom „Weimarer Stübchen“ in Höhenberg hat kürzlich von 1,40 Euro auf nunmehr 1,50 Euro erhöht.
Peter Wicks sieht diesbezüglich im Moment noch keinen Handlungsbedarf. Solange sein Lieferant den Preis nicht erhöhe, tue er es auch nicht, sagt der 70-Jährige, der seine Stammgäste und auch die Besucher des schräg gegenüber liegenden Weisshaus-Kinos mit sensationell günstigem Kölsch versorgt: 1,40 Euro kostet die Stange hier nach wie vor. „Ich halte die Kneipen-Kultur hoch, so lange ich lebe!“, verspricht der „Südkurve“-Wirt und erzählt, dass er vor Corona drei Jahre lang im Rahmen eines Montags-Frühschoppens das Kölsch für einen Euro angeboten habe. „Jetzt überlege ich, ob wir das wieder neu aufnehmen wollen. Zumindest für den Sommer.“
In der Altstadt werden bis zu 2,50 Euro verlangt
Während Wicks in Preis-Dimensionen denkt, die man sich inzwischen weder beim Sprit noch beim Kölsch vorstellen kann, haben andere Lokale, die lange Zeit als Geheimtipp galten, längst an der Preisschraube gedreht. Im Biergarten der Kletterrose beispielsweise, wo das Kölsch vor drei Jahren ebenfalls noch bei 1,40 Euro lag, bezahlt man inzwischen vierzig Cent mehr, ebenso im legendären „Durst“ an der Weidengasse. Dass aber selbst das noch relativ günstig ist, zeigt ein Gang durch die Altstadt, wo bis zu 2,50 Euro (etwa im „Löwenbräu“) fürs Kölsch verlangt werden. Wer bei diesem Preis bereits zusammenzuckt, sollte vor einem Besuch der „Raw Bar” im Hotel Excelsior Ernst tief durchatmen, denn da kostet das kleine Kölsch vom Fass 3,80 Euro.
In der Weidenpescher Kneipe „Zur alten D-Mark“ verlangt die Wirtin ihren Gästen indes noch immer sagenhafte 1,40 Euro ab. Apropos D-Mark: An die denkt man im Zusammenhang mit Kölsch besser gar nicht, sonst könnten einem Tränen kommen angesichts der Tatsache, dass durstige Studenten Anfang der Achtziger Jahre fürs Sion-Kölsch im „Keldenich” gerade mal 80 Pfennig berappen mussten.
Seit 30 Jahren Dart und Kölsch „Em Schlösselche”
Aber auch heute gibt es Momente, in denen man beim Blick auf einen Kneipenaushang zur Lesebrille greift, weil man kaum seinen Augen trauen mag. Das passiert zum Beispiel, wenn man durch die Sülzburgstraße läuft und die Hausnummer 94 betritt.
Seit 30 Jahren gibt es unter dieser Adresse die Kneipe „Em Schlösselche“, und ebenso lang wird hier, in Gaby Gentges Gaststäte, Dart gespielt und Kölsch getrunken. Fragt man Regine, die Bedienung, die den Zapfhahn bedient nach dem Kölsch-Preis, entgegnet sie: „Eins dreißig.“ Sie sagt es so, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt. Noch.