Er schrieb mit „All by Myself“ oder „Hungry Eyes“ Musikgeschichte. Wir erinnern an Eric Carmen mit 11 seiner schönsten Titel.
Mehr als nur „Hungry Eyes“Eric Carmen ist gestorben – Diese 11 Lieder sollten Sie kennen
Mit dem Tod des legendären Singer-Songwriters Eric Carmen am Wochenende um den 9./10. März 2024 haben wir einen der großen Balladensänger und Power-Pop-Vordenker unserer Zeit verloren. Die Arbeit des aus Cleveland stammenden Sängers mit den Raspberries und als Solokünstler ist wesentlich und grundlegend für vieles, was seit Generationen in der Popmusik zu hören ist. Wir erinnern an elf seiner schönsten, erfolgreichsten und unvergesslichsten Kompositionen.
„Hungry Eyes“ (1987, aus dem Soundtrack „Dirty Dancing“)
Eric Carmens Solokarriere war in den 1980er Jahren nach einigen Flops fast zum Erliegen gekommen, erst der Überraschungserfolg des Tanzfilms „Dirty Dancing“ und des dazugehörigen Soundtracks brachte die Wende.
„Hungry Eyes“, das die sinnliche Spannung und das Knistern zwischen den Charakteren Johnny und Baby perfekt einfängt, war eine der ausgekoppelten Singles und verhalf Carmen zu einem großen Comeback in den internationalen Charts, in den USA erreichte sie Platz 4. Im darauffolgenden Jahr ging er neben Bill Medley als Headliner auf die große „Dirty Dancing Concert Tour“ durch die USA.
„Never Gonna Fall in Love Again“ (1975, aus „Eric Carmen“)
Die Melodie von „Never Gonna Fall in Love Again“ basiert auf Rachmaninoffs Symphonie Nr. 2 und verbindet klassische Einflüsse mit dem damals angesagten Softrock.
Die sanften Klavierklänge und die eingängige Melodie unterstreichen die gefühlvolle Botschaft des Songs, sich nie wieder tief verletzen zu lassen. Der Song war als Nachfolgesingle von „All by Myself“ sehr erfolgreich, verpasste in den USA nur knapp die Top 10, kletterte aber auf Platz 1 der Easy Listening Charts.
Raspberries - „Go All the Way“ (1972, aus „Raspberries“)
Der große Durchbruch im Showgeschäft gelang Eric Carmen 1972 als Leadsänger der Power-Pop-Band Raspberries mit dem Hit „Go All The Way“, die damit zumindest musikalisch die Nachfolge der 1970 aufgelösten Beatles antraten. Angetrieben von einem treibenden Gitarrenriff und Carmens hochfliegendem Tenor wurde der Song zu einem festen Bestandteil des amerikanischen Classic-Rock-Radios.
Wegen des für die damalige Zeit gewagten und sexuell anzüglichen Textes wurde „Go All the Way“ von der BBC verboten. In den folgenden Jahren hatte die Band noch einige Hits, bevor sie sich nach dem letzten, ironisch betitelten „Overnight Sensation (Hit Record)“ für viele Jahre auflöste. 1999 kam es zu einer Reunion, zunächst ohne Carmen, doch 2004 kehrte auch er in die Band zurück.
„Make Me Lose Control“ (1988, aus „The Best of Eric Carmen“)
Wer Eric Carmen nach dem Welthit „Hungry Eyes“ auf dem Zenit seines Schaffens wähnte, wurde mit dem von Phil Spector inspirierten „Make Me Lose Control“ im darauffolgenden Jahr eines Besseren belehrt. Das Lied kletterte in den USA bis auf Platz 3, war aber Carmens letzter großer Hit.
Es ist ein Paradebeispiel für seine Fähigkeit, die Essenz des Pop-Rock-Genres einzufangen und dabei eine Brücke zwischen Nostalgie und zeitloser Romantik zu schlagen. Oder wie es die TV- und Radio-Legende Frank Laufenberg einmal treffend formulierte: „Das Lied hätte auch ‚You've Lost That Lovin' Tears of a Clown to Save the Last Dance Under the Boardwalk for Me‘ heißen können“.
„Change of Heart“ (1978, aus „Change of Heart“)
Während er auf seinen Alben immer kräftig rockte, waren es bei den Singles meist Schmusesongs wie „Change of Heart“, die in den Charts gut ankamen. Es war die Hochzeit des Softrock, und Carmen war einer der wichtigsten Protagonisten dieses Genres. Die Hochglanzproduktion orientierte sich dezent am Disco-Sound der Bee Gees.
Mit dem eingängigen Ohrwurm gelang Carmen ein weiterer Top-20-Hit, bevor er sich für einige Jahre aus den oberen Chartsregionen verabschiedete. Auch in Frankreich war der Song ein großer Erfolg. Im Background ist Samantha Sang zu hören, die den Titel 1979 für ihr Album „Emotion“ aufnahm. Der Titelsong stammt von den Bee Gees, womit sich der Kreis wieder schließt.
„It Hurts Too Much“ (1980, aus „Tonight You're Mine“)
Es bleibt ein Rätsel, warum diese Single kein größerer Hit wurde, denn „It Hurts Too Much“ von Eric Carmen aus dem Jahr 1980 ist ein mitreißender, von den 60er Jahren inspirierter Power-Pop-Ohrwurm, der seinem Repertoire mit den Raspberries alle Ehre machte. Das Lied landete nur auf Platz 75 der US-Charts, war aber in Südafrika ein großer Hit.
Aufsehen erregte auch das Cover des dazugehörigen Albums „Tonight You're Mine“, das suggestiv auf den Titel anspielt und eine nach vorne gebeugte Frau vor Eric Carmen zeigt. Seine eine Hand liegt auf ihrer Schulter, seine andere deutet einen Griff in den Schritt an. Noch heute findet sich das schon damals umstrittene Cover auf vielen Listen der schlechtesten oder zumindest sexistischen Cover aller Zeiten. Carmen selbst sagte Jahre später, die Plattenfirma habe einfach zusammenhanglose Bilder von ihm und dem Model zusammengeschnitten.
„I Wanna Hear It from Your Lips“ (1985, aus „Eric Carmen“)
1985 feierte Eric Carmen nach Jahren ohne Plattenvertrag mit dem Song „I Wanna Hear It from Your Lips“ ein kleines Comeback. Man hört deutlich, dass er in der suggestiven Melodieführung bereits die Blaupause für seinen späteren Welthit „Hungry Eyes“ gefunden hatte.
Der Song war sein erster Top-40-Hit seit über sieben Jahren, doch das dazugehörige Album floppte, vielleicht weil sich Carmen im Gegensatz zum Albumcover – er ganz lässig mit Fluppe und E-Gitarre – doch wieder als Schmuseonkel entpuppte. Zur gleichen Zeit arbeitete Carmen mit der Countrysängerin Louise Mandrell zusammen, die sowohl dieses Lied als auch „Maybe My Baby“ von ihm aufnahm und damit Hits in den Country-Charts hatte. Später sangen sie auch im Duett.
Raspberries - „I Wanna Be With You“ (1972, aus „Fresh Raspberries“)
Mit den Raspberries hatte Eric Carmen eine Handvoll Hits, „I Wanna Be With You“ ist sicher einer der schönsten. Selten klangen die Jungs den Beatles so ähnlich wie hier. „I Wanna Be With You“ präsentiert sich als energiegeladener Rock'n'Roll-Song, der mit der Wucht eines explodierenden Koffeinschubs daherkommt.
Die direkte, schnelle Snare-Drum-Folge zu Beginn zieht den Hörer sofort in ihren Bann, während die schrillen Gitarrenriffs signalisieren, dass die Raspberries, wie Allmusic es treffend formuliert, „eine wirklich geniale Pop-Single“ am Start haben.
„That's Rock 'n'Roll“ (1975, aus „Eric Carmen“)
Neben seiner eigenen Solokarriere etablierte sich Eric Carmen in den 1970er Jahren auch als Songwriter für andere Künstler. So war es vor allem der Teenie-Star Shaun Cassidy, heute ein erfolgreicher Fernsehproduzent, der mit seinen Kompositionen große Hits landete.
Dazu gehört neben „Hey Deanie“ vor allem „That's Rock ‚n‘ Roll“, das in den USA Platz drei erreichte. Allerdings klingt Carmens Version deutlich rockiger und vor allem glaubwürdiger. Den Scheck für seine vertonten Jugenderinnerungen („Well, I was sixteen, sick of school“) wird er trotzdem gerne eingesteckt haben.
Ann Wilson & Mike Reno - „Almost Paradise“ (1984, aus dem Soundtrack „Footloose“)
Während seine eigene Solokarriere auf der Stelle trat, konzentrierte sich Eric Carmen in den 1980er Jahren darauf, Hits für andere Stars zu schreiben. Das von Mike Reno (Loverboy) und Ann Wilson (Heart) gesungene Duett entstand für den Soundtrack des erfolgreichen Tanzfilms „Footloose“ mit Kevin Bacon und war eine von fünf Singles aus dem Soundtrack.
Die bombastische Rockballade erreichte in den USA die Top 10 und wurde zum beliebten Stehblues für Hochzeiten und Abschlussbälle. Auch die langjährige Daily Soap „All My Children“ griff das Lied auf. Heute ist das Lied vor allem auch als Titelsong der amerikanischen Version von „Bachelor in Paradise“ bekannt.
Boats Against the Current (1977, aus „Boats Against the Current“)
Die Single „Boats Against the Current“, der Titelsong des gleichnamigen Albums von Eric Carmen, erfüllte trotz ihrer lyrischen Tiefe und emotionalen Vielschichtigkeit nicht die hohen kommerziellen Erwartungen und landete nur auf Platz 88 der US-Charts. Dennoch gehört die Ballade zu seinen stärksten Songs.
Der Text zeichnet das Bild einer Beziehung, die trotz einstiger Träume und Hoffnungen zu Ende geht. Das begeisterte auch die australische Pop-Queen Olivia Newton-John, die den Song für ihr Gold-Album „Totally Hot“ (1978) aufnahm.
„All By Myself“ (1975, aus „Eric Carmen“)
Eric Carmens erste Single nach seinem Ausstieg bei den Raspberries war zweifellos der Prototyp aller späteren Herzschmerz-Balladen. Der Song basiert lose auf dem zweiten Satz von Rachmaninoffs Klavierkonzert Nr. 2 in c-Moll, Opus 18, und ist vor allem in der ausladenden Albumversion zu genießen. Das Lied war Carmens größter Erfolg in den USA und belegte drei Wochen lang Platz 2 der Single-Charts.
Rund 25 Jahre später nahm Céline Dion den Klassiker für ihr Album „Falling into You“ auf, das sich weltweit 32 Millionen Mal verkaufte, und landete mit der Single ihrerseits einen Welthit. Damit hatte sie schließlich auch Carmens Konto saniert und die Messlatte des gesanglichen Exzesses endgültig in schwindelerregende Höhen geschraubt.