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Statistik zur KriminalitätMehr Gewalt und junge Tatverdächtige – Polizei sucht nach Erklärungen

Lesezeit 4 Minuten
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat am Dienstag die Kriminalstatistik der Polizei vorgestellt.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat am Dienstag die Kriminalstatistik der Polizei vorgestellt.

Die Corona-Pandemie galt zunächst als Bremser für Kriminalität, nun zeigt die Analyse, dass Corona später auch zum Verstärker wurde.

Die Polizei hat im vergangenen Jahr in Deutschland so viele Straftaten registriert wie seit 2016 nicht mehr. Laut der am Dienstag veröffentlichten Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für 2023 nahm auch die Gewaltkriminalität zu.

Drei Faktoren könnten bei dieser insgesamt ungünstigen Entwicklung nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes (BKA) im Vorjahr eine Rolle gespielt haben: Nachwirkungen der Corona-Pandemie, die hohe Inflation und starke Zuwanderung innerhalb eines kurzen Zeitraums, die für den Einzelnen zu schlechteren Integrationschancen führen kann.

Im Jahr 2023 wurden bundesweit rund 5,94 Millionen Straftaten statistisch erfasst. Das sind 5,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch wenn man ausländerrechtliche Verstöße nicht berücksichtigt, liegt der Anstieg immer noch bei 4,4 Prozent. Bedeutende Gesetzesverschärfungen, mit denen sich die höhere Zahl registrierter Straftaten erklären ließen, gab es im vergangenen Jahr nicht.

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Im Jahr 2022 war der Anstieg der Kriminalität sogar noch höher gewesen: Damals hatte die Polizei rund 5,63 Millionen Straftaten registriert, was einem Plus von 11,5 Prozent entsprach.

Kriminalität: Pandemie-Folgen erst als Bremse und dann als Verstärker

Allerdings hatte hier noch der Corona-Effekt eine starke Rolle gespielt. Denn aufgrund der staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 hatte es in den Vorjahren weniger Tatgelegenheiten gegeben - zum Beispiel für Taschendiebe, da sich weniger Menschen im öffentlichen Raum begegneten.

Die Gewaltkriminalität nahm im Jahr 2023 laut Statistik um 8,6 Prozent auf knapp 214 100 Fälle zu. Sie erreichte damit den höchsten Stand seit 2007. Der Anstieg der ausländischen Tatverdächtigen fiel mit 14,5 Prozent höher aus als bei den deutschen Tatverdächtigen mit einem Plus von 2,2 Prozent. Studien zeigen, dass Menschen eine Tat tendenziell eher zur Anzeige bringen, wenn sie vermuten, dass es sich bei dem mutmaßlichen Täter um einen Ausländer handelt.

Die Folgen der Corona-Pandemie wirken nach Einschätzung des BKA bis heute nach. Erstens vermuten die Experten Nachholeffekte - also dass Straftaten mangels Gelegenheit später verübt wurden. Zweitens verweisen sie auf Studien, die zeigen, dass die psychischen Belastungen aus der Zeit, als Schulen und Universitäten geschlossen waren, bei jungen Menschen teils auch nach Beendigung der staatlichen Maßnahmen noch wirkten.

Mehr als 13 Prozent der Tatverdächtigen sind minderjährig

Das erklärt vielleicht zum Teil auch einen weiteren besorgniserregenden Befund der Statistik: Die Zahl der minderjährigen Straftäter nimmt weiter zu. Gehörten im Jahr 2022 bundesweit 13,4 Prozent aller Tatverdächtigen zur Gruppe der Kinder und Jugendlichen, so stieg ihr Anteil im vergangenen Jahr auf 13,8 Prozent.

Besonders hoch war der Zuwachs den Angaben zufolge bei minderjährigen Ausländern. Allerdings stieg im untersuchten Zeitraum auch der Anteil nicht deutscher Kinder und Jugendlicher an der Bevölkerung, vor allem durch Zuwanderung. Auch hatten es Kinder von Zuwanderern teils schwerer, ihren Bildungsweg während der Pandemie erfolgreich fortzusetzen, weil sie auf insgesamt weniger Unterstützung von ihren Eltern, die nicht in Deutschland die Schule besucht haben, rechnen konnten.

Der Zahl der Wohnungseinbrüche stieg im vergangenen Jahr um rund 18 Prozent im Vergleich zu 2022. Das BKA wies jedoch darauf hin, dass damit das Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019 noch nicht erreicht sei.

Kriminalitätsforscher vermuten Zusammenhang mit Inflation

Auch die relativ hohe Inflation und ihre wirtschaftlichen und sozialen Folgen könnten nach Ansicht von Kriminalitätsforschern 2023 zu mehr Straftaten geführt haben. Zumindest fielen die Fall- und Tatverdächtigen-Zahlen in ökonomisch schwächeren Regionen höher aus - und zwar sowohl in den Städten als auch in ländlichen Gebieten.

„Die Zunahme der Gewaltkriminalität mit mehr jungen Tatverdächtigen, einem gestiegenen Anteil nicht deutscher Tatverdächtiger und erheblich mehr Wohnungseinbruchdiebstählen verdeutlicht, dass der Kampf um Wohlstand begonnen hat und das Recht des Stärkeren populärer wird“, sagt der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke.

Kriminalitätsstatistik: Bandenkrieg rund um Stuttgart

Mit Sorge beobachten Experten etwa den brutalen Bandenkrieg im Stuttgarter Raum. Dort haben in den vergangenen Monaten junge Angehörige zweier verfeindeter Gruppen aufeinander geschossen. Einer von ihnen warf eine Granate auf eine Trauergemeinde. Lokale Strukturen seien bei solchen Phänomenen meist wichtiger als ethnische oder familiäre Bande, heißt es beim BKA.

Zustände wie in Schweden will die deutsche Polizei unbedingt vermeiden. Das skandinavische Land ringt seit mehreren Jahren mit kriminellen Gangs, die sich vor allem durch Drogenhandel und Betrug finanzieren. Wegen der Bandenkonflikte kommt es dort immer wieder zu tödlichen Schüssen sowie Sprengstoffanschlägen. Nicht selten werden dabei auch Unbeteiligte erschossen.

Immerhin eine gute Nachricht steckt in der Kriminalstatistik für 2023: Der Anteil der aufgeklärten Straftaten lag im vergangenen Jahr bei 58,4 Prozent und damit 1,1 Prozentpunkte über dem Wert des Vorjahres.