Er hat nicht nur Glam-Rock-Geschichte geschrieben. Zum Tod von Steve Harley erinnern wir an sieben seiner schönsten Songs.
Von „Sebastian“ bis „Phantom der Oper“Steve Harley von Cockney Rebel ist gestorben – Diese 7 Lieder bleiben unvergessen
Der britische Sänger und Mitbegründer der Glam-Rock-Band Cockney Rebel, Steve Harley, ist tot. Der Musiker sei im Alter von 73 Jahren an Krebs gestorben, berichteten die Sender Sky News und BBC am Sonntag unter Berufung auf seine Familie. „Wir wissen, dass Menschen auf der ganzen Welt ihn schmerzlich vermissen werden“, sagte demnach Harleys Tochter Greta.
Anfang des Jahres sagte Harley aus gesundheitlichen Gründen alle Konzerte für 2024 ab. „Wir sind am Boden zerstört, mitteilen zu müssen, dass unser wunderbarer Ehemann und Vater friedlich zu Hause im Kreise seiner Familie verstorben ist“, hieß es auf Harleys offizieller Facebook-Seite. „Die Vögel in seinem Wald, den er so sehr liebte, sangen für ihn. Sein Zuhause war erfüllt von den Geräuschen und dem Lachen seiner vier Enkelkinder“.
Wir erinnern an den großen Musiker mit folgenden sieben Liedern:
„Make Me Smile (Come up And See Me)“ (1975, aus „The Best Years of Our Lives“)
Mit diesem Song erklommen Steve Harley und seine Band Cockney Rebel in ihrer britischen Heimat den Pop-Olymp. Im Februar 1975 belegte die Gruppe um den charismatischen Leadsänger zwei Wochen lang Platz eins der britischen Charts. Harley ahnte bereits, dass er mit dem an die Beatles in ihrer „Rubber Soul“-Phase angelehnten Ohrwurm einen Hit am Start hatte: „Wir fühlten definitiv etwas ganz Besonderes. Wir hatten einen riesigen Refrain“, heißt es im Begleittext zur späteren CD-Wiederveröffentlichung des zugehörigen Albums.
Kaum bekannt ist die Tatsache, dass im Background bekannte Stimmen zu hören sind, darunter die spätere Chartstürmerin Tina Charles, die mit dem Disco-Klassiker „I Love to Love“ auch in Deutschland einen großen Erfolg hatte, sowie Linda Lewis („It's in His Kiss“), die im vergangenen Jahr leider gestorben ist.
„The Phantom of the Opera“ (1986, mit Sarah Brightman)
1986 war Cockney Rebel längst Musikgeschichte, doch Steve Harley kämpfte verbissen um Anerkennung als Solist, doch Alben wie „Hobo with a Grin“ oder „The Candidate“ blieben ohne Erfolg. Als für die Promotion rund um die Premiere von Andrew Lloyd Webbers Musical „The Phantom of the Opera“ ein bekannter Sänger gesucht wurde, der im Duett mit Sarah Brightman den Titelsong für den Plattenmarkt bewerben sollte, erinnerte sich Produzent Mike Batt an Steve Harley.
Dieser musste zunächst bei Webber vorsingen, doch der soll begeistert gewesen sein und so durfte Harley an der Seite von Webbers damaliger Ehefrau Sarah Brightman singen. Die Single schaffte es bis auf Platz sieben der britischen Charts. Dann der Schock: Als es um die Besetzung der Hauptrolle im Musical ging, wurde Harley, der schon fest mit der Rolle des Phantoms gerechnet hatte, durch den wesentlich erfahreneren Musical-Profi Michael Crawford ersetzt.
„Freedom's Prisoner“ (1979, aus „The Candidate“)
Nach dem Ende von Cockney Rebel unternahm Steve Harley mehrere Versuche, seine Solokarriere in Gang zu bringen. Die einzige Single seines zweiten Soloalbums, ein knackiger Rock 'n' Roller mit Russisch anmutenden Kasatschok-Stimmen im Hintergrund, hätte es verdient gehabt, ein großer Hit zu werden, zumal „Daily Mirror“ und „Record Mirror“ voll des Lobes waren. Dennoch erreichte der musikalische Knastbruder nur Platz 58 der britischen Charts.
Harleys Karriere nahm jedoch einen Aufschwung, der ihn an der Seite von Peter Gabriel als Stargast zu zwei Konzerten des damaligen Shootingstars Kate Bush führte. Gemeinsam sangen sie im Hammersmith Odeon „Them Heavy People“, „The Man With The Child In His Eyes“ und „Let It Be“. In den 1980er Jahren zog er sich schließlich für mehrere Jahre aus dem Musikgeschäft zurück, um seine beiden Kinder großzuziehen.
„Judy Teen“ (1974)
„Judy Teen“ ist, wie Harley selbst einmal sagte, „eine Teenager-Romanze, ein bisschen Sex, eine kleine Liebesgeschichte“. Das war für die britischen Konsumenten deutlich leichter zu schlucken als das hochkomplexe, überlange Epos „Sebastian“, das als Debütsingle von Cockney Rebel erschienen war. Kein Wunder, dass der Song in Großbritannien den Durchbruch schaffte, bis auf Platz 5 kletterte und der Band den ersten Auftritt bei „Top of the Pops“ sicherte.
Für dieses Lied, die zweite Single von Cockney Rebel, wurde lange vor MTV und vor der Verbreitung von Musikvideos ein Werbefilm gedreht. Als Produzent konnte Alan Parsons gewonnen werden, der einige Jahre zuvor u.a. als Toningenieur bei Pink Floyds „The Dark Side of the Moon“, einem der größten Albumerfolge der Musikgeschichte, mitgewirkt hatte. Und natürlich mit seinem Alan Parsons Project ab 1975 selbst zum Weltstar aufstieg.
„Mr. Soft“ (1974, aus „Psychomodo“)
Mit diesem extravaganten Rock-, Glam- und Art-Rock-Hybrid feierten Cockney Rebel 1974 ihren zweiten Top-10-Erfolg in Großbritannien. Der Song zeichnet sich durch ein eingängiges Gitarrenriff und einen treibenden Rhythmus aus, während Steve Harleys markanter Gesang den ironischen Text mit Bravour interpretiert.
Der Titel des Songs ist eine Anspielung auf Harleys androgynes Image zu dieser Zeit, während der Text die Spannung zwischen öffentlicher Persona und privater Identität auslotet. 1994 erhielten Harley und Cockney Rebel einen besonderen Gunstbeweis: Oasis bezogen sich in ihrem Hit „Shakermaker“ auf „Mr. Soft“ mit der Zeile „I've been driving in my car with my friend Mr. Soft“.
„Riding the Waves (For Viriginia Woolf)“ (1978, aus „Hobo with a Grin“)
Diese Aufnahme stammt aus Haleys erstem Solo-Album „Hobo with a Grin“, nachdem sich Cockney Rebel im Sommer 1977 aufgelöst hatte. Vom Glam Rock war nicht mehr viel übrig, stattdessen gab es – Harley war mittlerweile nach Kalifornien umgezogen – einen entspannten Yacht-Rock-Sound und eine sinnliche Hommage an die berühmte Schriftstellerin Virginia Woolf.
Die Textzeilen beschreiben eine surreale Begegnung mit einer geheimnisvollen Frau, die Harley mit ihrer Weisheit und Ausstrahlung beeindruckt und zum Nachdenken über das Leben und die Natur anregt. Das war ihm später scheinbar peinlich, denn schon im Folgejahr sagte er in einem Interview zur „Evening Post“, dass das Album „Hobo with a Grin“ das Schlimmste gewesen sei, dass er jemals aufgenommen habe. In anderen Interviews, gut 30 Jahre später, nahm er das aber zurück.
„Sebastian“ (1973, aus „The Human Menagerie“)
Die erste Single von Cockney Rebel gehört zu den mit Abstand schönsten und bekanntesten Songs von Harley, eine Art Mini-Rockoper, mit einem ausgefeilten Arrangement, einer großartigen Melodie und, wie Harley selbst einmal sagte, „sechs Minuten Gothic-Poesie“. Was „Bohemian Rhapsody“ für Queen war, war dieses Lied für Cockney Rebel in Bezug auf Kreativität, innovative Strukturen und melodische Tiefe.
Ironischerweise war das Lied bei seiner Veröffentlichung im August 1973 in der britischen Heimat der Band ein Flop, erreichte aber in Deutschland die Top 30 und war in den Benelux-Ländern ein Riesenhit. Über den kryptischen Text wurde viel diskutiert, Harley selbst hat das Geheimnis nie ganz gelüftet, aber in einem Interview angedeutet, dass er während eines LSD-Trips entstanden sein könnte. Und so endet diese Rückschau mit der Eröffnung dieses kleinen Meisterwerks: „Leuchte einfach ... die Kerze brennt ... so tief für mich.“