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Verbraucher-Anwalt erklärtWelche Rechte Reisende haben, wenn der Zug nicht oder zu spät kommt

Lesezeit 4 Minuten
Eine Anzeigetafel zeigt den Hinweis auf Verspätungen im Bahnverkehr.

Eine Anzeigetafel mit Verspätungen und Ausfällen ist derzeit leider nichts Ungewöhnliches in Bahnhöfen.

Rechtsanwalt Thomas Bradler zeigt in der Kolumne „Recht und Ordnung“ auf, was Kunden bei Verspätungen oder Ausfällen zusteht.

Die Weihnachtszeit steht bevor und damit auch die Reisezeit. Erfahrungsgemäß werden Busse und Bahnen in den Tagen um Weihnachten gern genutzt, um Freunde und Familie zu besuchen. Gibt es dabei Probleme mit dem Fahrschein oder der Zuverlässigkeit des Transportmittels der Wahl, ist es mit der Besinnlichkeit oft dahin.

Viele Fahrgäste haben sich für das Deutschlandticket entschieden und ersparen sich so für den Nahverkehr die Recherche nach dem richtigen Fahrschein im Internet oder am Automaten. Damit reduzieren sie auch das Risiko, mit einem ungültigen Fahrschein unterwegs zu sein und dafür mit einer „Fahrpreisnacherhebung“ in Höhe von 60 Euro belangt zu werden.

Zwei Wochen Zeit, Einspruch einzulegen

Gibt es dennoch Beanstandungen am Fahrschein, hat der Fahrgast – je nach ausstellendem Verkehrsunternehmen – ein bis zwei Wochen Zeit, gegen das erhöhte Beförderungsentgelt Einspruch einzulegen. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens lässt sich das Problem in der Regel klären, wenn zum Beispiel der gültige Fahrschein bei der Kontrolle nicht lesbar war. Ein vergessenes persönliches Ticket wie das Deutschlandticket kann gegen eine Gebühr von sieben Euro nachträglich vorgelegt werden. Für übertragbare Tickets oder Einzelfahrscheine gilt das allerdings nicht.

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Im Nahverkehr gibt es eine Mobilitätsgarantie

Ist das Ticket gelöst, kann die Reise beginnen. Was aber, wenn der Zug oder Bus nicht kommt oder nicht hält und man an der Haltestelle vergeblich wartet? Oder wenn man wegen einer Verspätung einen Anschluss verpasst?

In Nordrhein-Westfalen wird den Fahrgästen im Nahverkehr mit der sogenannten Mobilitätsgarantie weitergeholfen. Sie soll das Fortkommen der Reisenden gewährleisten. Diese haben das Recht, bei einer Abfahrtsverspätung von mindestens 20 Minuten zuschlagsfrei mit einem Fernverkehrszug zu fahren oder tagsüber bis zu einem Betrag von 30 Euro ein Taxi zu nehmen beziehungsweise Sharing-Angebote zu nutzen. Mehrere Fahrgäste können sich ein Taxi teilen und damit auch weitere Strecken zurücklegen. Wichtig dabei ist jedoch, dass jeder Fahrgast eine anteilige Taxiquittung vorlegen kann.

Die Erstattung ihrer Kosten können Reisende innerhalb von vierzehn Tagen bei dem Verkehrsunternehmen beantragen, das die Verspätung verursacht hat. Ausnahmen gelten bei Streik, Unwetter, Bombendrohungen oder Naturgewalten. Um zu entscheiden, ob nun gerade schlechtes Wetter das Fortkommen schwierig gemacht oder ob doch ein Unwetter vorgelegen hat, bei dem eine Haftung ausgeschlossen ist, sollte man auf die Informationen des Deutschen Wetterdienstes zurückgreifen. Dort werden Unwetter für die jeweilige Region angezeigt, und diese Informationen sind für die Erstattung maßgeblich.

Ab einer Stunde Verspätung den Fahrpreis zurückfordern

Beläuft sich eine Verspätung voraussichtlich auf eine Stunde oder mehr, kann der Fahrgast die Reise abbrechen und den vollen Fahrpreis zurückfordern oder die Reise fortsetzen und bei entsprechend verspäteter Ankunft eine Erstattung von 25 Prozent seines Ticketpreises geltend machen. Ab zwei Stunden Verspätung liegt die Erstattung bei 50 Prozent des Fahrpreises. Einen Antrag auf Erstattung der Fahrkarte kann der Fahrgast elektronisch oder per Post bei der Deutschen Bahn stellen. Eine Auszahlung erfolgt allerdings erst, wenn der Erstattungsbetrag mehr als vier Euro beträgt.

Besitzer von Nahverkehrstickets, die nicht stark ermäßigt sind, dürfen ab einer absehbaren Verspätung am Zielbahnhof von mehr als 20 Minuten auf einen höherwertigen Zug umsteigen und können die Kosten dafür später beim Servicecenter Fahrgastrechte zurückfordern. Keine Erstattung erhalten hier Inhaber des Deutschlandtickets oder Reisende, die aufgrund höherer Gewalt – sei es durch ein Unwetter oder einen Personenschaden – verspätet an ihr Ziel gekommen sind.

Schlichtungsantrag ist immer möglich

Sollte der Erstattungsantrag abgelehnt werden, der Einspruch gegen ein erhöhtes Beförderungsentgelt abgewiesen oder eine Beschwerde nicht beantwortet werden, können Fahrgäste einen Schlichtungsantrag bei der Schlichtungsstelle Nahverkehr e.V. (schlichtungsstelle-nahverkehr.de) stellen. Dabei werden die beteiligten Parteien zunächst um Stellungnahme gebeten, dann wird eine Bewertung vorgenommen und nach Möglichkeit ein Schlichtungsvorschlag unterbreitet, der das Verfahren mit einer einvernehmlichen Einigung zwischen den Beteiligten beendet. Und wer will in der Weihnachtszeit schon streiten?

Dieser Text ist eine Folge unserer Rechtskolumne „Recht & Ordnung“. In dieser Serie schreiben Staatsanwältin Laura Neumann (Düsseldorf) sowie die Rechtsanwälte Pia Lorenz („Beck aktuell“), Martin W. Huff (ehem. Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln), Christian Solmecke (Partner der Kölner Medienrechtskanzlei WBS.Legal) und Thomas Bradler (Verbraucherzentrale NRW, Leiter Markt und Recht). In ihren Kolumnen geben sie Auskunft zu oft kniffligen Fragen des Rechts, können aber keine Rechtsberatung bieten oder in konkreten Fällen den Gang zu einem Anwalt ersetzen. Haben Sie eine Frage an unsere Experten? Dann schreiben Sie uns eine Mail an: recht-und-ordnung@kstamedien.de