Punkte loswerden, gefälschte MPUsWie Verkehrssünder tricksen, um den Führerschein zu behalten

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Ein Tempomessgerät steht während einer Pressevorführung an der Reeperbahn.

Wer rast, kann den Führerschein verlieren. Doch das versuchen Verkehrssünder und windige Unternehmen mit Tricks zu verhindern.

Wer zu schnell oder unter Alkohol fährt, muss mit Konsequenzen rechnen. Welche Regeln gelten und wie Verkehrssünder diese austricksen. 

Am 11. Januar durchsuchte die Polizei acht Wohnungen und Geschäftsräume im Kölner Stadtgebiet, im Rhein-Erft-Kreis und Mülheim an der Ruhr. Zeitgleich fanden Durchsuchungen in München und im schleswig-holsteinischen Timmendorfer Strand statt.

Der Grund für die Razzien: Zwei Männer (40, 44) und drei Frauen (26, 36, 40) sollen in mindestens zehn Fällen gefälschte MPU-Gutachten sowie Abstinenz- und Erste-Hilfe-Bescheinigungen vertrieben haben. Ein 60-jähriger Arzt aus dem Raum München soll diese ohne Untersuchungen ausgestellt haben.

MPU: Das Geschäft mit Medizinisch- Psychologischen Untersuchungen

MPU steht für Medizinisch-Psychologische Untersuchung. Einer solchen müssen sich Menschen unterziehen, die entweder vor dem Entzug ihres Führerscheins stehen oder ihn zurückzubekommen wollen. Denn die MPU soll eine Prognose für ihre Eignung als Verkehrsteilnehmer stellen und dient so als Grundlage für die Entscheidung der Behörden.

Die Durchführung von MPUs lagert der Staat an private Anbieter aus. Wenn diese den festgelegten Ansprüchen der Behörden genügen, wird ihnen erlaubt, MPUs durchzuführen. Wo genau ein Verkehrssünder seine MPU ablegt, ist ihm überlassen. So kann ein Münchner Raser auch zu einer MPU-Stelle in Hamburg gehen.

Unter den staatlich genehmigten Anbietern sind viele bekannte und seriöse Namen. So führen TÜV-Stellen in vielen Regionen Deutschlands MPUs durch, genauso große Versicherungsunternehmen. Eine Suche im Netz zeigt aber, dass auch augenscheinlich weniger seriöse Anbieter um Kunden werben und so einen Teil des lukrativen Geschäfts mit MPUs abgreifen wollen. Nicht nur unseriös, sondern mutmaßlich kriminell war das Geschäftsmodell der Personen, deren Räumlichkeiten im Januar durchsucht wurden. 

Der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke

Der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke beantwortet regelmäßig Rechtsfragen in der Kolumne „Recht & Ordnung“ in dieser Zeitung.

Dieses Geschäft ist nun seitens der Behörden wohl erst einmal auf Eis gelegt worden. Welche Konsequenzen drohen Betreibern und Kunden von gefälschten Gutachten? Rechtsanwalt Christian Solmecke von der Kölner Kanzlei WBS Legal erklärt, dass gegen die Beschuldigten aktuell wegen gewerbsmäßiger Urkundenfälschung und gewerbsmäßigen Betrugs ermittelt wird: „Je nachdem, welche Variante hier angenommen wird, droht entweder eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren oder von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.“ Da es sich hier um mehrere Taten handele, gebe es am Ende eine Gesamtstrafe. Bei einer Freiheitsstrafe von unter zwei Jahren sei noch die Aussetzung zur Bewährung möglich. Ob das bei so umfangreichen Taten denkbar ist, sei allerdings fraglich.

Entzug der Fahrerlaubnis und Sperre zur Wiedererlangung

Für die Kunden gelte: „Bekommt die Behörde Wind davon, dass die medizinischen Gutachten gefälscht waren, so wird dies als erstes Konsequenzen für den Führerschein haben.“ Die vermeintlichen Zertifikate würden rückwirkend nicht mehr anerkannt werden. Auch strafrechtliche Konsequenzen seien möglich, wegen der Verwendung gefälschter Urkunden. Darauf steht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe.

„Als Nebenstrafe wird das Gericht Betroffenen zudem sicherlich die Fahrerlaubnis entziehen und eine Sperre für die Wiedererlangung auferlegen.“ Dann reiche auch die MPU alleine nicht mehr. Man müsse also den Führerschein neu machen. Eine Verurteilung wegen Betrugs sei hingegen unwahrscheinlich, weil es hier nicht darum gehe, die Behörde um ihr Vermögen zu erleichtern.

Punktehandel: Legal Verkehrsstrafen umgehen

Neben möglicherweise gefälschten MPU-Ergebnissen nutzen Verkehrssünder eine weitere Methode, Strafen zu umgehen. Diese ist sogar legal: Wer mit zu viel Geschwindigkeit auf dem Tacho geblitzt wird, erhält einen Bescheid, in dem mitgeteilt wird, wie viel Bußgeld man zu zahlen hat und wie viele Punkte man in Flensburg bekommt. Hat man acht Punkte in Flensburg angesammelt, wird der Führerschein entzogen.

Einige notorische Raser machen sich in dieser Situation einen rechtlichen Trick zunutze. Denn gegen die Bescheide der Behörden kann man Einspruch einlegen. So kann man behaupten, man selbst sei gar nicht am Steuer gewesen, sondern eine andere Person. Wenn diese sich dann meldet und sagt, es sei so gewesen, werden ihr die Punkte gegeben. Der wahre Verkehrssünder bleibt ungestraft. Und auch der, der die Strafe auf sich nimmt, macht sich nicht strafbar.

Wie manche aus einer Rechtslücke ein Geschäftsmodell machen

Aus dieser Rechtslücke machen manche ein echtes Geschäftsmodell, berichtet Seema Metha, Pressesprecherin des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR). Das funktioniere so: Internetseiten werben damit, gegen eine bestimmte Summe, oft mehr als eintausend Euro, Hilfe bei Punkten in Flensburg zu leisten. Sie vermittelten dann den Kontakt zu einer Person, die einen Führerschein hat, aber ihn nicht nutzt und daher mit ein paar Punkten mehr auf dem Konto leben kann. Diese Person erhalte dann einen Teil der Summe. 

Alle, die bei dem Deal mitmachen, haben gewonnen, verloren hat die Verkehrssicherheit. Deshalb versucht der DVR seit langem, die Politik davon zu überzeugen, diese Rechtslücke zu schließen und den Punktehandel unter Strafe zu stellen. In seinen Augen wäre es eine effektive Maßnahme gegen eine kleine Gruppe von Menschen, die immer wieder die Verkehrsregeln bricht: „Das ist wirklich eine unbelehrbare Gruppe. Und es sind auch gerade einmal etwa 5000 Personen, die so viele Punkte ansammeln“, sagt Metha.

Aktuell findet der diesjährige Verkehrsgerichtstag im niedersächsischen Goslar statt. Hier diskutieren Juristen und andere Experten unter anderem darüber, ob und wie der Punktehandel zukünftig rechtlich unterbunden werden kann. 

Doch wie ist eigentlich die Rechtslage – ohne Schummelei oder gar illegale Tricks? Ein Überblick:

Zu schnell gefahren – Wie viel Bußgeld und Punkten gibt es?

Bei der Verhängung von Bußgeldern wird zwischen Geschwindigkeitsbegrenzungen innerorts und außerorts unterschieden. Innerorts kostet eine Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit um bis zu 10 km/h den Fahrer 58,50 Euro. Bei 11 bis 15 km/h zu viel sind es schon 78,50 Euro und bei bis zu 20 km/h 98,50 Euro. Danach erhöht sich der Betrag exponentiell für jede 5 km/h Geschwindigkeitsübertretung mehr bis zum Höchstsatz von 843,50 Euro bei Geschwindigkeiten, die 70 km/h oder mehr über dem Grenzwert liegen.

Außerorts startet das Bußgeld bei 48,50 Euro bis 10 km/h zu viel. Bei bis zu 15 km/h sind es 68,50 Euro und bei bis zu 20 km/h 88,50 Euro. Danach geht es ebenfalls in 5 km/h-Schritten rauf bis 738,50 Euro für mehr als 70 km/h über dem Grenzwert. 

Einen Punkt in Flensburg gibt es sowohl inner- als auch außerorts ab 21 km/h über dem Grenzwert. Ab 40 km/h zu schnell werden zwei Punkte im Register eingetragen.

Wann wird mein Führerschein eingezogen?

Dafür kann es verschiedene Anlässe geben: Ab 1,1 Promille am Steuer wird der Führerschein sofort eingezogen. Aber selbst wenn man weniger Promille hat, aber dafür mit der eigenen Fahrweise den Straßenverkehr gefährdet, kann man die Fahrerlaubnis verlieren.

Auch Geschwindigkeitsüberschreitungen können Grund für den Entzug einer Fahrerlaubnis sein. Wer außerorts mit mehr als 40 km/h und innerorts mit mehr als 30 km/h unterwegs ist, ist seinen Führerschein sofort los. Das gilt auch für Menschen, die innerhalb eines Jahres zweimal mehr als 25 km/h zu viel gefahren sind.

Wer eine Ampel überfährt, die länger als zwei Sekunden rot zeigt oder dabei andere gefährdet, verliert seinen Führerschein. Auch Fahrerflucht und das Verursachen von Unfällen ziehen den Entzug des Führerscheins nach sich. Und zu guter Letzt kann man auch die Fahrerlaubnis verlieren, wenn man acht oder mehr Punkte in Flensburg ansammelt.

Wie finde ich heraus, ob ich Punkte in Flensburg habe?

Das geht ganz einfach und gebührenfrei über ein Internetportal des Bundeskraftfahrtamtes oder alternativ postalisch. Für den digitalen Weg brauchen Sie allerdings die neue Online-Funktion des Personalausweises. Für den Weg über die Post müssen Sie ein Formular des Kraftfahrtbundesamts ausdrucken, ausfüllen und einsenden.

Wann verfallen diese Punkte wieder?

Jeder Punkt hat eine eigene Tilgungsfrist. Wenn Sie bei einem anderen Vergehen erneut Punkte ansammeln, verlängert sich die Frist der anderen Punkte nicht. Wie lange die Tilgungsfrist der einzelnen Punkte ist, hängt von der Schwere des Verkehrsvergehens ab, bei dem sie „erworben“ wurden. Für einen Verstoß, der mit einem Punkt belegt wird, beträgt die Frist 2,5 Jahre. Bei einer schweren Ordnungswidrigkeit, die zwei Punkte nach sich zieht, beträgt das Ablaufdatum 5 Jahre.

Aus welchen Gründen muss man zur MPU?

Hier gibt es gleich eine ganze Reihe möglicher Gründe: Zum Beispiel, wenn Ihr Führerschein wiederholt eingezogen wurde. Auch das Fahren mit mehr als 1,6 Promille Alkohol oder das wiederholte Fahren unter geringerem Alkoholeinfluss fällt darunter, ebenso der Konsum anderer Drogen. Selbst wenn man sich im Verkehr nur einmal etwas zu schulden kommen lässt, das dann aber besonders gravierend ist, kann das eine MPU notwendig machen. Besonders dann, wenn Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial bestehen.

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