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Rätselhafte LöcherTeile einer Uhr aus dem 15. Jahrhundert in Steinfeld entdeckt

Lesezeit 5 Minuten
Helmut J. Kirfel steht vor einem Holzgerüst, auf der die Reste einer Uhr aus dem 15. Jahrhundert auf dem Dachboden der Steinfelder Basilika zu sehen sind.

Die Uhr hat Helmut J. Kirfel gefunden, nachdem er verschiedene Quellen gelesen hatte.

Das Rätsel um zwei Öffnungen im Querschiff der Steinfelder Basilika ist gelöst. Sie gehören zu einer Uhr, die in Vergessenheit geraten war.

Drei Blütenkelche im südlichen Querschiff der Steinfelder Basilika stellten lange Zeit ein Rätsel dar, denn bei genauerem Hinsehen entpuppten sich zwei der Kelche als Löcher im Gewölbe. Wofür waren sie gedacht? Die Innenseiten der Öffnungen, so ist zu erkennen, sind durch Seile oder Ketten aufgeraut. Für Glockenseile sind die Löcher aber zu klein. Nach einigen Recherchen hat Helmut J. Kirfel aus Steinfeld das Rätsel gelöst und dabei die Überreste einer Uhr entdeckt, die schon um 1500 existiert hat.

„Bereits die Restauratoren in den 1930er-Jahren berichteten, dass diese beiden Öffnungen auch schon in der freigelegten Vorgängermalschicht von 1509 bewusst einbezogen waren“, erzählt Kirfel.

Spuren im Steinfelder Querschiff deuteten auf die alte Uhr hin

Damals habe Dr. Josef Kurthen, der in Steinfeld mit Denkmalschutzaufgaben betraut gewesen sei, in Zusammenhang mit den zahlreichen Sonnenuhren in der Anlage dem damaligen Leiter der Bamberger Sternwarte, Ernst Zinner, allerhand Zeichnungen und Skizzen zur Verfügung gestellt. Zinner sei zu dem Schluss gekommen, dass die Spuren im südlichen Querschiff auf eine Uhr hindeuten, die schon in der Zeit um 1500 existiert habe. Er riet Kurthen, mal auf dem Dachboden nachzusehen.

Zahnräder und andere Teile der Uhr sind zu sehen,

Zahlreiche Einzelteile der alten Uhr und ihre Funktion sind noch gut zu erkennen.

Doch Kurthen war, wenn er denn überhaupt nach der Uhr gesucht hat, wohl nicht fündig geworden. Auf jeden Fall schreibt Zinner: „Reste davon haben sich leider nicht finden lassen.“

Mehr Glück hatte Kirfel bei der Suche nach einem Exemplar des Aufsatzes von Zinner in der Fachzeitschrift „Die Himmelswelt“ von 1932. In einem Düsseldorfer Antiquariat fand er ein als Sonderdruck gebundenes Exemplar mit einem teils handschriftlichen, teils maschinengeschriebenen Originalbriefwechsel zwischen Zinner, Kurthen und dem Kunsthistoriker Heinrich Neu.

Das Foto zeigt den Holzsteg über dem Gewölbe der Basilika und Teile des Dachstuhls.

Der Dachstuhl über der Basilika ist imposant. Ein Holzsteg führt über dem Gewölbe entlang.

Für die Existenz der Uhr gibt es nach Angaben von Kirfel auch zwei weitere archivalische Belege: „Sowohl Abt Christoph Pilckmann als auch sein Nachfolger Norbert Horrichem sollen im 17. Jahrhundert zunächst ,hinter der Uhr bestattet' worden sein. Gemeint ist sicherlich hinter den von der Uhr herabhängenden Seilen, mit denen das Geh- und das Schlagwerk aufgezogen wurden.“

Die Uhrzeit wurde jede Viertelstunde akustisch mitgeteilt

Mit diesen Erkenntnissen machte sich der Historiker dann auf die Suche und fand mehr als 90 Jahren nach Kurthen die Uhr über dem Gewölbe des südlichen Querhauses. „Sie ist zwar in einem stark ramponierten Zustand. Aber es handelt sich zweifelsohne um die alte eiserne Räderuhr des Prämonstratenserstifts Steinfeld“, ist sich der Historiker sicher.

Zwei Blütenkelche in einer Deckenmalerei bestehen aus Löchern.

Die beiden Löcher (unten) waren schon in der Deckenmalerei von 1509 berücksichtigt worden.

Nach Kirfels Einschätzung handelt es sich um eine Schlaguhr ohne Ziffernblatt, die die Zeit jede Viertelstunde nur akustisch mitteilte: „In einem schmiedeeisernen Werksgestell aus vertikalen Pfeilern und horizontalen Verstrebungen sind zwei separate, hintereinanderliegende Werke zu sehen. Dabei handelt es sich um das Geh- und das Schlagwerk, die jeweils von einem Gewichtszug angetrieben wurden, was an den beiden separaten Walzen zu erkennen ist.“ Die auf diesen Walzen drehbaren Gewichte seien ebenso wenig erhalten wie die Seile oder Ketten zum Aufziehen.

Die Seile wurden von der Rückwand des Chorgestühls bedient

„Das erhöht aufgebockte Werksgestell hat etwas Abstand zum Gewölbe, so dass die Gewichte genügend Platz zum Abdrehen hatten, wenn sie etwa alle sechs Stunden wieder aufgezogen werden mussten“, so der Historiker aus Steinfeld. Die Positionierung sei so gewählt gewesen, dass die Ketten oder Seile zum Aufziehen der beiden Werke durch die von unten noch sichtbaren Löcher geführt werden konnten. „Deutlich sichtbar ist auch das fest mit der vorderen Walze verbundene markant gezahnte Hemmrad sowie die ,Lappen', die Hemmrad und Walze am unkontrollierten Ablauf hinderten.“

Zu sehen ist eine Sonnenuhr, die unter einem schmalen Dachvorstand angebracht ist.

An zahlreiche Stellen in der Steinfelder Klosteranlage gibt es alte Sonnenuhren.

Auf der gegenüber liegenden Seite des Gestells ist eine Spindelwelle erhalten, deren Funktion man von Hand imitieren kann. Der Waagbalken ist nicht erhalten. Um diese Uhr herum sind auf einem Grundriss von etwa vier mal drei Metern die Reste einer Einhausung zu erkennen. Die Wände waren laut Kirfel mit Lattengerüsten ausgestattet.

In der hinteren Wand in Richtung Vierungsturm habe sich eine Aussparung mit einer Hebelkonstruktion befunden. So sei das Schlagwerk noch heute gut sichtbar mit einer Schelle oder Glocke am Gebälk außerhalb des „Uhrgehäuses“ verbunden gewesen. „Das war offenbar erforderlich, weil der Glockenschlag sonst in der Klosterkirche nicht gehört worden wäre.“

Bis etwa 1680 stand laut Kirfel in dem Vierungsjoch und in der Hälfte des anschließenden Langhausjochs das Chorgestühl. Die Seile oder Ketten, die zum Aufziehen der beiden Werke dienten, hätten an der südlichen Rückwand des Chorgestühls geendet und seien von dort aus leicht zu bedienen gewesen.

Blitz war in die Spitze des Vierungsturms eingeschlagen

Zerstört wurde die Uhr wohl bei dem Brand der Abteikirche am 7. Oktober 1873. „Um 15 Uhr war der Blitz in den obersten Teil der Spitze des Vierungsturms unmittelbar unterhalb des Knaufs des Kreuzes eingeschlagen“, berichtet Kirfel.

Das Feuer habe sich allmählich von oben nach unten ausgeweitet, bis gegen Abend der gesamte Turmhelm in Flammen gestanden habe. „Die Holzkonstruktion brannte also ähnlich einer Kerze herunter. Daher kam es nicht zum Einsturz oder Umstürzen des Helms“, so der Historiker.

Das Kirchendach über dem Langhaus hätten mutige Helfer gerettet, indem sie den Teil des Daches mit Äxten und Sägen von dem in Flammen stehenden Vierungsturm abgetrennt hätten. Der kräftige Westwind habe ein Übriges getan, dass die Flammen nicht übersprangen. Trotzdem, so wird berichtet, seien die Glocken geschmolzen und das flüssige Metall durch die Öffnungen des Gewölbes auf den Boden der Kirche getropft.

Dass die Uhr nur zum Teil zerstört worden sei, verdankt sie laut Kirfel ihrem Aufstellungsort hinter einem der schwer verstärkten Sprengbögen und dem Umstand, dass sich die größte Hitze wohl im Vierungsturm entwickelt haben dürfte.