„Wut auf den Konzern“Was für einen Leverkusener Autor Bayer mit dem „Ökozid“ zu tun hat

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Er prangert die Menschen hinter den Großkonzernen an: Autor Martin Häusler (l.) bei der Buchpremiere im Gespräch mit Martin Schulz.

Er prangert die Menschen hinter den Großkonzernen an: Autor Martin Häusler (l.) bei der Buchpremiere im Gespräch mit Martin Schulz.

Martin Häusler hat „Unsere entscheidenden Jahre“ geschrieben. Mit dabei bei der Premierenlesung: Martin Schulz.

„Die Welt muss nicht von Oma Lieschen mit ihrem CO2-Fußabdruck gerettet werden. Es gibt andere, wichtige Stellschrauben“, ist sich Martin Häusler sicher. Mit seinem neuen Buch „Unsere entscheidenden Jahre“ möchte er aufrütteln. Am Freitag feierte der geborene Leverkusener und Sohn von Ex-Stadtkämmerer Rainer Häusler im Forum seine Premierenlesung. Gemeinsam mit Martin Schulz, ehemaliger EU-Parlamentspräsident, SPD-Kanzlerkandidat und heutiger Chef der Friedrich-Ebert-Stiftung, diskutierte er über die Inhalte seines Buches und Möglichkeiten und Schwierigkeiten der Politik.

Häusler taucht mit „Unsere entscheidenden Jahre“ ein in die bedrohten Sphären Klima, Luft, Wasser, Boden, Biodiversität und macht bewusst, vor welchen Kipppunkten die Menschheit steht. Er gibt den vermeintlichen Verursachern sowie Hoffnungsträgern ein Gesicht und bespricht mit Juristen die Chancen, „skrupellosen Managern“ den Prozess zu machen.

Wissenschaftliche Zusammenhänge und Wirkmechanismen von Umweltzerstörung werden auch in anderen Büchern beschrieben. Das Besondere an Häuslers Buch: Er will die Entscheider in den Großkonzernen zur Verantwortung ziehen. „Ihr entfesselter Wachstumshunger hat dazu geführt, dass planetare Belastungsgrenzen überschritten sind, Kipppunkte erreicht werden und unsere Gesundheit gefährdet ist“, sagt der Autor. Christian Strasser, Verleger des Europa-Verlags, findet das mutig: „Wir zeigen und bilden sie ab, mit Namen“. Aus Sorge vor drohenden Klagen habe man sogar eine Versicherung abgeschlossen. 

Appel, Emotion, Fakten: Leverkusener Autor findet klare Worte zum Ökozid

„Der Bezug zu Leverkusen und der Bezug zu Bayer bilden den roten Faden. Meine persönliche Wut auf den Konzern dokumentiert sich in den Anekdoten“, verrät Häusler. Es sei kein normales Sachbuch, sondern viel persönlicher. Durch das Design, die emotionale Sprache und den Faktenreichtum versucht Häusler, zu sensibilisieren und die dramatische Lage mehr als deutlich aufzeigen. Das schätzt Martin Schulz, Gesprächspartner an diesem Abend, auch wenn er nicht allen Auffassungen folgen kann. Ein Knackpunkt: Die Konsumenten.

Warum schafft die Gesellschaft es nicht, die Öko-Wende anzustoßen? Schulz beantwortet diese Frage für sich mit einer fehlenden Mehrheit in unserem demokratischen System: „Du brauchst gesellschaftliche Mehrheiten. Für gesellschaftliche Mehrheiten braucht es Aufklärung.“ Aber auch die Umsetzbarkeit eines nachhaltigeren Lebensstils sei nicht für jedermann möglich. Soziale Gerechtigkeit und Finanzverteilung sind wichtige Schlagworte in diesem Zusammenhang. „Ich mache den Konsumenten keinen Vorwurf“, betont er und sagt später: „Man kann in der Demokratie den mündigen Bürger nicht aus der Verantwortung entlassen.“ Wichtig für ihn: Globale Lösungen.

Man kann in der Demokratie den mündigen Bürger nicht aus der Verantwortung entlassen.
Martin Schulz (SPD)

Die Konsumenten habe Häusler bewusst ausgelassen, auch „um ihnen die Last von den Schultern zu nehmen“. Individueller Fleischkonsum, Mobilität und Einkaufsverhalten – das werde seit Jahren breit diskutiert. Häuslers Ziel: „Den Fokus von Konsumenten auf die richten, die diesen Ökozid zu verantworten haben: die Großkonzerne“, meint er. Radikale Aufklärung sei ein Weg, um die ebenso radikalen Änderungen, die es brauche, anzustoßen. „Auch ich bin nicht für eine Öko-Diktatur“, sagt der Autor. „Wenn wir wachsam sind, spüren wir die Folgen des Ökozids in unserem Alltag jeden Tag.“ Sei es die mit Schadstoffen belastete Luft oder der vielfach gespritzte Apfel aus dem Supermarkt.  

Martin Häusler, geboren 1974, studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaften, Geografie und Soziologie. Er arbeitete für verschiedene Medienhäuser. Seit 2000 lebt er in Hamburg.  Mit dem Schritt in die Selbstständigkeit im Jahr 2009 widmete sich Häusler verstärkt Themenfeldern, die sich mit den ökologischen, gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit sowie deren Lösungen auseinandersetzen. „Unsere entscheidenden Jahre“ ist erschienen im Europa Verlag. Eine Ausgabe kostet 25 Euro.

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