Köln – Die Bilder, die sich am Freitag auf der Hohe Straße zeigten, passten nicht recht zur Pandemiezeit: Da drängelten sich Menschen dicht an dicht, vor den Geschäften bildeten sich lange Schlangen, Abstände wurden missachtet. Der Aktionstag Black Friday, an dem vor allem große Filialen mit großzügigen Rabatten werben, hatte mehr Menschen in die Innenstadt gelockt als im Vorfeld erwartet. Dennoch zieht der Handel abseits der Fußgängerzone ein überwiegend ernüchterndes Fazit zum Wochenende – und blickt mit Sorge auf das Weihnachtsgeschäft. Ein Überblick über die aktuelle Situation, Einschränkungen und die Maßnahmen der Politik.
Wie lief das Wochenende?
Das Bild ist, wie es in diesen Zeiten zuletzt so häufig scheint: extrem gespalten. „Die Händler, mit denen ich gesprochen habe, waren unterm Strich zufrieden“, sagt Annett Polster, Geschäftsführerin des Stadtmarketing, über die Geschäfte in der Fußgängerzone. Da zum Black Friday vor allem junge Menschen in die Stadt kamen, profitierten vor allem Technikformate und Marken mit junger Zielgruppe.
Dennoch gaben bei einer Umfrage des Handelsverbands NRW rund 38 Prozent der Befragten an, am Samstag nur maximal 40 Prozent des Vorjahresumsatzes gemacht zu haben. Weitere 32 Prozent erreichten maximal 80 Prozent des Vorjahreswerts. Jörg Hamel, Geschäftsführer des hiesigen HDE-Regionalverbandes, bestätigt diesen Trend für die Region: „Im Vergleich zum Vorjahr lief es dramatisch schlecht“, sagt er. „Viele unserer Mitglieder berichten von großen, zweistelligen Minusraten.“
Welche Lagen und Branchen funktionieren – und welche nicht?
Während sich auf der Hohe Straße und der Schildergasse also lange Schlangen bildeten, klagen zum Beispiel Händler auf der Mittelstraße über wenig Betrieb. „Seit Oktober laufen die Samstage wieder grottenschlecht“, sagt Detlev Bernert, Geschäftsführer des Herrenmode-Geschäfts Borgards. „Wenn ich die Leute höre, die sagen, dass sie 40 Prozent weniger Umsatz machen als sonst, frage ich mich: Wer sind sie und und was verkaufen sie?“ 40 Prozent Rückgang – was für andere dramatisch klingt, ist für ihn viel zu optimistisch gedacht.
Den Modehandel hat die Corona-Krise besonders hart erwischt: All die Anlässe, zu denen man sich neue Kleidung zulegt – die Weihnachtsfeiern, Essen, Hochzeiten und Feiern – fallen in diesem Jahr aus. Hinzu kommt, dass es aktuell vor allem eine junge Klientel in die Innenstadt zieht, die dann eben auf der Hohe Straße und der Schildergasse einkauft, nicht aber in den inhabergeführten Geschäften auf der Mittelstraße. Kunden für höherwertige Ware seien nicht mehr auf den Straßen, sagt Detlev Bernert.
Hamel fasst die Unterschiede zwischen den Branchen mit einer simplen Formel zusammen: „Alles, was man nach außen zeigt, läuft jetzt schlecht. Alles, was man nach innen zeigt, läuft gut.“ Annett Polster ergänzt, dass zuletzt verstärkt Deko-Artikel verkauft würden und alles, was sich als Geschenk eignet: „Uhren, Schmuck, Parfüm Spielwaren“.
So zum Beispiel auch beim Spielwarengeschäft „Der Rabe“ auf der Dürener Straße: „Wir waren mit dem Samstag sehr, sehr zufrieden“, sagt Inhaberin Cristina Steffen. „Wir haben jetzt Sonderöffnungszeiten eingerichtet, machen eine Stunde früher auf und eine halbe Stunde später zu als sonst, denn unser Laden ist recht klein. Das wird gut angenommen“
Wie blickt der Handel auf das Weihnachtsgeschäft?
Auch wenn es in einigen Branchen besser läuft als in anderen – wirklich gut läuft es in den wenigsten. Der HDE-Umfrage zufolge erwarten fast 70 Prozent der Befragten, in diesem Jahr einen geringeren Umsatz im Weihnachtsgeschäft zu machen als im Vorjahr. Dabei sei es bereits im vergangenen Jahr schwach verlaufen. Auch Bernert blickt düster auf den Rest des Jahres: „Ich habe jegliche Hoffnung aufgegeben, dass wir noch im Ansatz Umsatz machen können.“
Und jetzt gelten noch weitere Einschränkungen…
Mit dem 1. Dezember tritt die neue Corona-Schutzverordnung in Kraft. Für den Einzelhandel bedeutet das eine Verschärfung der Zugangsbeschränkungen für Geschäfte mit mehr als 800 Quadratmetern Fläche: Für die ersten 800 Quadratmeter gilt dort weiter die Beschränkung von einer Person pro 10 Quadratmeter – für die Fläche darüber hinaus gilt künftig eine verschärfe Obergrenze von einem Kunden pro 20 Quadratmeter. Der HDE hatte die Regelung im Vorfeld scharf kritisiert. Der Handel befürchtet, dass sich künftig lange Schlangen vor den Geschäften bilden werden.
Beim Düsseldorfer Modehändler Peek& Cloppenburg hieß es auf Anfrage, die Regelung der Regierung sei „teilweise schwer nachvollziehbar“. Durch die großzügigen Flächen und das eigene Hygienekonzept biete man weiter ein sicheres Einkaufserlebnis.
Auch auf den Entfall der bislang vorgesehenen verkaufsoffenen Sonntage im Advent reagierte Peek& Cloppenburg mit Enttäuschung. „In den Monaten November und Dezember steht unsere Unternehmensgruppe erneut vor herausfordernd rückläufigen Kundenfrequenzen aufgrund des Coronavirus“, hieß es. „Die Sonntagsöffnungen hätten unseren Kunden mehr Wahlmöglichkeiten für Ihren Besuch geboten und die Situation entzerrt.“ Das Oberlandesgericht Münster hatte vergangene Woche die von der NRW-Landesregierung vorgesehenen Öffnungen wieder gekippt. Viele Händler reagierten mit Unverständnis, da sie gehofft hatten, so Besucherströme entzerren zu können.
Gerade kleine Geschäfte abseits der Fußgängerzone sehen etwaige Sonntagsöffnungen teils aber auch kritisch. „Uns bringt das nichts“, sagt Sabine Münch, Geschäftsführerin des traditionsreichen Dessous-Geschäfts Worms auf der Mittelstraße. „Die kleineren Geschäfte können sich so einen verkaufsoffenen Sonntag gar nicht leisten.“ Abseits der Fußgängerzone seien die Straßen dann wie leergefegt, die Lohnkosten könnten nicht einmal den Umsatz decken.
Was fordert der Handel von der Politik?
Münch nennt gleich eine Reihe von Forderungen, darunter zum Beispiel eine gerechtere Verteilung der finanziellen Hilfspakete, Steuerentlastungen für den Einzelhandel und, dass auch Vermieter stärker in die Pflicht genommen würden.
Der Handelsverband fordert derweil zwei konkrete Geldtöpfe: einen Digitalisierungsfonds in Höhe von 100 Millionen Euro, um Unternehmen zu helfen, in die Zukunft zu finanzieren. Und einen Innenstadtfonds gefüllt mit 500 Millionen Euro, um „den Standort Innenstadt dauerhaft aufzuwerten“.
Was sagt die Politik?
Zur Forderung des Handelsverbands äußert sich NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) am Montag in Düsseldorf zurückhaltend. Er könne nicht sagen, ob der Bund ein solches Paket plane. In NRW sei ein vergleichbares Programm zur Digitalisierung des Handels bereits vor der Pandemie angeschoben und noch einmal um 15 Millionen Euro erweitert worden.
Pinkwart geht aber davon aus, dass vor allem der Facheinzelhandel spätestens ab Januar 2021 von der Überbrückungshilfe 3 des Bundes profitieren kann. „Der Handel darf arbeiten, aber einige Betriebe trifft es sehr hart“, sagt er. „Vor allem für den Facheinzelhandel in den Innenstädten sieht es nicht gut aus.“ Diese Hilfe umfasse deutlich verbesserte Regelungen. Der Höchstbetrag werde vom Bund von bisher 50 000 auf 200 000 Euro erhöht. Man bemühe sich, dass die Unterstützungsmöglichkeit aus der Überbrückungshilfe III schon im Dezember greifen. „Das würde auch dem Handel helfen.“
Die geltenden Überbrückungshilfen sollen nun auch Unternehmen bekommen, die im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresmonat einen Umsatzeinbruch von mindestens 40 Prozent erlitten haben. Das hatte der Bund in der vergangenen Woche beschlossen und die Zahlungen bis Ende Juni 2021 verlängert. „Wir hoffen, dass wir damit dem Spezialeinzelhandel helfen können. Sonst wird es zu Betriebsschließungen kommen.“
Auch die Wirtschaftsministerkonferenz will den Einzelhandel stärken. Es brauche stärkere Anreize, um Menschen in die Innenstadt zu bekommen, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier am Montag vor den Beratungen der Minister. Außerdem müsse es gelingen, die Theken der Einzelhändler ins Netz zu verlängern. Dafür bedürfe es hoher Investitionen.
Hinweis der Redaktion: In einer vorherigen Version des Artikels hieß es, in Geschäften mit mehr als 800-Quadratmeter-Regel gelte künftig generell die Beschränkung von einem Kunden pro 20 Quadratmeter. Der Fehler ist in der aktualisierten Fassung korrigiert.