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Inflation bei Lebensmitteln geht zurückRewe steigert Gewinn – und will mit Eigenmarkenstrategie Discountern Paroli bieten

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Rewe-Chef Lionel Souque in seinem Büro in Köln.

Rewe-Chef Lionel Souque in seinem Büro in Köln. Das Unternehmen hat seinen Gewinn gesteigert.

Nach starker Inflation beobachtet die Rewe Group wieder sinkende Lebensmittelpreise.

Nach einer Phase ungewöhnlich hoher Inflation, besonders in Supermärkten, gibt der Chef der Einzelhandels-Kette Rewe Group, Lionel Souque, Entwarnung. Der Preisanstieg bei den meisten Warengruppen sei vorüber. „Ich rechne mit einer Inflation im Lebensmittel-Einzelhandel von einem bis zwei Prozent“, sagte Souque und verwies darauf, dass er allerdings die zurückliegende Inflationswelle auch nicht vorausgesagt habe.

In bestimmten Ländermärkten, etwa in Tschechien, und bei bestimmten Produkten beobachte man sogar deflationäre Tendenzen, also fallende Preise bei bestimmten Warengruppen. „Im April 2022 kostete ein Liter Rapsöl unserer Eigenmarke 1,79 Euro. Ein Jahr später lag der Preis bei 2,49 Euro. Im April 2024 schließlich ist der Preis wieder auf 1,39 Euro gefallen und damit sogar deutlich unter dem Niveau von vor zwei Jahren“, sagte Souque beim diesjährigen Pressegespräch in Köln. Statistiker belegen den Trend. Die Preise für Nahrungsmittel lagen zuletzt 0,7 Prozent niedriger als vor einem Jahr und damit deutlich unterhalb der Inflationsrate von 2,2 Prozent.

Allerdings hätten die Preisanstiege der vergangenen zwei Jahre das Verbraucherverhalten maßgeblich verändert. „Die Kunden suchen gezielt nach Angeboten bei den Markenartikeln. Außerdem setzen sie immer stärker auf die Eigenmarken Ja und Clever“, sagte Souque. So sei bei der zu Rewe gehörenden Discount-Kette Penny der Anteil der Eigenmarken schon auf 48 Prozent geklettert. Bei Rewe selbst liege er bei 28 Prozent. „Wir gehen davon aus, dass er schon bald auf 30 Prozent steigen wird“, sagte der Rewe-Konzernchef.

Wir garantieren, dass ein vergleichbarer Handelsmarken-Artikel nie länger als 24 Stunden beim Discounter billiger ist

Mit der Eigenmarkenstrategie will Rewe zunehmend Discountern wie Aldi oder Lidl Paroli bieten, insbesondere wegen der gestiegenen Preissensibilität der Kunden. Man habe inzwischen 1000 Handelsmarken-Produkte im eigenen Sortiment. „Wir garantieren, dass ein solcher vergleichbarer Artikel nie länger als 24 Stunden beim Discounter billiger ist“, sagte Souque.

Menschen änderten wegen der hohen Preissteigerungen ihr Einkaufsverhalten

Marktforschungsdaten von Consumer Panel Services GfK belegen: Viele Menschen änderten wegen der hohen Preissteigerungen bei Lebensmitteln ihr Einkaufsverhalten. Sie kauften häufiger bei Discountern. Die konnten bei den Umsätzen im Jahr 2023 stärker zulegen (+10,3 Prozent) als Vollsortimenter wie Rewe (+6,2 Prozent) und gewannen Marktanteile hinzu.

Das erneut durch Kriege, Preissteigerungen und Konsumflaute geprägte Geschäftsjahr 2023 ging nicht spurlos an der Rewe-Gruppe vorbei. Der Gesamtumsatz stieg - beeinflusst durch die hohe Inflation - um knapp neun Prozent auf 92,3 Milliarden Euro. In seinem Kerngeschäft, dem Lebensmittelhandel, war das Unternehmen weiterhin mit der spürbaren Verunsicherung und Sparsamkeit der Verbraucher konfrontiert.

Die Umsätze in den Märkten in Deutschland stiegen zwar um 7,8 Prozent auf 40,4 Milliarden Euro. Das Wachstum fiel damit wie im Vorjahr jedoch erneut deutlich geringer aus als die Preissteigerungen. Die vom Statistischen Bundesamt ermittelte Inflation bei Nahrungsmitteln lag 2023 bei 12,4 Prozent. Im Jahr zuvor waren es bereits 13,4 Prozent.

Millionenbeträge, um Preissprünge zu glätten

Nach Angaben von Rewe liefen die Geschäfte in den Supermärkten 2023 zwar etwas besser als im Vorjahr. Dennoch hat das Unternehmen nach eigenen Angaben wieder einen dreistelligen Millionenbetrag investiert, um die Preissprünge für Kunden in Grenzen zu halten. Im März rutschten sie erstmals seit Februar 2015 unter das Niveau des Vorjahresmonats.

In einem ganz anderen Segment konnte Rewe 2023 deutlich aufholen, was die Gesamtlage deutlich verbessert. Wegen der gestiegenen Reiselust der Menschen hat der Handels- und Touristikkonzern seinen Gewinn unterm Strich deutlich gesteigert. Im vergangenen Jahr verzeichnete der Handelsriese einen Jahresüberschuss von 736,2 Millionen Euro und damit ein Plus von 46 Prozent. Selbstständige Rewe-Händler und Beteiligungsunternehmen sind hier nicht berücksichtigt.

Besonders stark zulegen konnte der Tourismus-Bereich der Rewe, zu dem Marken wie Dertour, ITS, Clevertours und Jahn-Reisen zählen. Die Umsätze kletterten um knapp 25 Prozent auf nunmehr 7,2 Milliarden Euro. „Einerseits hält der Reise-Nachholbedarf nach der Pandemie an. Andererseits haben viele Menschen die Entscheidung getroffen, sich ihren Urlaub zu gönnen und bei Bedarf lieber an anderer Stelle zu sparen“, sagte Rewe-Chef Lionel Souque.

Rewe und Penny steigen bei Paback aus

Die Umsätze der Reisesparte waren wegen der Pandemie stark eingebrochen. Im Jahr 2022 erreichte man wieder das Vor-Pandemie-Niveau. Souque hatte im vergangenen Jahr dennoch eine wenig optimistische Prognose abgegeben. Er rechnete damit, dass viele Menschen wegen knapper Kassen auf Reisen verzichten würden.

Ab Jahresende wird Rewe und seine Töchter aus dem geschäftsübergreifenden Kundenbindungsprogramm Payback aussteigen. Solche Angebote seien in vielen Ländern inzwischen gescheitert. Der Handelskonzern will ab 2025 auf ein eigenes Kundenbindungsprogramm für Rewe und Penny setzen.

Unklar ist es, wie es mit dem Lieferdienst Flink weitergeht. Daran ist Rewe mit zwölf Prozent als Minderheitsgesellschafter beteiligt. Lionel Souque zeigte sich offen, eine weitere Finanzierungsrunde mit den anderen Investoren mitgehen zu wollen, was aber an nicht genannte Bedingungen geknüpft sei. Gleichzeitig schloss er aber auch einen Verkauf des Rewe-Anteils an andere nicht aus. Flink sei ein Investment, Rewe arbeite selbst am Ausbau seines eigenen Lieferdienstes.