Quecksilber lagert sich in kritischem Maße im Körper von Raubfischen wie Thunfisch und Kabeljau ab. Ein Grund, Fisch endgültig von unseren Tellern zu verbannen?
Der Haken am FischImmer mehr Meerestiere sind mit Quecksilber belastet
Kaum einem Lebensmittel werden so viele positive Eigenschaften zugesprochen wie Fisch. Die darin enthaltenen langkettigen Omega-3-Fettsäuren sollen das gesamte Herz-Kreislauf-System in Schwung bringen; das Jod im Seefisch ist ein wichtiger Bestandteil von lebensnotwendigen Schilddrüsenhormonen. Kein Wunder also, dass die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, dass ein- bis zweimal in der Woche Fisch auf dem Speiseplan stehen sollte. Doch es gibt einen Haken: Meerestiere können mit Quecksilber belastet sein – und das ist ganz und gar nicht gesund. Ein Grund, Fisch endgültig von unseren Tellern zu verbannen?
Quecksilber ist ein Schwermetall, das durch natürliche Prozesse in die Umwelt gelangen kann – beispielsweise Vulkanausbrüche oder Erosion. Weitaus häufiger sorgt der Mensch selbst allerdings dafür, dass immer mehr Quecksilber in Böden, Atmosphäre und Gewässern landet.
Laut Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) werden jedes Jahr große Mengen Quecksilber unter anderem durch die Nutzung fossiler Brennstoffe, vor allem Kohle, freigesetzt. „Erst hierdurch kommt es zu überhöhten Umweltkonzentrationen, die ein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen können“, heißt es auf der Website des Ministeriums. Laut Umweltbundesamt reichert sich das Quecksilber in einer organischen und hochgiftigen Form – als Methyl-Quecksilber – in den Nahrungsnetzen von Flüssen, Seen und Meeren an.
In Tieren, die in der Nahrungskette weit oben stehen, kann sich so eine kritische Menge des Schwermetalls sammeln. Wasserlebewesen am Ende der Nahrungskette enthalten kleine Mengen von Quecksilber. Sogenannte Spitzenprädatoren – also Raubfische – fressen große Mengen dieser Organismen, und das Schwermetall reichert sich in kritischem Maße in ihrem Körper an. Diese Fische, unter anderem Thunfisch, Schwertfisch, Kabeljau oder Hecht, landen auf unseren Tellern – und das Quecksilber in unserem Körper. Grundsätzlich gilt dabei: Langlebigere Arten sind stärker belastet als Fische, die jung oder schnellwüchsig sind.
Laut BMUV kann eine hohe Quecksilberbelastung beim Menschen zu Störungen des Nervensystems und des Immun- sowie Fortpflanzungssystems führen. „Besonders gefährdet sind Ungeborene, wenn ihre Mutter deutlich überhöhten Quecksilberdosen ausgesetzt war. In diesen Fällen steigt die Wahrscheinlichkeit einer dauerhaften Schädigung des Nervensystems des Kindes“, heißt es.
Einer US-amerikanischen Studie aus dem Jahr 2019 zufolge könnte diese Entwicklung durch den Klimawandel und die Überfischung der Weltmeere noch weiter befeuert werden. Demnach erwarten die Wissenschaftler, dass der Quecksilbergehalt einiger Raubfische in Zukunft steigen könnte. Hintergrund: Die Tiere finden ihre ursprüngliche Beute nicht mehr und müssen auf andere Nahrungsquellen ausweichen. Den Daten der Wissenschaftler zufolge sei der Quecksilbergehalt von atlantischem Kabeljau aufgrund von Ernährungsumstellungen der Tiere aufgrund der Überfischung zwischen den 1970er- und den 2000er-Jahren um 23 Prozent gestiegen. Das Modell der Wissenschaftler skizziert zudem einen Anstieg der Konzentration von Quecksilber im Gewebe vom Roten Thun um 56 Prozent.
Mittlerweile gibt es weltweit Bemühungen, das Quecksilberproblem einzudämmen. Die Freisetzung des Schwermetalls in die Umwelt soll mithilfe der 2017 in Kraft getretenen Minamata-Konvention beschränkt werden – bis 2021 traten 134 Staaten bei. Deutschland und die EU setzen den Vertrag seit 2018 um. Zudem gibt die EU-Kommission Höchstgehalte von Quecksilber in Fischen und Fischereiprodukten vor. Deren Einhaltung wird von deutschen Behörden überwacht. Das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit führte beispielsweise in den Jahren 2020 bis 2022 insgesamt 1299 Untersuchungen von Fisch auf Quecksilber, Blei und Kadmium durch. Das Ergebnis: Bei elf Untersuchungen lagen die Ergebnisse über den gesetzlichen Höchstwerten, in sechs Fällen handelte es sich dabei um Quecksilber.
Aus Sicht von Fachgesellschaften und Behörden wiegen unterdessen die gesundheitlichen Vorteile eines regelmäßigen Fischverzehrs die Risiken einer erhöhten Belastung mit Methylquecksilber auf. Ein bis zwei Portionen Fisch, darunter 70 Gramm fettreicher Seefisch und 150 Gramm fettarme Arten, sind laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) wöchentlich akzeptabel. Eine Menge, die der Durchschnittsdeutsche den Ernährungsexperten zufolge ohnehin nicht erreicht: Laut einer Studie liegt der Verzehr von Fisch demnach bei Männern bei 105 Gramm pro Woche und bei Frauen bei 91 Gramm. 16 Prozent der Deutschen essen überhaupt keinen Fisch, so die DGE. Dabei könne regelmäßiger Fischverzehr, besonders von fettreichen Sorten, dank langkettiger Omega-3-Fettsäuren „das Risiko für tödlichen Herzinfarkt, ischämischen Schlaganfall und Fettstoffwechselstörungen mindern“, so die Experten.
Gute Lieferanten seien Süßwasserfische wie Forelle oder Karpfen, aber auch Meeresfische wie beispielsweise Thunfisch. Doch dieser könne „ebenso wie Schwertfisch, Kabeljau, Weißfisch, Hecht oder Seehecht mit (Methyl-)Quecksilber belastet sein“, schränkt die DGE ein.
Auch das Bundesamt für Risikobewertung rät, sorgfältig abzuwägen „zwischen dem Wunsch nach bestmöglichem Schutz vor einer möglichen Quecksilberbelastung und den ernährungsphysiologischen Vorteilen, die der Verzehr von Fischen bietet“. Frauen im gebärfähigen Alter, Schwangere, Stillende und Kleinkinder sollten demnach keine größeren Mengen an Fisch und Fischprodukten über längere Zeit verzehren, „wenn diese von besonders betroffenen Fischarten stammen“.
Auf Nummer sicher geht also, wer möglichst wenig große Raubfische wie Thunfisch oder Seehecht verzehrt und zu schnellwüchsigen Tieren greift, etwa Hering. Britta Gerckens von der Verbraucherzentrale Hamburg rät außerdem dazu, Fisch aus Bio-Aquakulturen oder Wildfang zu kaufen, der das MSC-Siegel aufweist. Grundsätzlich plädiert die Expertin wegen der Überfischung der Weltmeere für den Verzicht auf Fisch: „Man muss nicht zwingend Fisch essen. Kurzkettige Omega-3-Fettsäuren sind auch in Ölen, Samen und Nüssen enthalten. Diese kann unser Körper in langkettige Omega-3-Fettsäuren umwandeln.“ Auch Algenöle seien eine weitere gute Alternative zum Fisch auf dem Tisch.