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A-ha in der Kölner Lanxess-ArenaBesser gealtert als Coldplay und U2

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A-ha in der Lanxess-Arena

Köln – Nostalgie ist ein gefährliches Gefühl, wenn man sich von ihr forttreiben lässt, bis die Vergangenheit verklärt, die Gegenwart dagegen fad erscheint. In gesunden Dosen ist sie allerdings ein Wundermittel zur Vergangenheitsvergegenwärtigung. Was wäre in diesen unwirtlichen Zeiten, da eine Pandemie noch nicht vorbei und ein Krieg in Europa in erschreckendem Gange ist, dafür besser als ein A-ha-Konzert?

10.000 Menschen sind am Sonntagabend in die Lanxess-Arena gekommen, um die Realität für zwei Stunden auszublenden und sich in die Gefühlswelten ihrer Jugend zu begeben.

Zellkern des 80er Jahre Pops

A-ha, das war einer der Zellkerne der Popmusik der 1980er Jahre, eine Synthesizer-Band aus Norwegen mit einem metrosexuellen Sexsymbol als Sänger, die mit ihrem Hit „Take on me“ die Charts in den USA und Europa eroberte, vor 200.000 Menschen im brasilianischen Maracana-Stadion spielte und eines der meistgesehenen Musikvideos der Welt drehte (Das „Take-on-me“-Video ist auf Youtube mehr als 1,4 Milliarden mal gestreamt worden).

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Sänger im Video schwer gezeichnet

Die Show in Köln startet mit einem Video, das animiert ist wie die Rotoskopie genannten Zeichnungssequenzen des berühmten „Take-on-me“-Clips; zwischendurch liegt der Sänger Morten Harket in dem Film mit geschundenen Zügen am Boden, wie tot.

Wenig später steht Harket recht lebendig auf der Bühne, auch wenn er während der Show wie ein Fels vor am Mikro steht, nicht wippt, nicht tanzt, nicht animiert, (das überlässt er Keyboarder Magne Furuholmen), nur: singt.

Mit Jeansjacke, weißem T-Shirt, Bluejeans, weißen Sneakers und gut trainiertem Body erinnert Harket vom Style an Matt Dillon in dem 80er Jahre Hollywoodklassiker „Rumble Fish“, ein paar Macken immerhin hat der 62-jährige inzwischen, lässt sich erleichtert zur Kenntnis nehmen – bis vor zehn Jahren sah er aus wie ein ewig junger Dorian Gray.

Huldigung an die Jugend und die Natur

Eine Ode an die Jugend ist nach dem Klassiker „Crying in the Rain“, (zu dem sich perfekt der ersten Liebe hinterherweinen ließ,) der zweite Höhepunkt des Abends: „You have what it takes“ aus dem im Herbst erscheinenden Album „True North“ ist eine Ballade darüber, wie schlecht die Generation der Musiker (und des Publikums) mit der Natur umgegangen ist – und warum die Jugend das Zeug dazu hat, es besser zu machen. Einige Fans haben Tränen in den Augen – Das Lied trifft bei Eltern von Kindern der Generation Greta einen Nerv.

Weg vom Eskapismus

Ein klassischer A-ha-Song aus dem neuen Album kommt mit „Forest for the trees“: Synthesizer, schwebende Melodie, Harkets ätherische Stimme dominant, um nachdenklicher als einst den Zustand der Welt zu beklagen und an einen achtsameren Umgang mit der Erde zu appellieren. Früher war A-ha ein leichtes, popkulturelles Gegengewicht zu kaltem Krieg, Umweltzerstörung, Aids und anderen Geißeln der Zeit. Eskapistisch ist die Band längst nicht mehr.

Neuer Film und neues Album im Herbst

Das neue Album sei eine Huldigung an die Natur, sagt Keyboarder Furuholmen. In der Show werden die Lieder mit mächtigen Landschaftsaufnahmen auf der gigantischen Leinwand untermalt. Sie stammen aus dem Musikfilm „True North“, der im Herbst zeitgleich mit dem gleichnamigen Album erscheint. Kitsch und Schmelz sind mit den Jahren nicht weniger geworden, trotzdem ist die Musik der Norweger exzellent gealtert.

Ende der 80er Jahre bedurfte es Mut, um sich als als A-ha-Fan zu outen. Die Band galt wahlweise als naiv, klischeehaft, kommerziell oder „schwul“. Als A-ha-Fan war man Popper, meine Kumpels wollten eher Punks sein. Meinen Glauben an die Band hat Nils, ein anerkannt genialer Musiker aus unserem Dorf, bestärkt, der sagte, A-ha mache „perfekte Popmusik“.

Die drei Norweger, keiner von ihnen Rampensau, wurden dann so berühmt, dass sich später Megabands wie Coldplay auf sie beriefen und U2 zugab, ihr Lied „Beautiful day“ aus A-has „The sun always shines on TV“ geklaut zu haben. A-ha ist weitaus besser gealtert als die längst nur noch auf Masse zielenden Jungs von Coldplay und der ewige Bono mit U2 - auch wenn diese stadiontauglicher sind als Harket, der  mit der großen Bühne fast ein bisschen fremdelt.

Den Hit spielt die Band in Köln am Ende des Sets, dazu „Hunting high and low“ und, als Zugabe, natürlich: „Take on me“. Viele erfolgreiche Lieder wie „Stay on these roads“ oder „Summer moved on“ fehlen auf der Setlist. Nach diversen Trennungen geht es der seit 2015 wiedervereinigten Band auch darum, ihre musikalische Würde zu bewahren. Und den Fans keine Überdosis Nostalgie zu verabreichen.

Viele Hits fehlen

Im zweiten Teil des Konzerts spielen Sänger Harket (62), Keyboarder Furuholmen (59) und Gitarrist Pal Waaktar Savoy (60) — ergänzt durch einen Schlagzeuger, einen Bassisten und einen zweiten Keyboarder – die Songs von ihrem Debütalbum „Hunting high and low“. Die gleichnamige Tour sollte eigentlich 2020 genau 35 Jahre nach Erscheinen des legendären Erstlings starten. Zwei Coronajahre später besteht A-ha seit unglaublichen 40 Jahren.

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Harket sagt in einem seiner wenigen Sätze ans Publikum, er sei dankbar, dass alle die zwei Jahre Pandemie ausgehalten hätten und jetzt hier seien. In einer seltenen Geste breitet er die Arme aus und deutet eine Verbeugung an. Inniger Applaus. Typen, die fast nichts gemacht haben, waren damals wie heute die coolsten. Harket hat dazu noch seinen Gesang. Zwei Oktaven, glockenhell und sehnsuchtsvoll. Ein Jugendtraum.

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