„Geteilte“ StadtMainz bleibt Mainz - auch als Teil von Wiesbaden

Lesezeit 3 Minuten

MAINZ - Mainz ist eine geteilte Stadt. Daran wurde somancher Mainzer unweigerlich erinnert, als am Dienstag am Ortseingangein Originalstück der Berliner Mauer - eigentlich in Erinnerung andie Teilung Deutschlands - aufgestellt wurde. "Das hatten wirdurchaus im Hinterkopf, als wir den Platz aussuchten", sagte derMainzer Oberbürgermeister Jens Beutel (SPD) am Rande und blicktehinüber zur anderen Rheinseite. Hinüber nach Amöneburg, Kostheim undKastel, kurz AKK, den "geraubten Gebieten", wie ein Kolumnist der"Zeit" unlängst in einer Glosse stichelte.

Im Jahre 1945 besiegelten die Alliierten die Abspaltung der dreirechtsrheinischen Mainzer Stadtteile. Bei der Neuordnung desReichsgebiets zogen Generäle die Grenze zwischen Rheinland-Pfalz undHessen - der Einfachheit halber mitten durch den Rhein. Über Nachtwurden die drei Orte damit zum einen hessisch, zum andern Stadtteilevon Wiesbaden.

Hessens "autonome Region": Eigener Haushalt, Strom, Gas und Busse kommen von "drüben"

AKK ist jedoch immer ein Stück Mainz geblieben. Nicht nur auf denOrtsschildern, auf denen die drei Orte in einer Mischung auslokalpatriotischer Verbundenheit und provozierendem Trotz den Namender einstigen Mutterstadt vor sich hertragen: "Mainz-Kastel","Mainz-Kostheim" und "Mainz Amöneburg". Der Name "Wiesbaden" stehtzwar gleichgroß obendrüber, allerdings erst seit wenigen Jahren. Nachwie vor hat AKK einen eigenen Gemeindehaushalt, auch wenn dieser vomWiesbadener Stadtkämmerer mitverwaltet wird. Strom und Gas hingegenliefern die Stadtwerke Mainz und auch die Stadtbusse kommen von derlinken Rheinseite.

Ein Dauerthema ist das Schicksal der AKK-Orte seit jeher in derMainzer Fastnacht. So sang Ernst Neger, Komponist der legendärenHumba-Humba-Täterä-Hymne: "Man hats mit Mainz genauso gemacht wie mitder Stadt Berlin. Man hat's zerstört, hat's zweigeteilt. Und trotzdemhab ich Mut, zu glauben, dass das alles heilt". Mit Humor nehmen esauch Fanclubs des Bundesligisten Mainz 05, die sich "FalscheRheinseite" oder "Hessliche 05er" nennen.

Politisch ist die Abspaltung der AKK-Orte seit Jahrzehnten immerwieder heikler Gegenstand parlamentarischer Debatten in Stadt undLand sowie verfassungsrechtlicher Gutachten. Dabei geht es weniger umlokalpatriotische Befindlichkeiten, vielmehr sind wirtschaftlicheInteressen Motor der Auseinandersetzung. Stadtsprecher RalfPeterhanwahr nennt als Beispiel die starke Industrie in Amöneburg.

Der Konflikt kocht immer wieder mal hoch. Zuletzt, weil Eltern ausAKK ihre Kinder nicht mehr auf Mainzer Gymnasien schicken durften.Oder der Fußballbundesligist Mainz 05 zeitweise überlegte, sein neuesStadion auf der Wiesbadener Seite zu errichten.

Umstrittene Abstimmung: Enthaltungen als Wiesbaden-Stimmen gezählt

Vor 23 Jahren hätte Mainz seine drei verlorenen Stadtteile beinahezurückerhalten. Bei einer Volksabstimmung wollte eine Mehrheit derAKK-Bewohner wieder zu Mainz gehören. Woraufhin der damaligeWiesbadener Oberbürgermeister kurzerhand die Enthaltungen denPro-Wiesbaden-Stimmen zuschlug - und somit das Ergebnis umdrehte.

Vor drei Jahren machten sich der Mainzer Oberbürgermeister Beutelund FDP-Landeschef Rainer Brüderle erneut für eine Volksabstimmungstark. Ihm Bundestag, der für die Verschiebung der Ländergrenze dasGrundgesetz hätte ändern müssen, fanden sie jedoch kein Gehör. "AusAngst, in anderen Landstrichen könnten ähnliche Forderungen lautwerden", erinnert sich Stadtsprecher Peterhanwahr.

Ebenso "unrealistisch" sei ein Staatsvertrag zwischen Hessen undRheinland-Pfalz, erläutert der Sprecher. Zu groß seien dieDifferenzen in der AKK-Frage. Hessens Ministerpräsident Roland Kochhatte vor einigen Jahren ein für allemal zementiert: "Der hessischeMinisterpräsident wird die AKK-Gemeinden nie hergeben."

Eine klitzekleine Chance sieht man in Mainz dennoch, und zwar imFalle einer generellen Neuordnung der Bundesländer. "Dann würden wirsicher alte Interessen wieder aufgreifen", betonte Peterhanwahr. (ddp)

KStA abonnieren