„I hob' mein eigenen Rhythmus“

Lesezeit 4 Minuten
Joe Zawinul, wie man ihn kannte.

Joe Zawinul, wie man ihn kannte.

Der Wiener ist „total happy“ mit der Aufnahme zu einer neuen CD, die morgen erscheint.

Spricht man ihn auf den Abend des 26. Oktober 2005 an, dann leuchtet Joe Zawinuls Gesicht schlagartig auf. „Das war eine fantastische Nacht, ich erinnere mich an jede Minute, als sei es gestern gewesen“, schwärmt der 74-jährige Keyboarder und meint damit sein Konzert mit der Bigband des Westdeutschen Rundfunks im Wiener Jazzclub „Birdland“. „Da war so viel Energie in dieser Band, weil alle Musiker auf der kleinen Bühne des Klubs eng beieinander saßen und nicht so großzügig verteilt waren wie in einem Konzertsaal. Ich glaube, man kann hören, wie die Musiker sich gegenseitig inspiriert haben, ihr absolut Bestes zu geben. Ich bin total happy mit der Aufnahme, die wir da gemacht haben.“

Joe Zawinul, der in Wien aufwuchs und nach seiner Emigration in die USA Ende der 50er Jahre eine Weltkarriere als Sideman von Cannonball Adderley oder Miles Davis sowie als Bandchef (Weather Report, Zawinul Syndicate) gemacht hat, ist der Letzte in einer illustren Reihe von Gastmusikern, die die WDR Bigband zur Hochform auflaufen lassen. Die Weather-Report-Hits und Zawinul-Kompositionen wie „Black Market“, „A Remark You Made“, „In A Silent Way“ oder „Boogie Woogie Waltz“ wurden von Vince Menoza für die Bigband arrangiert, der 2004 schon die Zusammenarbeit mit den Brecker Brothers musikalisch begleitet hatte.

Alles zum Thema Musik

So sehr Zawinul die WDR Bigband in den höchsten Tönen lobt („eine phänomenal gute Band“), so kompromisslos war er, als er eine eigene Rhythmusgruppe - Perkussionist Alex Acuna, Bassist Victor Bailey und Schlagzeuger Nathaniel Townsley - in die Zusammenarbeit mit dem Kölner Klangkörper einbrachte. „Mit den Rhythmusgruppen hapert's in Europa“, stellt er im breitesten Wienerisch lapidar fest, „weißt', i hob' meinen eigenen Rhythmus.“

Wie viele Musiker seiner Generation ist Zawinul von Duke Ellington geprägt, der immer wieder sagte: „It ain't mean a thing, when it ain't got that swing.“ (frei übersetzt: Wenn es nicht swingt, taugt es nichts). Zawinul: „Ich stamme aus einer vielköpfigen Familie. Schon als kleiner Bub saß ich mit meinem Akkordeon in der Küche meiner Großeltern. Alle haben gesungen, und mit meinem Instrument habe ich die vielen Stimmen zusammengebracht.“

Drei Monate nach seiner Ankunft in den USA, wo er 1959 ein paar Semester an der renommierten Berklee School of Music in Boston studieren wollte, saß der gerade mal 27 Jahre alte Österreicher auf dem Piano-Stuhl der Maynard Ferguson Bigband, die mit den Ensembles von Ellington und Count Basie damals stilbildend war. Von da an ging es Schlag auf Schlag: Zawinul begleitete zwei Jahre lang die großartige Dinah Washington und drückte neun Jahre lang die Tasten im Ensemble des Altsaxophonisten Cannonball Adderley.

Hier setze er als einer der ersten Pianisten das elektrische Piano des Tüftlers Harold Rhodes ein, das in den 70er und 80er Jahren den Sound des Jazz-Rock bestimmte, den Zawinul an der Seite von Miles Davis und zusammen mit dem Saxophonisten Wayne Shorter in der gemeinsamen Band Weather Report mitprägte.

Weather Report war eine Gruppe, die ein junges Publikum für improvisierte Musik interessierte. Und die vor allem eine Kaderschmiede für Bassisten wie Jaco Pastorius und Victor Bailey und eine lange Reihe von großartigen Drummern wie Chester Thompson, Omar Hakim oder Peter Erskine war, den die Musiker der WDR Bigband auch bestens kennen. Es war vor allem Zawinul, der die Rhythmusgruppen formte und forderte, und nach der Auflösung von Weather Report 1985 mit seinem eigenen Ensemble weitermachte, das als Sprungbrett für junge Musiker dient, die jetzt aber nicht mehr allein aus den USA stammen, sondern aus Lateinamerika, Afrika und Indien. „Die Leut' kommen zu mir“, antwortet Zawinul selbstbewusst auf die Frage, wie er die Musiker entdeckt, mit denen er im 75. Lebensjahr immer noch auf Tourneen rund um die Welt geht. „In Afrika war Weather Report eine enorm populäre Band. Das Intro zu unserem Stück »Black Market« war mehr als 20 Jahre lang Erkennungsmelodie von Radio Dakar im Senegal.“

Mit Zawinuls Musik sind natürlich auch die Musiker der WDR Biband bestens vertraut, was im Wiener Konzert zu hören ist und auf zwei CDs dokumentiert wird. Zawinuls Heimspiel ist dabei gar nicht so weit entfernt von der Situation, als er mit seinem Akkordeon den vielstimmigen Chor in der großelterlichen Küche zusammenhielt.

Joe Zawinul und die WDR Bigband Köln: „Brown Street“, BirdJAM 3450-2 erscheint am morgigen Freitag.

KStA abonnieren