„Shandurai und der Klavierspieler”: Rom unter afrikanischer Sonne

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Thandie Newton schickt Botschaften durch den Palazzo.

Thandie Newton schickt Botschaften durch den Palazzo.

Der Regisseur malt einen Film und bringt Gemälde in filmische Bewegung.

Der Film hebt an wie ein Polit-Thriller, in irgendeinem namenlosen Land in Afrika. Schäbige Plakate hängen an den Wänden, durch die Dorfstraßen patrouilliert die Soldateska eines offensichtlich autoritären Regimes, und ein Lehrer, der die Machthaber vor seinen Schülern verulkt, wird aus dem Unterricht heraus abgeführt: Aus der Ferne verfolgt Shandurai, die Frau des Lehrers, die Verhaftung und nässt sich voller Angst ein.

Doch dann lässt ein harter Schnitt die afrikanische Szenerie versinken. Wir befinden uns mit Shandurai in der Abgeschlossenheit einer römischen Wohnung, die vollgestellt ist mit Kunstgegenständen, gegen die Welt draußen fast abgeriegelt durch schwere, dunkle Vorhänge. Nach dem Licht in Afrika die Düsternis des Palazzo, nach der Weite die Enge der Wohnung des englischen Pianisten Kinsky, bei dem Shandurai nun als Hausmädchen arbeitet, um ihr Medizinstudium zu finanzieren. Bernardo Bertolucci inszeniert seine Akteure, aber mehr noch den Raum, das Licht, die Farben.

Sechs Jahre ist sein „neuer“ Film schon alt, doch erst jetzt gelangt er endlich in die deutschen Kinos. Zwischenzeitlich sahen wir von ihm „Die Träumer“, seine erotische Hommage an das Kino nach Gilbert Adair - nun aber, in diesem späteren und eigentlich doch früheren Film „Shandurai und der Klavierspieler“ wandert der Blick zurück von der Leinwand in die Welt. Diese ist voller Distanz, auch wenn die Sehnsucht wie bei den „Träumern“ nach Verschmelzung und Nähe verlangt.

Afrika und Italien, Sensualität und strenge Kunstform, Shandurai und der Pianist, diese Paare bilden nicht allein die erzählerischen, sondern auch die visuellen Achsen in Bertoluccis Film. Kinsky, der Klavierspieler, verliebt sich leidenschaftlich in Shandurai, gesteht ihr seine Gefühle - und wird zurückgewiesen. Es sind die Blicke und die Töne seines Klavierspiels, mit denen dieser stille, gehemmte Mann sie allein berühren kann, und Bertolucci folgt ihnen mit einem Gespür für Sinnlichkeit, welches die Dinge förmlich aufleuchten lässt.

Thandie Newton spielt Shandurai, und ihre schiere Präsenz sorgt dafür, dass Rom bald wie unter afrikanischer Sonne erstrahlt. Dann verwandelt sich die Ferne unversehens in Nähe, auch wenn die Körper in dieser Liebesgeschichte, in der Liebe (fast) nicht vorkommt, (fast) immer auf Distanz bleiben. Nur das Licht verschmilzt in diesem Gemälde, das ein Film ist.

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