Jura-StudiumEin Geschäft mit der Angst

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Unter den Jura-Studenten dominiert die Angst. (Symbolbild: ddp)

Unter den Jura-Studenten dominiert die Angst. (Symbolbild: ddp)

Eigentlich sollte ein Studium auf die Abschlussprüfung vorbereiten. Wer acht Semester lang gewissenhaft Vorlesungen und Seminare besucht, Hausarbeiten und Klausuren schreibt - und besteht - sollte gerüstet sein für das Examen. So ist es in den meisten Fächern. In Jura nicht. Die meisten Jura-Studenten besuchen ein Repetitorium. Der Begriff beinhaltet die Funktion: Es geht um das Wiederholen von Wissen - als Vorbereitung auf eine Prüfung.

Rund 90 Prozent der Studenten, die sich zum Examen anmelden, besuchen ein Repetitorium, schätzt Prof. Ulrich Preis, Direktor des Instituts für deutsches und europäisches Arbeits- und Sozialrecht und Leiter des Großen Examens- und Klausurenkurses an der Kölner Universität. Preis stellt den Erfolg privater Repetitorien in Frage: "Obwohl die große Mehrheit der Studenten ein Repetitorium besucht, verbessern sich die Examensnoten nicht." 30 Prozent der 992 Studenten haben laut Justizprüfungsamt Köln die Staatliche Pflichtfachprüfung im Jahr 2010 nicht bestanden. Mit "ausreichend" wurden 28 Prozent bewertet, während genau ein Student die Note "sehr gut" erhielt.

Auf den Internetseiten der Repetitorien-Anbieter klingt das ganz anders: "Die hervorragenden Ergebnisse unserer Studenten geben uns Recht!", bewirbt ein Repetitorium sein "individuelles und intelligentes Lernkonzept". Ein anderer Anbieter hat nach eigenen Angaben "in den letzten 20 Jahren über 50 000 Juristen, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer auf deren juristische Prüfungen vorbereitet". Wie viele davon wie bestanden haben, wird allerdings auf der Seite nicht verraten. "Die privaten Repetitorien sind ein Geschäft mit der Angst", behauptet Preis. "Die Studenten fürchten, nicht ausreichend auf die Prüfung vorbereitet zu sein. Diese Angst wird als Geschäftspraxis durch die Repetitorien geschürt."

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Überfrachtetes Studium

Die meisten Studenten wollten möglichst zügig ihr Studium durchziehen. Denn wer nach der Regelstudienzeit von acht Semestern zur Prüfung antritt, hat einen Freiversuch, der bei Nicht-Bestehen nicht angerechnet wird. "Regulär darf ein Jurastudent nur einmal durch die Prüfung fallen. Der Freiversuch sichert ihm einen weiteren Anlauf", so Preis. Angesichts der hohen Anzahl nicht bestandener Prüfungen wird die Angst der Studenten verständlich.

"Ich halte das Jura-Studium für überfrachtet und leide mit den Studenten mit", sagt der Professor. Die Gesetzeslage werde immer komplexer, auch durch die zunehmende Rolle des Europäischen Rechts. Durch den Zeitdruck fehle es an "exemplarischer Vertiefung". Diese Vertiefung bieten die Repetitorien. Auch Rechts-Referendar Christoph Drum hat ein Repetitorium besucht. Zweimal pro Woche standen je fünf Stunden Unterricht an - zehn Monate lang für jeweils 160 Euro. "Für die Prüfung muss man alle Rechtsgebiete beherrschen. Manche behandelt man aber nur im ersten Semester in einer Vorlesung. Bis zum Examen vergisst man das wieder." Der 27-Jährige hat schließlich ein Prädikatsexamen abgelegt. "Ich glaube nicht, dass ich das ohne das Repetitorium geschafft hätte." Geholfen haben ihm die Unterlagen, die vom Repetitor "mundgerecht serviert" wurden. Warum fallen dennoch so viele durch die Prüfung? "Die Fleißarbeit bleibt. Man muss selbst noch viel tun", sagt Drum.

Crash-Kurs in Semesterferien

Ulrich Preis selbst hat - wie Generationen von Juristen vor ihm - zu Studienzeiten ein privates Repetitorium besucht: "Das hat auch etwas mit Gewissensberuhigung zu tun - alle machen es." Inzwischen biete der Große Examens- und Klausurenkurs der Uni eine Alternative zu den kostenpflichtigen Repetitorien. Die eigenständige Einrichtung, die seit mehr als 40 Jahren existiert. 2005 wurde das Angebot um ein universitäres Repetitorium ergänzt. Der Hauptkurs findet während des Semesters statt und behandelt die drei Kernpflichtfächer. Dazu kommen Kompaktkurse, die sich mit Nebengebieten beschäftigen. In der vorlesungsfreien Zeit werden zudem Crashkurse angeboten.

Astrid Schmidt (Name geändert) hat kein kommerzielles Repetitorium besucht, sondern ausschließlich die Angebote der Uni-Einrichtung genutzt. Ein entscheidender Vorteil bestand für sie darin, "dass die Dozenten selbst Prüfer und Klausurensteller im Examen sind". Schmidt hat ihr Examen mit einem "guten Ergebnis" abgeschlossen. Ihr Fazit: "Zusammen mit dem Klausurenkurs und einem Maß an Eigenengagement sichert der Examenskurs eine solide Examensvorbereitung."

Im Klausurenkurs werden zur freiwilligen Examensvorbereitung seit mehr als 40 Jahren wöchentlich drei Klausuren aus verschiedenen Rechtsgebieten angeboten, von denen die Studenten zwei auswählen und unter Prüfungsbedingungen schreiben können. Sie werden von den Uni-Mitarbeitern korrigiert und anschließend im Kurs besprochen. Die Einrichtung bietet noch eine Reihe weiterer Kurse und Übungen an wie die Simulation von mündlichen Prüfungen und Tutorien für Examenswiederholer.

Ein Großteil der Studenten, die ein privates Repetitorium besuchen, nehmen am Klausurenkurs der Uni teil - das hat auch Christoph Drum gemacht. "Im Unterschied zu den privaten Repetitorien erhalten wir Originalklausuren vom Oberlandesgericht", sagt Preis. Pro Jahr korrigieren seine Mitarbeiter 10 000 Klausuren. Die Einrichtung beschäftigt 25 wissenschaftliche und acht studentische Hilfskräfte. "Wir konnten unser Angebot durch die Studiengebühren ausweiten und zusätzliches Personal einstellen. Wir hoffen, dass wir diesen Standard auch nach dem Wegfall der Studiengebühren halten können." Konzept und Angebot seien bundesweit einzigartig.

"Unser Ziel ist es, den Studenten zu helfen, die schwierige Materie Recht zu verstehen." Für die Examensvorbereitung empfiehlt der Professor ein bis eineinhalb Jahre. Auch wenn es für die meisten Studenten selbstverständlich sei, ein Repetitorium zu besuchen: "Die Besten schaffen es auch ohne, die Schlechtesten auch nicht mit Repetitorium."

www.klausurenkurs.de

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