RumänienPräsident mit deutschem Draht

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Rumäniens neu gewählter Präsident Klaus Iohannis.

Rumäniens neu gewählter Präsident Klaus Iohannis.

Andrea Rost freut sich. Sie freut sich wie so viele Siebenbürger Sachsen. „Wir sind sehr froh, dass Klaus Iohannis die Wahl gewonnen hat“, sagt die 35-Jährige. Sie arbeitet als Tourismusmanagerin in Sighișoara (Schäßburg) und vermiete in Transsilvanien geschmackvolle Gästehäuser an Reisende, darunter auch viele Deutsche. Bis vor einem Jahr habe sich niemand vorstellen können, dass ein Siebenbürger Sachse überhaupt als Kandidat für die rumänische Präsidentschaftswahl aufgestellt werden könnte – geschweige denn, dass er gewinnt, fährt Rost fort.

Sie selbst jedenfalls hat „vollstes Vertrauen in Klaus Iohannis“ und hofft, dass sich der langjährige Bürgermeister von Sibiu (Hermannstadt) „in der großen Politik in Bukarest“ wird durchsetzen können.

Der 55 Jahre alte Physiklehrer wurde am 16. November gewählt – er schlug den als schwer korrupt geltenden Konkurrenten Victor Ponta – und kurz vor Weihnachten vereidigt. Dies wiederum ist kein rein innerrumänisches Phänomen. Es reicht bis nach Deutschland hinein.

Klaus Iohannis wurde 1959 in Hermannstadt, heute Sibiu, geboren. Er gehört der Volksgruppe der Rumäniendeutschen an und ist seit dem Jahr 2000 Bürgermeister von Hermannstadt. Am 16. November wurde Iohannis zum rumänischen Präsidenten gewählt. Er soll das Amt am 22. Dezember antreten. Getragen von einer ungewöhnlich hohen Wahlbeteiligung hatte der deutschstämmige Konservative überraschend über Regierungschef Victor Ponta triumphiert. Johannis holte 54,5 Prozent der Stimmen - neun Prozentpunkte mehr als der sozialdemokratische Regierungschef. Iohannis studierte Physik in Cluj und arbeitete während der Ceausescu-Diktatur als Lehrer im Kreis Sibiu. (red)

Dafür spricht einmal die Geschichte. Die Siebenbürger Sachsen begannen – überwiegend aus der Rhein-Mosel-Gegend, dem heutigen Belgien und Luxemburg stammend – im 13. Jahrhundert in Rumänien zu siedeln. Anfang des vorigen Jahrhunderts waren es mehrere hunderttausend Menschen mit einer eigenen Sprache und Kultur. Seit den 1970er Jahren gab es dann einen beständigen sächsischen Aderlass aus dem diktatorischen Rumänien Nicolae Ceaușescu, gesteigert bis zum nahe kompletten Exodus nach dem Mauerfall. Dass einer der Ihren jetzt Präsident geworden ist, neben den zahlreicheren Rumänen, Ungarn und Roma, ist für sich genommen schon eine Sensation und vor allem damit zu erklären, dass die politische Klasse des Landes gründlich abgewirtschaftet hat. Es gibt über das Landsmannschaftliche hinaus aber auch persönliche Bezüge.

So lebt Klaus Iohannis' Vater Gustav Heinz Iohannis schon seit 22 Jahren nicht mehr in Rumänien, sondern in Deutschland, genauer: in Würzburg, Ortsteil Sanderau. 1992 zog der heute 82-Jährige mit seiner Frau der Tochter hinterher. Der Sohn, verheiratet mit einer Rumänin, blieb und machte Karriere. Die Familie hält nun über 1300 Kilometer hinweg Kontakt via Telefon und SMS. An Pfingsten hat der Präsident seine Eltern das letzte Mal besucht. Und im Gespräch mit der lokalen Main-Post zeigte sich der wortkarge Vater jetzt „sehr stolz auf den Sohn, der es so weit nach oben geschafft hat“.

Eine weitere lebende Verbindung ist Bernd Fabritius, CSU-Bundestagsabgeordneter, seit 2007 Vorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und seit kurzem auch Chef des Bundes der Vertriebenen. Iohannis und Fabritius, der 1984 mit 19 Jahren emigrierte, gingen auf die selbe Schule, das Brukenthal-Gymnasium in Sibiu, und kennen sich seit 20 Jahren näher – seit Iohannis in der Heimat Generalschulinspektor wurde. „Klaus Iohannis ist kein ethnischer Politiker“, sagt der Weggefährte trotz der landsmannschaftlichen Nähe. „Er macht keine Politik für die Siebenbürger Sachsen oder die Banater Schwaben, sondern für das gesamte Land.“ Von daher sei er „eine Ermutigung für alle jungen Menschen, in Rumänien zu bleiben“.

So oder so werde das Verhältnis zwischen Deutschland und Rumänien „mit Sicherheit besser werden“, glaubt der Vertriebenen-Präsident. „Iohannis denkt so wie wir und hat die gleichen Werte. Wir haben in Rumänien jetzt einen sehr verlässlichen Partner und sind nicht mehr auf das manchmal sehr volatile Spiel rumänischer Politik angewiesen.“

Ähnlich sieht das Andrea Rost, die einst in Berlin lebte und dann wieder nach Rumänien ging, um in Dörfern Tourismusmanagement zu betreiben – in sächsischen Dörfern, in denen oft nur die Alten zurück geblieben sind und die Jungen aus Deutschland ihre Sommer verbringen. Sie setzt nicht darauf, dass das neue Staatsoberhaupt die Partikularinteressen der Siebenbürger Sachsen vertritt. Dazu ist die Volksgruppe mit vielleicht noch 10 000 Menschen ohnehin viel zu klein geworden; in Sibiu macht sie nicht einmal mehr ein Prozent der Gesamtbevölkerung aus.

Rost glaubt auch nicht, dass mehr Sachsen in Rumänien bleiben oder zurückkehren – und wenn, dann höchstens langfristig. Sie hofft vielmehr, dass Klaus Iohannis dem gesamten Land bringen wird, „was wir im politischen Leben vermissen: Korrektheit, Geradlinigkeit und wirtschaftlichen Fortschritt“. Der Rest, so die Erwartung, ergibt sich im besten Falle ganz von allein.

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