Rheuma-TherapieIrrtum im Immunsystem

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Mit einem Rheumascan lassden sich rheumatische Erkrankungen ohne Strahlenbelastung bildlich darstellen. Bild: Volberg

Mit einem Rheumascan lassden sich rheumatische Erkrankungen ohne Strahlenbelastung bildlich darstellen. Bild: Volberg

Rheumadecken in Kombination mit Kaffeefahrten haben dieser Krankheit ein Image verpasst, das falscher nicht sein kann. Vorrangig ältere Menschen bringt man mit rheumatischen Erkrankungen in Verbindung, doch es kann Babys und Jugendliche, Menschen mittleren Alters und natürlich Ältere treffen. Mehr als 200 unterschiedliche rheumatische Erkrankungen gibt es, und man könnte mutmaßen, dass bei dieser Bandbreite Diagnose und Therapie einem Glückstreffer gleichkommen. Mitnichten, sagen die Rheumatologen Dr. Monika Antons aus Köln und Dr. Christoph Volberg vom Rheumazentrum in Neuss. Beide werden am Mittwoch, 15. Dezember, um 19.30 Uhr im „studio dumont“ Diagnosen und Therapien erklären sowie Fragen beantworten.

Allen rheumatischen Erkrankungen liegt zugrunde, dass das Immunsystem körpereigenes Gewebe um die Gelenke, die Gelenke selber, aber auch Muskeln, innere Organe und Blutgefäße angreift. Also zielt die Hauptrichtung der Behandlung darauf, das Immunsystem in seiner vernichtenden Arbeit „auszubremsen“ und Entzündungen im Körper zu stoppen. Das ist deshalb so wesentlich, weil durch die Entzündungen das Risiko unter anderem für Herzinfarkt und Schlaganfall beachtlich steigt. Rheumatische Erkrankungen, die nicht, falsch oder zu spät behandelt werden, können zu früher Invalidität führen.

Vor der Therapie kommt die Diagnose

Die richtige Therapie setzt voraus, dass die Diagnose stimmt. Dabei können vor allem die Hausärzte helfen. Wer sechs bis acht Wochen lang unter Schmerzen in den Gelenken leidet, sollte dringend seinen Hausarzt aufsuchen, der anhand einer Blutuntersuchung die CRP-Werte ermitteln lassen kann, die Aufschluss darüber geben, ob im Körper Entzündungen vorhanden sind. Als Faustregel bei CRP-Werten gilt: Sechs Milligramm pro Liter und alles was darunter liegt sind „normal“. Der Hausarzt weiß die Werte einzuschätzen, denn unter anderem auch Übergewichtige haben – ohne dass sie an Rheuma erkrankt sind – gelegentlich erhöhte CRP-Werte.

Bei alarmierenden Werten und bleibenden Schmerzen wäre ein schneller Termin bei einem Rheumatologen genau das Richtige. Doch Wartezeiten von mehreren Monaten sind die Realität, denn Fachärzte gibt es wenige.

Es gibt nur wenige Fachärzte

Monika Antons und Christoph Volberg gehören zu den wenigen Medizinern. In der Millionenstadt Köln gibt es vier internistische Rheumatologen und zwei Kliniken (Uniklinik und Porzer Klinik). Angemessen wäre ein Rheumatologe auf 50000 Einwohner. In Köln kommt ein Rheumatologe auf bis zu 250 000 Einwohner.

Um den schmerzgeplagten Patienten wirkungsvoll helfen zu können, müssen sie „von der Locke bis zur Socke“ untersucht werden, sagt Christoph Volberg. Und Monika Antons ergänzt, dass das Gespräch mit dem Patienten einer der wesentlichen Punkte ist, bevor Medikamente verordnet werden.

Zu den wirksamen Mitteln gehören Medikamente wie Diclofenac oder Ibuprofen sowie die Gruppe der Cox-2-Hemmer, die stark entzündungshemmend und schmerzstillend wirken, aber – wie andere Mittel auch – mit Risiken für Herzinfarkt und Schlaganfall behaftet sind, manchmal noch kombiniert mit Magen- und Darm-Beschwerden. Monika Antons: „Zehn bis 15 Prozent der Patienten haben Probleme mit Magen, Darm und Nieren. Das heißt aber auch, dass 85 Prozent der Patienten keine Probleme haben.“

Regelmäßige Untersuchungen optimieren die Therapie

Nach wie vor exzellent in der akuten Schmerzbekämpfung ist Kortison, „das bei den meisten Patienten Angst auslöst“, so Volberg. „Von 1940 an wurden mit Kortison durchschlagende Erfolge erzielt“, sagt Antons, „doch Kortison hat, abhängig von der Dosis und wenn es über längere Zeit verabreicht wird, beachtliche Nebenwirkungen.“ Dennoch bleibt Kortison hochwirksam für eine kurze Behandlungsdauer.

Um zu überprüfen, ob die Therapie anschlägt, müssen Rheumatologen wie Antons und Volberg ihre Patienten regelmäßig untersuchen, was anhand eines Röntgenbildes, durch Ultraschall oder Kernspintomographie möglich ist, neuerdings auch ohne Strahlenbelastung mit dem Rheumascan, einer bildgebenden Methode, die sich für die milden Verlaufsformen von rheumatischen Erkrankungen eignet. Die Kosten für diese Untersuchung übernehmen die gesetzlichen Kassen bisher noch nicht.

Neue Medikamente werden getestet und eingesetzt

Mit Erfolg eingesetzt werden der aus der Malariabekämpfung bekannte Wirkstoff Resochin und Sulfasalazine, die stark entzündungshemmend wirken. Stärker entzündungshemmend wirkt Methotrexat, bekannt aus der Chemotherapie für Brustkrebs. Relativ neu sind Biologika. Die Mittel sind teuer: Pro Patient müssen pro Jahr etwa 20000 Euro veranschlagt werden – die Kosten übernimmt die gesetzliche Kasse. Biologika blockieren die Entzündungen, schlagen bei 20 Prozent der Erkrankten gut bis sehr gut an, bei 45 Prozent „mittelprächtig“, so Monika Antons, und bei 30 Prozent gar nicht. Alle diese Mittel haben eins gemeinsam: Sie unterdrücken die zerstörerische Arbeit des fehlgeleiteten Immunsystems. Was aber das Immunsystem manchmal schon bei Babys dazu veranlasst, das körpereigene Gewebe und die Gelenke anzugreifen, weiß man bisher noch nicht.In der Hoffnung auf Heilung und aus Angst vor den Nebenwirkungen greifen Patienten zu alternativen Mitteln wie Brennnesseln oder Weidenbaumrinde. Antons: „Wenn's hilft – wunderbar, aber einen Buschbrand würde man ja auch nicht mit dem Wassereimerchen löschen.“ Was allerdings zusätzlich zu Medikamenten hilft, ist Sport. Zugegebenermaßen eine Überwindung für Menschen, die sich morgens mit ihren steifen Gliedmaßen kaum bewegen können. Aber es ist die beste Methode, um eine weitere Versteifung aufzuhalten.

"Mediziner im Gespräch" im studio dumont

Rheuma und Arthrose – Diagnose und Therapien

Mittwoch, 15.Dezember, 19 Uhr studio dumont, Breite Straße 72 Gäste sind die Rheumatologen Dr. Monika Antons und Dr. Christoph Volberg. Moderation: Marie-Anne Schlolaut.

Eintrittskarten für die studio visite am 15.12. gibt es zum Preis von 5,50 Euro im Servicecenter Breite Straße 72, Montag–Freitag10-17.30 Uhr, Samstag 10–14 Uhr oder im Internet unter www.studiodumont.de sowie unter der Karten-Hotline: 0221/2801. Abendkasse nur, sofern der Vorrat reicht.

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