„Der Kardinal hat zu arbeiten“

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Der Kölner Kardinal Joachim Meisner

Der Kölner Kardinal Joachim Meisner

Mit seiner kritischen Äußerung zum Richter-Fenster im Kölner Dom, das seiner Meinung nach eher in eine Moschee oder ein Gebetshaus passe, hat Kardinal Joachim Meisner bundesweit für Aufsehen gesorgt. Er selbst wollte seine Äußerung aber in Gesprächen mit Journalisten nicht näher erläutern. „Der Kardinal hat viel zu arbeiten - kein Kommentar“, sagte Meisner auf Nachfragen zum Dom-Fenster, nachdem er gestern Morgen im erzbischöflichen Haus Kinderzeichnungen aus einem Wettbewerb zur Dom-Wallfahrt begutachtet und interpretiert hatte.

Christoph Heckeley, Sprecher des Erzbistums, erklärte im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, er verstehe Meisners Worte als Hinweis darauf, dass es im Islam ein Bilderverbot gebe. Die nicht figürliche Kunst Gerhard Richters sei deshalb also auch in einem Moschee-Fenster denkbar. Für den Dom habe der Erzbischof seiner Meinung nach etwas „nicht so Beliebiges“ vorgezogen. „Über Kunst und Kunstverständnis kann man immer streiten - auch der Kardinal hat zu dem Fenster eben seine Meinung“, sagte Heckeley.

Die Aufregung darüber - erkennbar in bundesweiten Medienberichten und Interviewnachfragen beim Kardinal - finde er nicht nachvollziehbar. Seiner Beobachtung nach stehe Meisner mit seiner Kritik keineswegs allein, betonte der Erzbistumssprecher: Durchaus nicht alle Besucher seien vom Richter-Fenster „fasziniert“, vielmehr gingen die Meinungen sehr weit auseinander. Etliche vermissten einen konkreten Bezug zu Glaubensinhalten.

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Prälat Josef Sauerborn, Künstlerseelsorger des Erzbistums Köln, hatte in seiner Predigt zur Eröffnung dagegen Glaubensinhalte im Fenster entdeckt. Der Schöpfungssatz „Es werde Licht“ war sein Thema, dieser Inhalt scheine „im immer wieder neu überraschenden Spiel der Farben“ auf. Das Fenster zwinge keine Deutung auf. „Das Licht kann seine alles übersteigende und also transzendierende Wirkung entfalten und auf das nicht greifbare Geheimnis weisen“, hatte Sauerborn das Mysterium erklärt.

Aachener Bischof ging auf Distanz

Der Bischof des benachbarten Bistums Aachen, Heinrich Mussinghoff, ging auf Distanz zu Meisners Haltung. Auch abstrakte Formen könnten christliche Glaubensüberzeugungen künstlerisch zum Ausdruck bringen und hätten daher einen legitimen Platz im Kirchenraum, sagte Mussinghoff dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Wir haben doch nichtfigürliche Fenster“, so der Bischof, dessen Kathedrale der Aachener Kaiserdom ist. Mussinghoff bekundete seine Sympathie für Richters Arbeiten und erinnerte daran, dass der Kölner Maler, der als „Atheist mit Hang zum Katholizismus“ gilt, 2004 den mit 25 000 Euro dotierten „Kunst- und Kulturpreis der deutschen Katholiken“ erhielt.

In der Jury saß der damalige Kölner Weihbischof und heutige Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann, ein entschiedener Befürworter des Richter-Entwurfs für das Südquerhaus-Fenster. Hofmann, der sich als „Mittler zwischen Kirche und Kunst“ bezeichnet, hat wiederholt ein neues Miteinander von Kirche und Glauben mit der heutigen Kultur gefordert. Er betrachte Kunst als „Seismograph gesellschaftlicher Entwicklungen“, die in den Kirchenraum hineingetragen werden könnten - davon könne die Kirche nur lernen und profitieren.

In der Begründung zur Verleihung des „Kunst- und Kulturpreises der deutschen Katholiken“ an Richter hieß es seinerzeit, der Maler weise mit seinem Werk über die verstehbare Wirklichkeit hinaus. Dies vermittele sich dem Betrachter seiner Bilder „als Steigerung des »Wahr-Nehmens« in eine transzendente Dimension hinein, wie dies auch der Anfang jeder spirituellen Kunst und auch der Anfang von Theologie ist“. Gerhard Richter balanciere auf subtile Weise mit den Widersprüchen von Präsentation und Repräsentation, Präzision und Unschärfe, „ohne je die Hoffnung aufzugeben, dass es außerhalb seiner selbst eine diese Gegensätze im Letzten versöhnende Dimension gibt.“ Richters Werk durchbreche beim Betrachter das vertraute Wahrnehmungsschema und ermögliche ein existenzielles Sehen.

Dagegen verlangte Meisner eine weitaus engere - dogmatische - Festlegung der künstlerischen Aussage. „Wenn wir schon ein neues Fenster bekommen, dann soll es auch deutlich unseren Glauben widerspiegeln und nicht irgendeinen“, sagte er dem „Express“.

Kasper König, Direktor des Museums Ludwig, nannte im NDR die Äußerung Meisners „unverschämt“; eine Moschee sei doch auch ein Gotteshaus. Dompfarrer Prälat Johannes Bastgen sagte dazu nichts und verwies auf Dompropst Norbert Feldhoff als Leiter des Domkapitels, das die Entscheidung für das Fenster mit großer Mehrheit getroffen hat. Feldhoff hatte gleichfalls keine Details des Streits bei der Auswahl des Richter-Entwurfs preisgeben wollen und sich zu Meisners Kritik nicht geäußert.

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