Das Manuskript zufällig auf dem Dachboden wieder gefunden

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Wilhelm Tieke ist durch seine historischen Bücher bekannt. Sein jüngstes Werk: Anna Born - Ein Frauenschicksal“. Ans Aufhören denkt der 79-Jährige noch lange nicht.

Gummersbach - Wer so viel erlebt hat wie Wilhelm Tieke, der hat Stoff genug, um Bücher zu füllen. Und das tut er immer noch, der 79-Jährige, der in Erbland wohnt, seit 1986 im Ruhestand ist, aber schon vorher als Schriftsteller aktiv war. Seine Werke „Vor der Stunde Null“ und „Nach der Stunde Null“, die die Situation im Oberbergischen Kreis während des Krieges und in den Not- und Hungerjahren danach spiegeln, sind wertvolle Quellen für alle, die sich mit der Geschichte in dieser Zeit beschäftigen. Zehn kriegsgeschichtliche Bücher hat er insgesamt verfasst, danach unter dem Titel „Zwischen Fleetgraben und Königsflieߓ Erinnerungen an seine Kinder- und Jugendzeit in der Mark Brandenburg veröffentlicht. Für junge Leser hat er die oberbergische Heimatgeschichte in dem Buch „Traumreisen ins bucklige Land“ dargestellt.

„Das Manuskript zu Anna Born habe ich bereits zu Beginn der 60-er Jahre für einen Literaturwettbewerb verfasst und vor einiger Zeit per Zufall auf dem Dachboden wieder gefunden.“ Überarbeitet ist daraus ein spannender Roman von 237 Seiten geworden. Anna Born, aufgewachsen als Landarbeiterkind strebt nach Anerkennung, höheren Werten und einem gesicherten Leben. Erst Magd, wird sie die Ehefrau eines Bauernsohnes und erreicht damit einen gesellschaftlichen Stand, den sie sich nicht einmal erträumt hatte. Als ihr Gatte an die Front muss, ist Anna in den Kriegsjahren auf sich gestellt, wird sogar inhaftiert, weil sie „schwarz“ geschlachtet hat. Als sich die Lage der Bauern nach dem Krieg in der jungen DDR mehr und mehr verschlechtert, flüchten die Borns in den Westen. Anna Borns Lebensweg gleicht dem vieler Frauen, die und ums nackte Überleben gekämpft haben.

„Das Schreiben meiner Bücher hat mir geholfen, Kriegserlebnisse zu verarbeiten. Die verblassen zwar irgendwann, aber los wird man sie nie“, erklärte Wilhelm Tieke beim Besuch in seinem Haus. Der 79-Jährige ist noch fit und hat mit wenigen Griffen aus der Fülle der Bücher auf seinem Schrank und im Regal seine Lieblingswerke heraus gezogen. Zu jedem einzelnen hat er eine Geschichte parat.

Von neun bis 13 Uhr

So zu den Büchern über die Kriegs- und Nachkriegszeit. Für jedes hatte er drei Jahre gebraucht, weil Recherchen ihn immer wieder in die Archive lotsten, so auch ins Bundesarchiv Freiburg / Breisgau.

Damals war er noch Mitarbeiter der Firma Teves in Bergneustadt und konnte nur im Urlaub Informationen sammeln. „Zum Glück habe ich im Schichtdienst gearbeitet. Da konnte ich immer von neun bis 13 Uhr schreiben, dann ist man noch fit im Oberstübchen.“ Zu den kriegsgeschichtlichen Themen kam er durch Zufall. Seine Kameraden aus der Soldatenzeit regten ihn an, doch die Geschichte ihrer Kompanie zu verfassen. So entstanden „Der Kaukasus und das Öl“, „Kampf um die Krim“, „Das Ende zwischen Oder und Elbe - Der Kampf um Berlin“, allesamt Werke, die viel Beachtung fanden. Zunächst aber hatte er in seinem Heimatdorf Görike in der Mark Brandenburg kleine Stücke für eine Laien-Theater-Gruppe verfasst.

Dort war er 1923 zur Welt gekommen, hatte nach der Schulzeit das Handwerk des Sattlers erlernt. „300 Einwohner gab es und ebenso viele Pferde, da hatte ein Sattler ein gutes Einkommen.“ Nach seiner Heirat bewirtschaftete er mit seiner Ehefrau den Bauernhof ihrer Eltern bis 1959. Dann sollte das Paar in die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft eintreten, was beiden gegen den Strich ging.

Sie siedelten nach Oberberg um, bekamen den Hof nach der Wende aber zurück, sanierten ihn und verkauften das Anwesen, nachdem Wilhelm Tieke gesundheitliche Probleme hatte. „Jetzt habe ich wieder viel Zeit zum Schreiben. Im Winter fange ich wieder an. Eine Idee habe ich schon.“

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