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IndustriegeschichteHistorische Hallen in Köln-Rodenkirchen weichen Neubaugebiet

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Die backsteinerne Fabrikhalle an der Konrad-Adenauer-Straße aus dem Jahr 1905 soll noch in diesem Jahr abgebrochen werden.

Die backsteinerne Fabrikhalle an der Konrad-Adenauer-Straße aus dem Jahr 1905 soll noch in diesem Jahr abgebrochen werden.

Rodenkirchen – Die Tage der alten Fabrikhalle sind gezählt. Der Backsteinbau aus dem Jahr 1905 wird abgebrochen, genau wie der benachbarte ehemalige Luftschutzbunker von 1943. Ersetzt werden sie durch ein Neubaugebiet mit Wohnen und Gewerbe auf dem ehemaligen Fabrikkomplex im Zwickel zwischen Friedrich-Ebert-Straße, Konrad-Adenauer-Straße und der Bahnlinie 16.

Auf den Bebauungsplänen sind die alten Hallen schon verschwunden. Wann der Abbruch tatsächlich beginnt, das sei noch offen, sagt der Investor und Bauherr des Neubaugebiets, Peter Waltner.

Bevor die Bagger anrollen, führte Kulturhistoriker, Buchautor und Rodenkirchen-Kenner Cornelius Steckner jetzt noch einmal rund 30 interessierte Bürger durch die Überbleibsel der ehemaligen Industriezone. Die erste Station der Führung galt der historischen Halle, ein hoher Backsteinbau mit filigranen Eisenverstrebungen und einer „hervorragenden Lichtführung“, wie Cornelius Steckner begeistert sagte.

„Das ist ein erhabener Raum“, befand er – und aus seiner Sicht auf jeden Fall denkmalwürdig und somit erhaltenswert. In der Halle seien früher Eisenprodukte hergestellt worden, später Granaten für den ersten Weltkrieg. Nach 1918 sei sie eine Zeit lang verwaist gewesen, dann habe die Stahlbau-Firma Richard Liesegang die Halle genutzt.

Margret Liesegang, die Tochter des damaligen Firmenchefs, nahm an der Führung teil. Sie hatte ein paar Fotos dabei und erinnerte sich gern daran, dass sie bis 1948 nebenan in den Backsteinhäusern wohnte.

In den 1960er Jahren erwarb der Fleischfabrikant Waltner das Areal nebst den Gebäuden. Die meiste Zeit nutzten die Johanniter die historische Halle als Unterstellplatz für ihre Fahrzeuge. Im Wissen um die Neubebauung ist die Hilfsorganisation inzwischen in andere Stadtteile umgezogen.

Nur ein paar Fahrzeuge stehen noch auf dem Hof. Zurzeit lagern Dinosaurier aus Plastik in der Halle. Sie schauen zu, wenn Freunde des historischen Bogensports mit Pfeilen auf Zielscheiben schießen. Waltner gewährt der Firma „Bogenlust“ Unterkunft, so lange die Halle noch steht.

Einen Steinwurf entfernt wartet auch der Hochbunker auf seinen Abbruch. Es ist ein „Käfig“ aus viel Stahl und Beton, sein Abriss wird eine Herausforderung. Errichtet worden war er von der Schmelzkäsefabrik „ADA“ 1943 zum Schutze der eigenen Arbeiter. Viele von ihnen waren Zwangsarbeiter aus Russland, Italien, Frankreich und Polen, erläuterte Steckner bei der Führung. „Auch ich habe hier noch Schutz gesucht“, erzählte ein Teilnehmer, Jahrgang 1931, der seinen Namen nicht öffentlich preisgeben möchte.

Sehr dick sind die Mauern, stickig ist es und bedrückend in dem verwinkelten zweistöckigen Bunker. Eine original erhaltene Tür hängt schief in den Angeln. Die Käsefabrik befand sich damals direkt neben dem Bunker. Dort wurde von 1930 bis in die 1960er Jahre Käse geschmolzen und in Tuben und Dosen gepresst – als Marschverpflegung für Soldaten.

Auch nach dem Krieg gehörte ADA-Schmelzkäse noch zur Grundausstattung der Bundeswehr. Nachfolger Waltner produzierte Fleisch- und Wurstwaren, bis der Betrieb 2001 eingestellt und nach Westfalen verkauft wurde. Die Fabrik blieb seither ungenutzt. Der Bunker diente seit dem Zweiten Weltkrieg als Lager.

Die letzte Führung durch das Areal war eine Kooperation des Fördervereins „Literamus“ und der Bürgervereinigung Rodenkirchen und fand statt im Rahmen der Reihe „Rodenkirchen erinnert sich“.

Am 2. Dezember hält Cornelius Steckner in der Stadtteilbibliothek einen Vortrag über „100 Jahre Industriezone Rodenkirchen“. Beginn: 19.30 Uhr.

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