InitativenTrotz Armut und Arbeitslosigkeit keine Tristesse in Bilderstöckchen

Lesezeit 4 Minuten
Pascal (14) und Josef Schwalbach in der Fahrradwerkstatt

Pascal (14) und Josef Schwalbach in der Fahrradwerkstatt

Köln – Manuela Rüben und Josef Schwalbach kennen Bilderstöckchen seit ihrer Kindheit – und sind im Stadtteil kleben geblieben. Sie frisiert seit 23 Jahren Haare im Sozialprojekt Kellerladen, wo kaum jemand mehr als zwölf Euro für einen Schnitt bezahlen muss, und hat bereits Kardinal Meisner die Haare gestutzt und auch „DSDS“-Star Mike Müller.

Er repariert Fahrräder seit zehn Jahren ebenfalls im Kellerladen – für lau. Lediglich das Arbeitsmaterial müssen die Kunden zahlen, die oft nicht viel besitzen. „Bilderstöckchen, das mal rauer, mal weniger rau ist“, sagt Schwalbach. „Im Moment wird es wieder rauer.“

Spendenkonten

Mit „wir helfen – weil auch bei uns Kinder in Armut leben“ bitten wir um Spenden für Kinder, die bereits als Außenseiter geboren werden, weil ihre Eltern arbeitslos sind oder trotz Arbeit nur sehr wenig verdienen. Mit Ihrer Hilfe unterstützen wir Projekte , die sich dieser Kinder annehmen. Bislang sind 927 923,67 Euro eingegangen.

Die Spendenkonten:

Kreissparkasse Köln

Konto-Nr. 162155

Bankleitzahl 37050299

IBAN: DE03 37050299 0000162155

SWIFT-BIC: COKSDE33

Sparkasse Köln-Bonn

Konto-Nr. 22252225

Bankleitzahl 37050198

IBAN: DE21 37050198 0022252225

SWIFT-BIC: COLSDE33

Kontakt: „wir helfen“, Amsterdamer Straße 192, 50735 Köln, Ruf 0221/224-2840 (Spenden/ 9–12.30 Uhr), -2241 (Förderung) und -2462 (Redaktion).

Das Viertel gilt als klassisches Armutsgebiet, eingeschlossen zwischen A 57, Bahngleisen und Gewerbegebiet. 15 000 Menschen leben an der Alzeyer Straße, Escher Straße und Am Bilderstöckchen, wo auch der historische Bilderstock mit Madonnenfigur aus dem Jahr 1586 steht, der aktuell restauriert wird. 45 Prozent der Einwohner beziehen Hartz IV, fast jedes dritte Kind gilt als arm, 22 Prozent der Eltern sind alleinerziehend, 11,5 Prozent haben keinen Job. Traurige Daten.

„Hier wollte ich nie arbeiten“, räumt Sozialraumkoordinator Johannes Menne ein. Mittlerweile hat er beruflich 31 Jahre im Viertel verbracht, zunächst als Sozialarbeiter, seit 2007 als Sozialraumkoordinator. Er kennt Kinder, die davon träumen, einmal ins Schwimmbad zu gehen. Und die nicht an der Klassenfahrt teilnehmen können, weil den Eltern das nötige Geld fehlt.

Es ist wohl kein Zufall, dass es 2500 Kinder, aber nur einen einzigen Kinderarzt im Viertel gibt. Es ist wohl auch kein Zufall, dass zwar viele Discounter, aber nicht ein vollversorgender Supermarkt existiert. Nicht der gesamte Stadtteil ist gleichmäßig von sozialer Ausgrenzung betroffen, so Menne. Aber in den Wohngebieten Am Bilderstock und südlich des Parkgürtels „brennt es schon gewaltig“.

Wo es brennt, sind in Bilderstöckchen die Feuerwehrleute nicht weit. Es gibt ein gut funktionierendes Netzwerk von sozialen Einrichtungen mit Kitas, Grundschulen, einer Hauptschule und sogar einem Gymnasium. Dazu kommen zwei Familienzentren, Angebote wie Mitternachtssport und die Mittwochsmaler. Der Benediktinermönch Lukas Ruegenberg hat 1972 das Jugendzentrum Lucky’s Haus aufgebaut und 1984 den Kellerladen, in dem Josef Schwalbach und Manuela Rüben heute arbeiten.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: In Bilderstöckchen wissen sich die Menschen zu helfen.

In kleinen Räumen, in denen sich einst die Trockenräume von Waschküchen befanden, haben die Helfer kleine Läden eingerichtet. Es gibt nicht nur einen Friseur und eine Radwerkstatt, sondern auch eine Schreinerei, eine Krabbelstube, eine Wäscherei und ein Café in einem ausrangierten Eisenbahnwaggon.

Jens Hölmer (45) ist Mitarbeiter im Jugendbüro des Kellerladens und versucht Jugendliche fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Er vermittelt Praktika, unterstützt die Jugendlichen dabei, Bewerbungen zu schreiben, bereitet sie auf Vorstellungsgespräche vor. Vor allem will er sie aber mit Kreativangeboten wie etwa Schattentheater fördern: „Viele haben eine große Klappe, aber wenn sie sich präsentieren sollen, fällt ihnen nichts ein“, sagt er. Sie hätten oft nicht das Durchhaltevermögen, um einen Schulabschluss zu machen. Ein Teufelskreis.

Ohne Schulabschluss keine Ausbildung, kein Job, kein Geld. Markenkleidung und Handys besäßen die Mädchen und Jungen zwar oft, aber zu Hause gebe es nur selten ein Lob für gute Leistungen. „Innere Armut“ nennt das Hölmer. Die Eltern, selbst ohne viel Schulbildung, schätzten keine Mädchen, die Englisch sprechen, und keine Jungs, die Spaß an Philosophie haben. Dabei schlummerten in den Kindern und Jugendlichen viele Talente. „Oft sprechen sie mehrere Sprachen oder übernehmen, wenn nur ein Elternteil zu Hause ist, Aufgaben von Erwachsenen.“

Dennoch ist Bilderstöckchen kein Viertel der Tristesse. Die Menschen wissen sich in der Regel selbst zu helfen. Auf dem Platz mit dem Eisenbahnwaggon trifft man Sabrina Corovic mit ihrem dreijährigen Sohn Dejan. Die Mutter ist in Bilderstöckchen aufgewachsen, wegen einer größeren Wohnung nach Ossendorf gezogen und kommt fast jeden Tag zurück ins Viertel ihrer Kindheit.

Dejan hat in Bilderstöckchen einen Kita-Platz gefunden, Corovic’ Mutter lebt auch noch hier. „Armut“, sagt Corovic, „klar gibt es die. Aber wir halten alle zusammen.“ Wenn es jemandem schlecht gehe, werde er mit durchgeschleppt.

KStA abonnieren