Weil ein Tier kein Spielzeug istHundetrainer Peter Herrmann gibt Tipps für Hunde-Anschaffung

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Trainer Peter Herrmann lehrt den richtigen Umgang mit Hunden.

Trainer Peter Herrmann lehrt den richtigen Umgang mit Hunden.

Köln – Wenn Hunde die Möglichkeit hätten, sich von ihren Haltern zu trennen, läge die Scheidungsrate wahrscheinlich noch höher als bei den Zweibeinern. Der Mann, der diese Auffassung vertritt, weiß genau, was er sagt; denn Peter Herrmann ist während der mehr als 20 Jahre, die er nunmehr als Trainer mit Hunden arbeitet, immer wieder mit solchen Fällen in Berührung gekommen. Fällen, in denen Menschen bei der Anschaffung eines Tieres nur nach Aussehen entschieden und Wesen oder Gesundheit außer Acht gelassen haben. Chuck ist ein gutes Beispiel.

Der inzwischen zwei Jahre alte Belgische Schäferhund wurde als Welpe erworben von Leuten, die einen Wachhund für ihr Haus wollten und der Ansicht waren, ein großer Garten ersetze die Erziehung. „Der Plan ging schief“, erklärt Peter Herrmann. Chuck fing an, Bäume anzunagen, Pflanzen auszubuddeln, Löcher zu graben. Lieblingsspiel des völlig unausgelasteten Tieres war es, am Zaun Autos nachzujagen. Das versuchte er dann auch bei den wenigen Gelegenheiten, in denen er das Grundstück verlassen konnte.

Ein ausgeglichenes zufriedenes, gehorsames Rudelmitglied

In ihrer Not übergaben die Besitzer das Tier in die Obhut des erfahrenen Hundetrainers und Hundepsychologen, der Chuck zum dem machte, was er heute ist: ein ausgeglichenes zufriedenes, gehorsames Rudelmitglied. Ein vergleichbares Happy End sei leider nur wenigen Hunden vergönnt, sagt Herrmann, der deshalb nicht oft genug betonen kann: „Ein Hund sollte eine sehr gut überlegte Anschaffung sein.“ Er sei keineswegs als Geschenk geeignet, „schon gar nicht als Überraschungsgeschenk“, so der 46-Jährige.

Er selber habe seinen ersten Hund im Alter von neun Jahren bekommen – ein Rottweiler-Welpen. Das sei „ein toller Familienhund“ gewesen, kinderlieb robust. „Wir waren ein lauter Haushalt mit vielen Kindern, die ständig rein- und rausgerannt kamen, die gespielt, gerauft und geschrien haben.“ Wenn sich eine Familie in einer vergleichbaren Situation für ein italienisches Windspiel entscheide, sei das im Hinblick auf die eher sensible Konstitution dieser Rasse sicherlich kein schönes Leben für den Hund.

Herrmann ist der Meinung, dass man Kinder ab einem Alter von sechs Jahren gut mit einem Hund integrieren könne, was nicht heiße, dass in einer Familie mit kleineren Kindern jedes Tier Tabu sei. Ab Grundschulalter könne man ein Kind jedoch bereits mit ersten Aufgaben und kleinen Pflichten betrauen. Es könne den Umgang mit dem Sozialwesen erfahren und vor allem lernen, dass ein Tier kein Spielzeug sei, das man bei Nichtgefallen einfach in die Ecke stellen könne.

„Ein Garten reicht nicht.“

Natürlich könne ein Sechs- oder Neunjähriger noch keinen großen Hund ausführen. Das könne ja selbst mancher Erwachsene nicht, womit die Crux häufig schon beginne. Denn jeder Besitzer müsse „in der Lage sein, seinen Hund zu halten – auch dann, wenn der unbedingt in eine andere Richtung will“.

Leider neige der Deutsche dazu, sich große, kräftige Hunde zuzulegen. Das könne viermal richtig gut gehen – beim fünften Mal unter Umständen jedoch nicht mehr, weil man im vorgerückten Alter einem 50-Kilo-Kandidaten kräftemäßig vielleicht nicht mehr gewachsen sei. Auch das eigene Temperament spiele bei der Auswahl eine entscheidende Rolle.

„Wenn ich am liebsten gemütlich auf dem Sofa sitze, sollte ich mir nicht unbedingt einen Border Collie zulegen“, erklärt Herrmann, „und wenn ich jemand bin, der in der Freizeit ausgedehnte Fahrradtouren liebt, wäre ein Leonberger die verkehrte Wahl.“ Und noch etwas sollte ein Hundebesitzer wissen: „Ein Garten reicht nicht.“ Dort bekomme das Tier ebenso wenig neue Eindrücke wie auf der immer gleichen Gassirunde. „Durch Parks rennen, am besten verschiedene, ist wie Zeitung lesen für den Hund.“

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Eine kritische Sicht hat Herrmann in Bezug auf Modehunde wie derzeit Möpse oder Bulldoggen, die fast allesamt „aus Qualzuchten stammen“. Das sind Züchtungen, bei denen ohne Rücksicht auf die Gesundheit des Tieres auf äußerliche Kriterien abgezielt wird, wie etwa beim Mops, der aufgrund seines immer kleineren Kopfes kaum noch Luft bekommt.

95 Prozent dieser Tiere müssten operiert werden, „damit sie vernünftig atmen können“, erklärt der Hundeexperte und macht an mehreren Beispielen deutlich, dass Rassezüchter mit Tierschutz oft wenig am Hut haben. „Wenn Pekinesen mit immer längerem Fell gezüchtet werden, so dass die ab 20 Grad eigentlich auf einem Kühlkissen liegen müssten, hat das mit Natur nichts mehr zu tun.“

Tierschutz wird in Herrmanns Augen aber auch da falsch verstanden, wo Menschen sich anhand entsprechender Fotos von treuherzig blickenden Kerlchen dazu hinreißen lassen, via Internet einen Hund aus dem Ausland zu bestellen. In der neuen Umgebung gestalte sich das Zusammenleben mit den vielfach negativ geprägten Tieren oft als unerwartet schwierig.

Probespaziergang oder Probewochenende

Also wolle man den Hund wieder loswerden. Nur gebe es beim Tier im Gegensatz zum Paket vom Internetversand kein Rücksendezentrum, „zumal die natürlich auch nicht mit Rückflugticket hierhergekommen sind“, stellt Herrmann fest. Deswegen wäre es wesentlich vernünftiger, sich erst einmal ein Tier auf einer Pflegestelle anzuschauen und beim Probespaziergang oder Probewochenende persönlich kennenzulernen und sich dann zu entscheiden.

Noch ein Letztes gibt Herrmann, der wie etliche andere Kölner Hundeschulen auf Anfrage Rasseberatung anbietet, zu bedenken: „Man muss von dem Gedanken Abstand nehmen, dass man aus Rumänien oder Sardinien beispielsweise einen Labrador-Schäferhundmischling bekommt. Schon die Großeltern und Urgroßeltern all dieser Tiere, die auf der Straße lebten, seien Mischlinge gewesen. Deshalb sei bei dem Jungtier aus der Tötungsstation wahrscheinlich nur ein Hundertstel Labrador drin.

Während all der Jahre, die Peter Herrmann nunmehr als Hundetrainer und Leiter der Fachakademie für Hundetrainer arbeitet, ist er glücklicherweise noch nie mit einem ungewollten Weihnachtsgeschenk in Gestalt eines Hundes konfrontiert worden. Und er wünscht sich sehr, dass das auch so bleibt. www.hundeschule-koeln.com

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