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Mitarbeiter entlassenZukunft von Maschinenhersteller Sany in Bedburg ungewiss

Lesezeit 6 Minuten
Nach Angaben des Unternehmens kommen die Geräte aus China, werden hier entmontiert und einem letzten Test unterzogen.

Nach Angaben des Unternehmens kommen die Geräte aus China, werden hier entmontiert und einem letzten Test unterzogen.

Bedburg/Rhein-Erft-Kreis – Seit rund vier Jahren kennt die Zahl der Beschäftigten beim Bedburger Maschinenhersteller Sany nur noch eine Richtung: abwärts. In den riesigen Hallen, so heißt es von ehemaligen Mitarbeitern, seien gerade noch 40 Leute beschäftigt. Das Unternehmen hingegen erklärt, es seien 71 Mitarbeiter „fest angestellt“. Wie auch immer: Die angekündigte gigantische Produktion von Betonpumpen und Baumaschinen, Schwerlaststaplern sowie Baggern, die 600 Menschen in Lohn und Brot bringen sollte, findet so nicht statt.

An der Bedburger Sany Allee, im Gewerbegebiet Mühlenerft, gehen die Lichter aus, sagen frühere Mitarbeiter. Produziert werde dort überhaupt nichts mehr. Die Bagger auf Kettenfahrwerken, die dort umgeschlagen werden sollen, seien Ladenhüter. Aus der Marketing-Abteilung des Unternehmen heißt es hingegen: Die Produktion solle nicht komplett nach China verlagert werden, allerdings ein „größerer Anteil als bisher“. Bedburg diene schon seit längerer Zeit als Distributions- und Ersatzteilzentrum, in dem endmontiert und vor der Auslieferung final getestet werde. Von der Mühlenerft aus soll ein europäisches Händlernetzwerk aufgebaut werden. Das Unternehmen räumte aber ein, dass deutlich mehr fertige Maschinen als bisher aus China kämen und somit einige „Arbeitsschritte“ nach Fernost verlagert würden. Es gebe aber bisher keine „bekannten Pläne“, den Standort Bedburg aufzugeben.

Einst vielversprechende „Schlüsselinvestition"

Die Firma hatte an der Mühlenerft Anfang 2009 ein 250 000 Quadratmeter großes Areal gekauft, um dort Produktion, Forschung, Verwaltung und Ausbildung unterzubringen und nach eigenen Angaben 100 Millionen Euro investiert. Damals waren nach Firmenangaben bereits knapp 300 Mitarbeiter beschäftigt. Das seit 2003 börsennotierte Unternehmen mit Sitz in Chansha, China, hatte zu dieser Zeit nach eigenen Angaben weltweit 30 000 Mitarbeiter und kam 2008 auf einen Umsatz von 2,35 Milliarden Euro.

Im Juni 2011 begann die Produktion: Betonpumpen und Mischer für den europäischen Markt. Der Traum von den chinesischen Maschinen aus Bedburg, der von der Düsseldorfer Staatskanzlei über die landeseigene NRW-Invest, bis ins Büro des damaligen Bedburger Bürgermeisters Gunnar Koerdt als größte Industrieansiedlung der jüngsten Zeit im Land gefeiert wurde, schien in Erfüllung zu gehen. Die Politik war sich einig. Dies, so hieß es, sei eine „Schlüsselinvestition, die ins gesamte Rheinland strahlt“.

Doch schon ein halbes Jahr später, im Januar 2012, veränderte sich die Lage. Sany kaufte im schwäbischen Aichtal den Konkurrenten und Marktführer Putzmeister, Hersteller von Betonpumpen. Der Deal galt als gelungen, die Produktion von Pumpen und Betonmischern in Bedburg wurde damit aber obsolet – und Arbeitsplätze überflüssig. Mitte des Jahres 2012 bestätigte das Unternehmen, dass die Zahl der Beschäftigten bereits auf 240 gesunken sei. Und, so hieß es damals, „dass es zu weiteren Trennungen kommen werde“.

Die Wende sollte die Produktion von schweren Hafenmaschinen bringen. Die Geräte können hohe Lasten heben und Schiffscontainer bewegen. Bart Decroos übernahm als neuer Geschäftsführer (CEO) das Regiment in Bedburg – und schien Erfolg zu haben. So jedenfalls schätzen es ehemalige Mitarbeiter aus der Produktion ein. „Das hätte was werden können“, sagt einer. „Wir konnten mit den Verkäufen die Gehälter bezahlen.“ Die Maschinen seien in Bedburg auf europäischem Niveau produziert worden und hätten sich deshalb gut verkaufen lassen.

Ehemalige Mitarbeiter ziehen vor Gericht

Decroos bezeichnete die Europa-Niederlassung in Bedburg in einem Interview im August 2014 noch als „schnell wachsendes Distributionszentrum für Container-Fördertechnik, Krane, Bagger und andere Sany-Produkte“. Doch seit April ist Decroos nicht mehr im Unternehmen. Und nach Angaben früherer Mitarbeiter ist der Bau der großen Hafenmaschinen in den Hallen längst Geschichte. Das Unternehmen betont, dass auch heute noch Hafenmaschinen verkauft werden, die allerdings weitgehend fertig aus China kämen.

Schnell war Sany danach aber offenbar mit Kündigungen von Mitarbeitern. Seit März 2015 registrierte das Arbeitsgericht Köln nach Auskunft der Pressestelle 25 Verfahren im Zusammenhang mit Sany. In 22 Fällen habe es sich um Kündigungsschutzklagen gehandelt, die in aller Regel durch Vergleiche beendet worden seien. Sany, so der zuständige Richter, habe vor Gericht stets mit der Verschlankung des Unternehmens argumentiert. 15 weitere Verfahren sind noch anhängig.

Die ehemaligen Mitarbeiter lassen am Umgang mit den Beschäftigten kaum ein gutes Haar. „Ich hätte niemals geglaubt, dass so etwas in Deutschland möglich ist“, klagt einer über den ruppigen Umgang und über das „Heuern und Feuern“ bei dem chinesischen Unternehmen. Fragen dazu hat Sany bisher nicht beantwortet.

„Informationspolitik des Unternehmens ist zurückhaltend"

Auch die Bedburger Politik hat registriert, dass es ziemlich ruhig um Sany geworden ist. Eine 10,8 Hektar große Fläche, die Sany noch zur Erweiterung des Betriebs erworben hatte, soll verkauft werden. „Wir benötigen diese Fläche nicht“, kam die Bestätigung aus dem Unternehmen.

Analysten sehen den gesamten Konzern derzeit nicht gerade auf Rosen gebettet. Die Firma mit den mutmaßlich größten Produktionsanlagen für Bagger in China hat in den vergangenen Jahren auch einen massiven Wertverlust zu beklagen. Der Kurs des Mutterkonzerns Sany Heavy Industry ist von über zehn Euro im Jahre 2007 auf aktuell 67 Cent (Stand Montag) abgerutscht. Analysten vom Portal „finanzen.net“ stufen die Aktie seit Juli 2015 als „hochriskanten Titel“ ein.

Bürgermeister Sascha Solbach weiß nicht so richtig, was bei Sany los ist. „Die Informationspolitik des Unternehmens ist sehr zurückhaltend“, sagt er. Und: „Wir haben immer wieder versucht, Kontakt aufzunehmen.“ Ein Treffen mit der Geschäftsleitung soll in den nächsten Tagen stattfinden. „Wir sind eine Region im Strukturwandel und mit Sany haben wir ein produzierendes Gewerbe, da ist es natürlich für uns enorm wichtig zu wissen, wie es weitergeht.“

Solbach machte auch keinen Hehl daraus, dass er sich um die Arbeitnehmer sorgt: „Das sind Bedburger Bürger, und ich habe natürlich die Sorge, dass mit denen nicht gut umgegangen wird.“ Er habe Landrat Michael Kreuzberg und auch die Bergheimer Bürgermeisterin Maria Pfordt seine Sorgen mitgeteilt. Für die Stadt ist die Zukunft des Standorts von enormer Bedeutung. Und das nicht nur, weil sie 600 000 Euro für die Infrastruktur ausgegeben hat.

Chronologie

Anfang des Jahres 2008 machte die Nachricht von der Ansiedlung des chinesischen Maschinenbauers Sany die Runde. Damals warben die Städte Bedburg und Bergheim um die Chinesen. Am 28. Oktober 2008 wurde auf einer Pressekonferenz im Düsseldorfer Wirtschaftsministerium unter der Leitung der damaligen Ministerin Christa Thoben die Ansiedlung des Baumaschinenherstellers als eine der größten Ansiedlungen in NRW verkündet.

Der Rat der Stadt Bedburg hatte bis dahin den Weg durch eine Bebauungsplanänderung im Gewerbegebiet Mühlenerft frei gemacht. Durch eine Vereinbarung sollte auch die Stadt Bergheim an den Einnahmen der Gewerbesteuer beteiligt werden.

Am 12. Mai 2009 wurde der Grundstein gelegt und mit der Erschließung begonnen. Am 7. Juni 2010 begannen die Bauarbeiten auf dem 25 Hektar großen Areal.

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