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Zum Tode von Götz GeorgeAbschied von einem großen Schauspieler

Lesezeit 4 Minuten
George Götz

George bei einer Feier anlässlich seines 70. Geburtstags in Hamburg.

Köln – Die Nachricht kommt am späten Sonntagabend wie ein Schock. Götz George ist tot, gestorben ist er offenbar bereits am 19. Juni nach kurzer schwerer Krankheit.

Wie es seine Art war, hat er sich großes öffentliches Aufhebens verbeten - die Familie sollte erst einmal Stillschweigen bewahren. „Sagt's der Presse erst am Sonntagabend, so spät wie möglich“, so ein Satz hätte gut von ihm stammen können.

Das Rampenlicht geliebt, den Rummel verachtet

Ja, es passt, er hat das Rampenlicht geliebt, und er hat den Rummel verachtet. Der Tod kommt schnell, rau - und erst einmal geht er nur die etwas an, die ihm nahestehen. Götz George, so darf man es wohl sagen, ist gestorben, wie er gelebt hat: Als absoluter Individualist, als Einzelgänger, als Solitär in einem Geschäft, das so viel auf schönen Schein setzt, auf Anpassung auch und gutes Benehmen.

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So war er nie. Schon in einem seiner ersten strahlenden Auftritte als Fred Engel in "Der Schatz im Silbersee" war er ein schöner, muskulöser und absolut autarker junger Mann, der mit Old Shatterhand und Winnetou ein wunderbares neues Kapitel des deutschen Nachkriegsfilms aufschlug - den deutschen Western, gedreht im ehemaligen Jugoslawien. George spielt alle Stunt-Szenen selbst.

Nach dem „Götz von Berlichingen“ benannt

1938 wurde er in Berlin geboren, als Sohn des legendären Film- und Theaterstars Heinrich George, der bereits in der Weimarer Zeit auf der Bühne, hinter der Stummfilmkamera und in den frühen Hörspielstudios präsent war und freilich auch im „Dritten Reich“ nicht auf große Auftritte verzichten wollte - 1946 starb Heinrich George in sowjetischer Gefangenschaft. Den Sohn Götz nannte er nach seinem Lieblingsstück, dem „Götz von Berlichingen“ - die Mutter war Berta Drews, ebenfalls eine Schauspielerin von fabulösem Ruf.

Welche Wahl hatte der Sohn da noch: Entweder etwas ganz anderes machen, oder den Eltern nacheifern.

George entschied sich für letzteres. Lange Zeit war er im bundesdeutschen Bewusstsein festgelegt auf die Rolle des „Tatort“-Kommissars Horst Schimanski, der in der Krimireihe einen völlig einzigartigen Platz einnahm - als prolliger Parka-Träger, der viel zu oft mit heftigem Kater frühmorgens oder mitten in der Nacht einen Anruf erhielt, dass in Duisburg mal wieder was aus dem Ruder lief.

Schimanski fluchte, was das Zeug hielt, hielt es locker mit der Liebe und der Büromoral, und war doch einer der erfolgreichsten Ermittler, die die oft so mittelmäßige Krimireihe der ARD präsentierte. Auch in dieser Rolle, das wurde oft übersehen, war er ein Charakterdarsteller, so wie in so unfassbar vielen anderen Rollen, allen voran als Serienmörder Haarmann in Romuald Kamarkas „Der Totmacher“, der 1995 das Filmfestival von Venedig eröffnet. Mit dieser Rolle eröffnete er einen Blick in die Abgründe einer durch und durch kranken Seele.

Ein famoser Komödiant

George konnte das gut: Das Gewalttätige, Erschreckende, das Furchtbare in der menschlichen Natur darstellen. Doch er war auch ein famoser Komödiant, einer, der die Untiefen der menschlichen Psyche im Komischen auszuloten vermochte - in Helmut Dietls „Schtonk“ etwa, diesem Film, der eine einzige Studie über die Komik war, die Leuten anhaftet, wenn sie unbedingt Geschichte schreiben wollen, und sei es, indem sie Hitler Tagebücher andichten wollen und diese in einem großem deutschen Magazin veröffentlichen.

Mit Dietl hat George auch für „Rossini“ zusammengewirkt, und auch damit haben sich die beiden als große Ironiker hervorgetan - George erhielt für die Vielseitigkeit seiner Rollen den Deutschen Fernsehpreis.

Auf der Theaterbühne war er darüberhinaus zu sehen, auch in Köln: Hansgünther Heyme holte ihn 1972 an den Rhein, wo er den Martin Luther in Dieter Fortes Stück über den Reformator und Thomas Münzer spielte. Das Theater kam Georges Neigung zur Tiefgründigkeit, auch zur Melancholie entgegen, und so spielte er den Danton von Büchner und ging dem Tod mit der Grandezza des Historischen entgegen.

Aber war nicht auch sein Schimanski ein Melancholiker, einer tiefsinniger Grübler, dem der Polizeialltag einfach zu grau und langweilig war, und der immer nur nach Abwechslung im Extremen suchte? Auch solchen Rollen vermochte Götz George eine wuchtige, extreme Menschengröße zu verleihen, und dies machte ihn zu einem der bedeutendsten Schauspieler unserer Zeit.

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