Düsseldorfer RheinoperEnttäuschende Inszenierung der „Lustigen Weiber von Windsor“

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Dietrich Hilsdorfs Inszenierung der „Lustigen Weiber von Windsor“

Düsseldorf – Liegt der Wald von Windsor etwa östlich von Greifswald, rund um die Klosterruine Eldena? Angesichts von Dietrich Hilsdorfs Inszenierung der „Lustigen Weiber von Windsor“ an der Düsseldorfer Rheinoper könnte man auf diese Idee kommen: In riesigen Dimensionen erscheint da auf einer transparenten Bühnenfolie Caspar David Friedrichs berühmtes Bild „Abtei im Eichwald“.

Offensichtlich spielt der Regisseur hier auf die Sage vom Jäger Herne an, der im Wald von Windsor um Mitternacht sein Unwesen treibt – um eine Eiche (!) herum. Nun ist es freilich so, dass dieses Märchen in Otto Nicolais Oper keinerlei Realsubstanz hat, sondern lediglich dazu benutzt wird, im letzten Akt für den lüstern-geldgierigen Ritter Falstaff einen faulen Zauber zu inszenieren – auf den dieser auch prompt hereinfällt.

Das macht: Durch die bedeutungsschwere Verbindung mit einem Schlüsselwerk der deutschen Romantik bekommt das Herne-Motiv bei Hilsdorf ein Gewicht, das es in der nach Shakespeares Komödie erstellten Oper – einer „Komisch-fantastischen“ Spieloper übrigens, keiner im engeren Sinn romantischen Oper – gar nicht hat. Und die (zur jeweiligen Akthandlung dann auch regelmäßig verschwindende) „Abtei im Eichwald“ mit ihrem komplexen, um die zerfallene Gotik gebauten geschichtsphilosophischen Programm weckt Erwartungen, die sie hier nicht einlösen kann – und tatsächlich auch über drei Akte hinweg nicht einlöst. Das ist ein Konzeptionsfehler, der die Inszenierung im Kern schädigt.

Sehr voraussehbar

Und er wiegt umso schwer, als Hilsdorf sonst jenseits einer konventionellen Eins-zu-Eins-Bebilderung nicht viel eingefallen ist. Das Ganze spielt bei ihm weder zur Shakespeare-Zeit noch in Nicolais Biedermeier, sondern – der sorgfältigen Bühnenausstattung (Dieter Richter) und den prächtigen Kostümen (Renate Schmitzer) zufolge – bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (ohne dass übrigens der Sinn just dieser Epochenfixierung motiviert würde). Da wird dann alles sehr voraussehbar: Klar, dass im ersten Akt der Esstisch eine bis auf den Boden hängende Decke trägt – Sir John muss sich unter sie flüchten können. Und für die Kapellenszene des zweiten Akts muss natürlich ein Beichtstuhl her, in dem sich die frustrierten Anna-Liebhaber verstecken können.

Aber aller liebevollen Lust am Detail zum Trotz, unerachtet auch der ausgesucht „schönen“ Bühne und der geschmeidig abrollenden Szene will hier der Funke nicht so recht überspringen – was auch damit zusammenhängen mag, dass Nicolais komisches Potenzial bei weitem nicht ausgereizt wird; es gibt hier einfach zu wenig zu lachen. Es hilft nichts: Vor dem Hintergrund des Feuerwerks an intellektueller Fantasie, das dieser Regisseur in seinen besten Arbeiten zu zünden vermag – an der Rheinoper zuletzt noch mit „Ariadne auf Naxos“ –, ist dieser harmlos-routinierte Abend, der sich dank zweier Pausen auch noch auf Wagner-Länge dehnt, eine Enttäuschung.

Temperamentvolle Symphoniker

Dabei liefern die „Lustigen Weiber“ über die Themen Geschlechterkampf oder Falstaffs amoralischer Anarcho-Revolution gegen die Spießbürgerwelt durchaus Anhaltspunkte für eine aktualisierende Anspitzung. Trotzdem braucht Hilsdorf wohl einfach andere Stoffe; Stoffe, an denen er seinen glücklichen Hang zur ironischen Mythendekonstruktion besser ausagieren kann als an dieser „realistischen“ Komödie. Insofern darf man auf seinen in der kommenden Spielzeit startenden Düsseldorfer „Ring“ gespannt sein.

Auch musikalisch wachsen in dieser Produktion die Bäume nicht durchweg in den Himmel: Großartig in stimmlicher wie darstellerischer Präsenz ist Hans-Peter-König als fetter Ritter – ein Spielbass, wie er im Buche steht. Anke Krabbe versieht den anspruchsvollen Part der Frau Fluth sehr präsent, mit Kraft, Ausdauer und Geläufigkeit, allerdings nicht ohne Schärfen in der Höhe. Marta Márquez als Frau Reich hingegen geht da, vor allem im Duett mit der Partnerin, kläglich unter – ihre irgendwie weit hinten im Hals artikulierte Stimme ist ein Schatten dessen, was hier erforderlich wäre. Die übrigen Rollenbesetzungen erfreuen mal mehr, mal weniger. Die Düsseldorfer Symphoniker unter Axel Kober spielen zündend und temperamentvoll, indes gab es da wenigstens während der Premiere auch schon mal das eine oder andere kleine Koordinations-Chaos, das dringend einer Auflösung bedarf.

Weitere Aufführungen: 2., 6., 9. Juli

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