Besorgniserregende ZahlenNRW investiert immer weniger in die Zukunft

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Große Teile Westdeutschlands fallen bei den Zukunftsinvestitionen immer weiter zurück. Am Montag erschienen gleich zwei Studien, die vor allem für Nordrhein-Westfalen besorgniserregende  Ergebnisse liefern. Auch das Saarland, Rheinland-Pfalz und Hessen drohen den innerdeutschen Standortwettbewerb zu verlieren.

Bundesweit ist der Investitionsrückstand der  Städte und Gemeinden im vergangenen Jahr noch einmal um vier Milliarden Euro auf den Rekordwert von 136 Milliarden Euro  gestiegen, wie das Kommunalpanel der staatlichen Bankengruppe KfW zeigt.  Demnach erwirtschaften die Kämmerer in ganz Deutschland zwar einen Überschuss von über drei Milliarden Euro. „Die Unterschiede aber zwischen finanzstarken und –schwachen Kommunen hinsichtlich Haushaltsausgleich, Schulden und Investitionen sind weiter gewachsen“, sagte KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner in Berlin. Vor allem in Bayern und Baden-Württemberg können die Bürgermeister und Landräte dank hoher Steuereinnahmen viel Geld in Schulen, Straßen und andere Zukunftsprojekte stecken. Im Osten schafft die bis 2019 gesicherte Unterstützung aus dem Solidarpakt Spielräume. 

NRW droht Teufelskreis

Düster sieht es dagegen überall dort aus, wo die Kommunen Kredite aufnehmen müssen, um ihre Ausgaben finanzieren zu können. Diese Städte und Gemeinden investieren gut ein Drittel weniger als die wohlhabenden Kommunen mit einem Haushaltsausgleich oder sogar einem Plus in der Kasse. Am höchsten liegen die Schulden pro Einwohner in Hessen, gefolgt von Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Nordrhein-Westfalen. Damit drohen diese Kommunen in einen Teufelskreis zu geraten. Die schlechte Wirtschaftslage verringert die Einnahmen. Daraus resultieren hohe Schulden, die Einsparungen bei den Investitionen erzwingen. Dies mindert die Standortattraktivität, womit sich die ökonomische Situation weiter verschlechtert. „Im Zeitverlauf können einzelne Kommunen oder ganze Regionen in eine Negativ- oder Abwärtsspirale geraten und dabei die letzten Gestaltungsspielräume verlieren“, warnt die KfW. 

NRW Schlusslicht bei der Infrastruktur

In einer anderen Untersuchung  bildet Nordrhein-Westfalen als größtes Bundesland und industrielle Kernregion Deutschlands sogar das Schlusslicht unter den 16 Bundesländern. Die Leipziger Universität hat sich im Auftrag der Bertelsmann Stiftung  die gesamten Infrastrukturausgaben angeschaut, zu denen die Forscher neben den klassischen Sachinvestitionen etwa für Straßen oder Schulgebäude auch Unterhaltsaufwendungen und Mieten und Pachten zählen. Zudem bezogen sie auch die Ausgaben der Länder mit ein.

Auch in dieser erweiterten Betrachtung zeigt sich ein deutliches Gefälle innerhalb der Republik. Pro Einwohner fließt im Osten und Süden fast doppelt so viel in die Infrastruktur wie im Nordwesten. Im Jahr 2014 war Bayern Spitze  mit Ausgaben von 934 Euro je Bürger. Den letzten Platz belegte Nordrhein-Westfalen mit 474 Euro pro Kopf. Dies seien beunruhigende Unterschiede, meint Andreas Esche von der Bertelsmann Stiftung. „Ausgaben in die Infrastruktur sind Investitionen in unsere Zukunft. Gerade in diesem Bereich müssen wir sicherstellen, dass niemand abgekoppelt wird.“

Starke Konjunktur hilft nur bedingt

Das Frappierende an dem Befund ist, dass auch die starke Konjunktur den abgehängten Regionen nur bedingt hilft und den Rückstand zu den wohlhabenden Gebieten sogar eher verschärft. Immerhin rechnen die Kommunen in diesem Jahr laut der KfW-Umfrage bei den Kämmerern mit einem Anstieg der bundesweiten Investitionen um knapp neun Prozent.   Die höchsten Zuwächse erwarten sie bedingt auch durch die Flüchtlingskrise im Schulbereich. Den größten     Block im Investitionsetat bilden die Ausgaben für Straßen und sonstige Verkehrsinfrastruktur mit acht Milliarden Euro, gefolgt von Bildung mit sechs Milliarden. Möglicherweise könnte die erhoffte Trendwende bei den Investitionen in diesem Jahr eintreten.

Besserung für 2016 erwartet

Nach dem langen Niedergang prognostiziert  KfW-Ökonom Zeuner für 2016 eine leichtere Besserung. Grund sei das Investitionsprogramm von 3,5 Milliarden Euro, mit denen der Bund besonders Kommunen in strukturschwachen Regionen unterstützt. Dies dient auch dazu, den Teufelskreis zu durchbrechen. Ins Stocken geraten sind allerdings die Verhandlungen über den künftigen Länderfinanzausgleich. Der ist für die Städte und Gemeinden von großer Bedeutung, da sie stark von den Zuweisungen aus den Landeshaushalten abhängen. „Im Zuge der Reform der föderalen Finanzbeziehungen sollten Bund und Länder die Investitionskraft dauerhaft stärken“, forderte der Deutsche Städtetag. Strukturschwache und Regionen bräuchten gezielte Hilfe, da sie aus eigener Kraft den Abschwung nicht stoppen könnten.

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