Seit März geschlossenNaturfreunde wollen Gelände Am Block wieder aufblühen lassen

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Die marode Jugendherberge Am Block wird nicht mehr bewohnt.

Leichlingen – Im Unterkunftsverzeichnis der Stadt werden die 41 Betten noch angeboten. Zu Tiefstpreisen ab 9,50 Euro für Jugendliche. Aber in der Jugendherberge Am Block kann niemand mehr übernachten. Das Heim der Naturfreunde ist zum 1. März geschlossen worden.

Handwerker aus Rumänien, die auf Montage waren, und Flüchtlinge, die das Sozialamt vorübergehend einquartiert hatte, waren die letzten Gäste. Gut in Schuss war das Haus aber schon seit vielen Jahren nicht mehr. Der neue Vorsitzende des Touristenvereins, dem das Freizeitareal zwischen an der A 3 gehört, hat die Notbremse gezogen und den Übernachtungsbetrieb eingestellt.

Im November 2016 hat sich Reinhold Pupka zum Vorsitzenden der Leichlinger Naturfreunde wählen lassen, nachdem es Ärger mit dem Vorgänger gab. Bei der regulären Jahreshauptversammlung vor sechs Wochen ist er dann für zwei Jahre in diesem Amt bestätigt worden.

30 000 Quadratmeter

Mit der Bereitschaft zu einem mehrjährigen Engagement will Pupka versuchen, das schwierige Erbe des Traditionsvereins in eine glücklichere Zukunft zu retten: „Mir geht es darum, das Image wieder aufzubauen.“ Beim Blick in die stark sanierungsbedürftige Herberge und beim Gang über das riesige, 30 000 Quadratmeter große und an vielen Ecken verwilderte Gelände gibt er selbst zu, dass da eine Herkulesaufgabe auf ihn wartet. Auf besonders tatkräftige Hilfe seiner Vereinskameraden kann er nicht setzen. Denn auch die Naturfreunde sind vom Niedergang gezeichnet: Es gibt nur noch 35 Mitglieder. Vor vier Jahren waren es noch fast doppelt so viele. Und in seinen besten Zeiten hatte der Verein, dem Campingplatz, Jugendherberge, Zeltwiesen und Grillhütte gehören, mehrere hundert Mitglieder.

Vermächtnis der Naturfreunde

Der 54-jährige Pupka ist erst seit fünf Jahren Mitglied. Manche kennen ihn aus der Solinger Diskothek Getaway, wo er mit seinem Security-Unternehmen die Türsteher gestellt und auch selbst viele Jahre kontrolliert hat. Aus der Szene ist er inzwischen ausgestiegen. Und auch froh darüber. Denn mit der zunehmenden Aggressivität und Gewaltbereitschaft mancher Gruppen will er nichts mehr zu tun haben, sagt er. Er arbeitet jetzt im Verteiler- und Lagergeschäft und widmet seine Freizeit dem Vermächtnis der Naturfreunde. Denn er findet wie viele Leichlinger, die das Erholungsgebiet noch aus besseren Zeiten kennen, dass es ein Juwel ist, das erhalten werden muss. Dass er als erstes die Jugendherberge schließen musste, tat ihm selbst weh. Aber die Zustände in dem maroden Haus konnte und wollte er niemandem mehr zumuten. Zimmer und Einrichtung sind „in schlimmem Zustand“ und absolut nicht mehr zeitgemäß, bedauert er: „Die Hälfte der Energiekosten geht durch den Kamin“.

Reinhold Pupka, der neue Vorsitzende der Leichlinger Naturfreunde, ist auch mit der Renovierung der Grillhütte beschäftigt.

Reinhold Pupka, der neue Vorsitzende der Leichlinger Naturfreunde, ist auch mit der Renovierung der Grillhütte beschäftigt.

Die Heizung ist defekt, die Küche stillgelegt. Mit Handwerkern und einem Architekten hat er das Gebäude schon inspiziert. Das Fazit: Abbruch und Neubau wären vermutlich günstiger als eine Kernsanierung und technische Modernisierung. Erste Kostenschätzungen reichen von 800 000 Euro bis über eine Million. Pupka hofft auf die Hilfe des Landesverbandes bei dem Versuch, die Jugendherberge irgendwie zu retten. Mit der Stadtverwaltung und Vertretern der Ratsfraktionen hat Pupka ebenfalls bereits Gespräche geführt. „Die sind uns positiv gesonnen“, hofft er auf Unterstützung für ein Sanierungskonzept. „Ich bin der Meinung, dass eine Jugendherberge in Leichlingen wichtig ist. Daher hoffe ich, dass wir eines Tages wieder Betten an Besucher aus aller Welt vermieten werden“, hat er optimistisch auf der Facebook-Seite der Naturfreunde geschrieben.

Manche Camper haben ihren Stellplatz originell ausgestattet.

Manche Camper haben ihren Stellplatz originell ausgestattet.

„Wenn hier eine vernünftige Hütte stünde, würde die brummen“, ist er überzeugt. Bis das klappt, öffnet er den Herbergs-Gastraum an Wochenenden für Wanderer und andere Gäste, bietet Kaffee, Kuchen und Getränke an. Die Vermietung der Zeltwiesen, der Grillhütte und des oberhalb gelegenen „Haus 2“ läuft weiter. Dort stehen zwei Räume für bis zu 120 Personen zur Verfügung, die für Vereinsversammlungen, Geburtstagspartys und Familienfeiern auch recht häufig gebucht werden.

Drei Motorradclubs gehören zu den Kunden. Für dieses Jahr haben sich unter anderen schon ein südkoreanischer Verein aus Leverkusen und ein Deutsch-Mongolischer Club angesagt, der Am Block seinen Nationalfeiertag begehen will. Eine neue Jugendgruppe, die noch in Gründung ist, überlegt, hier ihr Stammquartier zu beziehen und den Naturfreunden als Kooperationspartner beizutreten.

32 Plätze für Wohnwagen

Das Haus samt Toilettentrakt will Pupka mit Hilfe des Landesverbandes jetzt zuerst sanieren, um es als Einnahmequelle zu erhalten. Das ist auch der Dauer-Campingplatz, auf dem zurzeit 19 von 32 Stellplätzen mit Wohnwagen besetzt, viele Parzellen aber auch halb zugewachsen sind. Der Leverkusener Pfadfinder-Stamm Phoenix hat hier ebenfalls sein Lager. Am Karsamstag hat Pupka an der Zeltwiese ein Osterfeuer entfacht. Für Samstag, 30. April, hat er ab 12 Uhr ein „Holländisches Grillen“ angesetzt. Am 2. und 3. September ist ein „Ahl-Trecker“-Treffen.

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19 Camping-Stellplätze sind vermietet.

„Aufgeben wollen wir nicht“, ist er entschlossen, für das Erbe der Naturfreunde zu kämpfen.

Mehr als 100 Jahre Tradition

Der Touristenverein „Die Naturfreunde“ kann in Leichlingen auf über 100 Jahre Tradition zurückblicken. Die Ortsgruppe wurde am 14. September 1913 gegründet. Erster Vorsitzender war Richard Hardt. 1895 war der Kultur- und Wanderverein als Spross der Arbeiterbewegung in Wien entstanden. 1905 gab es den ersten deutschen Ableger in München.

1914 gründeten die Leichlinger Naturfreunde die „Selbsthilfe“. Unter dem Dach dieser Genossenschaft wurde der Wunsch nach Errichtung des Naturfreundehauses auf dem Waldgelände Am Block verwirklicht, das der Verein kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges erwerben konnte. Aus den ersten Hütten, die dort für naturnahe Freizeiten in der Nähe der Sandberge gebaut wurden, entstand die 1922 eingeweihte Jugendherberge mit Spiel- und Sportplätzen. Die Anlage entwickelte sich rasch zum beliebten Treffpunkt und Erholungszentrum der Arbeiterschaft, wurde um Freilichtbühne und Turnhalle erweitert. In ihrer Hochzeit fanden hier Gewerkschaftstagungen, Waldbühnenkonzerte, Turnwettkämpfe und Feste statt.

1933 wurden die Naturfreunde von den Nationalsozialisten verboten. Das Leichlinger Heim musste geschlossen werden.

1946 begann der Verein mit der Reaktivierung seiner Einrichtungen. Ferienfreizeiten, Wandergruppen und Schulklassen waren die häufigsten Gäste auf dem Zeltplatz und in der Herberge. Auch Sport- und Musikvereine, Motorradclubs und Pfadfinder schätzten die Lage des Areals für Aufenthalte. Das 100-jährige Bestehen der Ortsgruppe feierten 60 Mitglieder 2013. Am 1. März 2017 wurde die baufällige Jugendherberge geschlossen.

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