Politologe von Alemann„Schulz kann die Niederlage nicht an Kraft wegdelegieren“

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Martin Schulz nach Wahlniederlage NRW1

Kanzlerkandidat Martin Schulz und die SPD-Führung zeigten sich nach der Wahlpleite in NRW enttäuscht im Willy-Brandt-Haus.

Herr Professor Alemann, hätten Sie dieses Ergebnis noch vor ein paar Wochen für möglich gehalten?

NRW zeigt: Nichts ist unmöglich. Es ist das Bundesland mit dem dritten Regierungswechsel in zwölf Jahren.

Nervöse Wähler in einem unruhigen Land?

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Ich würde sagen: Mündige Bürger in einem Land mit einer funktionierenden Demokratie. Die lebt bekanntlich vom Wechsel. Außerdem gibt es bei genauem Hinsehen auch Indizien einer hohen Stabilität: Die beiden großen Parteien CDU und SPD haben zusammen etwa zwei Drittel der Stimmen – wie schon in der vorigen Wahl. Der angebliche allgemeine Niedergang der Volksparteien, der in anderen Ländern wie Österreich, den Niederlanden oder Italien ja auch durchaus zu beobachten war, ist in NRW ausgeblieben und ist auch für ganz Deutschland in dieser Schärfe nicht zu verzeichnen. Das spricht für ein gefestigtes Gefüge unserer Demokratie.

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Aber die äußerste Rechte ist jetzt im 13. Landesparlament.

Es stimmt, dass es zum allerersten Mal in der Geschichte Nordrhein-Westfalens eine rechtsextreme Partei in den Landtag geschafft hat. Erfreulich ist aber, dass die AfD weit von den Werten entfernt ist, die sie noch vor kurzem in Ostdeutschland erzielt hat, sondern klar einstellig geblieben ist.

Was hat insgesamt zu dem grundstürzenden Wahlergebnis geführt?

Klar ist: Der übliche Amtsbonus war in dieser Wahl für die SPD nichts wert. Das war umgekehrt das Erfolgsrezept und das Erfolgsmoment für CDU und FDP. Denn in der Regel wählen die Bürger ja nicht die Opposition ins Amt, sondern sie wählen die Regierung ab. Insofern war es konsequent, dass Hannelore Kraft zurückgetreten ist – erfreulich schnell übrigens, ohne quälende Hängepartie.

Wer füllt nun in der SPD die Lücke?

Da bin ich, ehrlich gesagt, auch überfragt. Die SPD in NRW war in den letzten Jahren ausschließlich auf Hannelore Kraft ausgerichtet. Sie war Kopf, Gesicht und Herz der Partei. Sie hat es auch geschafft, die in einer großen Partei üblichen Flügelkämpfe einzudämmen. Aber eben um den Preis, dass es jetzt keinen geborenen Nachfolger für sie gibt.

Keine „kleine Bundestagswahl“

Vielleicht wollte sie mit ihrem schnellen Rücktritt auch den Schaden von Martin Schulz fernhalten.

So einfach wird das nicht gehen. Die „krachende Niederlage“, von der Schulz selbst geredet hat, ist auch seine eigene. Er kommt aus NRW, er hat sich in den Landtagswahlkampf reingehängt, er hat einen etwaigen Sieg Krafts als Ticket für seine Direktfahrt ins Kanzleramt ausgegeben. Deshalb kann er die Niederlage jetzt nicht einfach an Kraft wegdelegieren.

Was sind also die Folgen dieser „kleinen Bundestagswahl“ für die Politik in Berlin?

Der Ausdruck „kleine Bundestagswahl“ gefällt mir nicht so gut. Es ist – auch angesichts der wahlentscheidenden Themen – eine Landtagswahl, wohl aber mit Test- und Signalcharakter. Und da muss Martin Schulz sich jetzt schwer hüten. Noch im Januar mit stolzgeschwellter Brust und großen Worten angetreten, muss er seine Strategie als Herausforderer, der die Kanzlerin im Handstreich aus dem Amt jagt, schleunigst beerdigen, wenn er sich nicht endgültig lächerlich machen will.

Die Kanzlerin dagegen hat gut lachen?

Sie steht blendend da. Die kleine Merkel-Müdigkeit der Menschen aus dem Jahr 2016 ist verflogen. Angesichts der großen Krisen auf der Welt hat sie den Bürgern offenbar wieder das Gefühl vermitteln können, dass sie das Land gut führt. Auch hier ist Stabilität ein entscheidender Begriff. Damit hat Merkel auch Armin Laschet geholfen. Sie wird allerdings klug genug sein und kein allzu breites Lachen aufsetzen. Ich erinnere daran, dass schon einmal ein Hochwasser eine Bundestagswahl entschieden hat.

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