Behörden haben Ärger„Reichsbürger sind oft gescheiterte Existenzen“

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Mit Adler und vermeintlich amtlichem Siegel: Der Freistaat Preußen gibt sogar eigene Nummernschilder heraus.

Mit Adler und vermeintlich amtlichem Siegel: Der Freistaat Preußen gibt sogar eigene Nummernschilder heraus.

Rhein-Sieg-Kreis – Seit dem tödlichen Angriff in Süddeutschland auf einen Polizisten haben auch die Behörden in unserer Region ein Auge auf die so genannten Reichsbürger.

Die Polizei hat sich in dieser Sache eng vernetzt mit den Kommunen im Rhein-Sieg-Kreis, teilte Stefan Birk aus der Polizeipressestelle auf Anfrage mit. „Sobald einer auffällt, erhalten wir die Daten.“

Namentlich bekannt seien hier knapp 100 der selbst ernannten „Germaniten“, die die Existenz der Bundesrepublik leugnen. Und die weder kommunale Gebühren zahlen wollen noch Knöllchen akzeptieren. Und die mit seitenlangen Schreiben immer wieder die Verwaltungsmitarbeiter beschäftigen.

Die meisten von ihnen seien „Spinner“, schätzt Birk, und vermutlich harmlos. Aber da die Polizei auf Nummer sicher gehen will, gleicht sie die Personenangaben mit den Daten der Waffenscheininhaber und Waffenbesitzer ab. „Sie dürfen keine Schusswaffen haben“, so Birk.

In der Regel kamen sie umgehend der Aufforderung nach, Pistolen, Revolver und Gewehre auf der Wache abzugeben. Nur einzelne hätten Widerspruch eingelegt gegen die behördliche Verfügung. Die Verfahren seien mittlerweile alle abgeschlossen.

In Troisdorf gibt es etwa ein Dutzend, in Siegburg nur eine knappe Handvoll, in Sankt Augustin weniger als zehn „Germaniten“, die sich immer mal wieder in der Verwaltung melden, telefonisch oder schriftlich, und die manchmal auch auftauchen im Standesamt, wenn es zum Beispiel um Personaldokumente wie Personalausweis oder Reisepass geht.

Manche schickten diese ans Bürgerbüro zurück, so Eva Stocksiefen, Sprecherin der Stadt Sankt Augustin. „Wir legen sie in den Safe und versuchen sie bei nächster Gelegenheit erneut zuzustellen.“

In Troisdorf wurde schon eine Handreichung formuliert, wie sich Mitarbeiter in hartnäckigen Fällen verhalten sollen. „Es gab da große Unsicherheiten“, so Peter Sonnet aus der Öffentlichkeitsarbeit. Das wichtigste sei, sich auf keine Diskussion einzulassen.

Das ist auch Maßgabe bei der Polizei. Auch wenn sich die Beamten oft zurückhalten müssten, zum Beispiel wenn ein „Reichsbürger“ bei Ihnen Anzeige erstatten wollen – gegen Kollegen. Und das bei einer Institution des Staates, dessen Existenz diese Menschen leugneten, sagt Stefan Birk: „Ein Widerspruch.“

Seiner Erfahrung nach handelt es sich meist um Männer zwischen 35 und 80, oft „gescheiterte Existenzen“, die sich zu Unrecht von den Behörden verfolgt fühlten. Wenn Frauen die Briefe an die Polizei unterschrieben, seien das in der Regel die Ehefrauen. Gar nicht selten würden sich aber auch die Familienangehörigen von den „Reichsbürgern“ distanzieren.

Erfahrungen mit dieser renitenten Gruppe haben nach Auskunft des Rhein-Sieg-Kreises auch die Mitarbeiter des Straßenverkehrsamtes gemacht. Als ein Beschäftigter vor Ort einen Pkw stilllegen wollte, musste er gar die Polizei zur Verstärkung hinzurufen.

Der verärgerte Autofahrer hatte eine Mappe mit amtlichen Unterlagen vom Beifahrersitz entwendet, war im Haus verschwunden und weigerte sich, die Tür zu öffnen. Als ein Streifenwagen anrückte, gab er aber rasch klein bei.

Rund 100 „Reichsbürger“ im Rhein-Sieg-Kreis

Rund 8500 „Reichsbürger“ leben nach Schätzungen in Deutschland, etwa 1000 sind es in Nordrhein-Westfalen, knapp 100 nach Erkenntnissen der Polizei im Rhein-Sieg-Kreis. Die „Germaniten“, die die Existenz der Bundesrepublik bestreiten und deren Rechtsordnung ablehnen, gelten zumeist als harmlose, ideologisch verblendete Spinner.

Nach jüngsten Erkenntnissen sei nur ein Teil der heterogenen Gruppe rechtsextrem. Die Debatte um den Zuzug von Flüchtlingen habe die Zahl der Sympathisanten wachsen lassen. Es gibt laut Medienberichten sogar selbst ernannte Könige, die Kleinstaaten ausgerufen haben. Im Kreisgebiet sind solche „Reiche“ aber nicht bekannt. (coh)

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