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Integration in Köln200 Flüchtlinge und Deutsche leben gemeinsam in Wohnprojekt

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Das frühere Altenheim neben der Kirche St. Pantaleon wurde innerhalb von acht Monaten umgebaut.

Köln – Von „Stolz“ will Benjamin Marx nicht sprechen. Dabei könnte der 62-Jährige sich durchaus etwas darauf einbilden, was er als Projektleiter der kirchlichen „Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft“ in den vergangenen zwei Jahren geschafft hat: Aus der Idee einer integrierten Wohnanlage für Menschen „mit und ohne Fluchthintergrund“ an Sankt Pantaleon ist Wirklichkeit geworden.

Flüchtlinge und Deutsche leben gemeinsam

Ein früheres Altenheim im Schatten der Basilika, nach achtmonatigem Umbau Ende 2016 von Kardinal Rainer Woelki eingeweiht, ist inzwischen voll belegt: In 19 der 29 Wohneinheiten leben Flüchtlinge, Herkunftsdeutsche in den anderen zehn. Es gibt eine Wohngruppe für unbegleitete Minderjährige und eine Männer-WG, Apartments für alleinerziehende Mütter und für Familien – insgesamt an die 200 Menschen.

Zusätzlich wird eine „Notwohnung“ vorgehalten – eine Idee, die Marx von seinem vielgelobten Berliner Wohn- und Integrationsprojekt Harzer Straße mitgebracht hat. Die „Alternative zur Parkbank“ bietet Obdachlosen oder „Gestrandeten“ kurzfristig eine Bleibe.

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Keine Konflikte

Die Flüchtlinge, die für eine längere Zeit im Haus „Am Pantaleonsberg“ leben, stammen aus Nigeria, Eritrea, Syrien, Afghanistan und dem Irak. Ethnische oder kulturelle Konflikte gebe es nicht, sagt Marx. „In dem Moment, wo jeder seinen Bereich hat, funktioniert das, und die Intimsphäre fängt beim Kühlschrank an.“

Die möblierten Wohnungen sind alle mit eigenem Bad und einer Wohnküche ausgestattet. Zusätzlich gibt es Gemeinschaftsräume, eine Waschküche, Besprechungszimmer und bald auch einen Fitnessraum. Das Wort „Heim“ meidet Marx. „Wir sind keine »Flüchtlingsverwahranstalt« nach dem Motto »Hauptsache trocken, satt und warm«, sondern wir bieten einen Lebensraum, der Menschen auf den Weg in die Selbstständigkeit bringt“, sagt Marx und sieht darin die Prinzipien der katholischen Soziallehre verwirklicht.

Grundgesetz mehrsprachig an den Flurwänden

Beim Betreten des Hauses riecht es nach Möbelholz und Putzmittel. Ausstattung und Einrichtung sind nüchtern-zweckmäßig – aber nicht schäbig, sondern mit Stil, wie Marx betont. Der Betonestrich zum Beispiel wird so ähnlich auch in hippen Industrielofts gegossen. Auf beiden Stockwerken stehen die Menschenrechts-Artikel des Grundgesetzes mehrsprachig auf den Flurwänden.

Im Treppenhaus hängen drei Kästen in Schwarz-Rot-Gold. Eigentlich bräuchte es nur einer in Rot zu sein. Darin müssen für den Fall eines Feuerwehreinsatzes die Baupläne liegen – nicht die einzige Auflage der Stadt, die nur in Immobilien für Migranten gilt. „Das hat mich so gereizt, dass ich drei Kästen aufgehängt habe – in den Nationalfarben.“ Eine für Marx typische Aktion.

Der engagierte Katholik ist nicht nur Pragmatiker, sondern auch ein Filou. Wenn er davon erzählt, wie er allerlei Barrieren aus dem Weg geräumt hat, spricht der Schalk aus seinen Augen. Ganz ernst indes betont er, wie wichtig die Unterstützung von Kardinal Woelki für das Gelingen des vom Erzbistum Köln und von der „Aachener“ finanzierte Fünf-Millionen-Euro-Projekt gewesen sei.

Flüchtling Maher Krait wurde in Köln zum Flüchtlingshelfer

Maher Krait, 2015 auf dem Höhepunkt der „Flüchtlingskrise“ aus Syrien geflohen, wohnt nicht nur im Haus am Pantaleonsberg, sondern arbeitet auch hier. Marx hatte davon gehört, dass der 31-Jährige vor seiner Flucht Sozialarbeiter bei der Caritas in Damaskus war. Jetzt fungiert er als Sprach- und Kulturdolmetscher für seine Mitbewohner.

Als anerkannter Asylbewerber durfte er seine Frau und ihre kleine Tochter nach Deutschland holen. „Der Helfer wurde zum Flüchtling und ist jetzt wieder Helfer“, sagt Marx. „Flüchtling ist nämlich kein Beruf.“ Für ihn, sagt Krait, habe sich im Pantaleons-Haus „ein Traum erfüllt“. Man brauche „einen Vorschuss an Vertrauen, damit Integration gelingen kann“.

Ausstellung für Besucher

Jetzt, da der Laden läuft und Marx das Haus zum ersten Mal für externe Besucher öffnet, hat er sich für die Nachbarn in der näheren und weiteren Umgebung etwas Besonderes ausgedacht. Unter dem Titel „Das Haus“ läuft eine Ausstellung international renommierter Künstler. Die Werke unter anderem von „Bauhaus“-Maler Josef Albers (1888 bis 1976) kreisen um die Motive Flucht, Heimat, Gemeinschaft, Gastfreundschaft, Tischkultur. Kurator ist der Kölner Galerist Dezsö Dudas (DD 55 Gallery, Mevissenstraße).

Marx’ Hintergedanke: Wer neugierig ist, was denn da inzwischen hinter den Mauern von Pantaleon abgeht, der kann sich unbefangen im Haus umsehen, ohne das Gefühl zu bekommen oder zu vermitteln, „wir gehen in den Menschenzoo“. Als Experiment gedacht, war diese erste Ausstellung nur auf 14 Tage angelegt. Die bisherige Resonanz? „Sehr gut“, sagt Dudas. Schon zur Eröffnung seien 250 Gäste gekommen. Künftig soll es jährlich ein bis zwei solcher Angebote geben – auch das ein Symbol für neues Leben im Viertel.

Finissage zur Ausstellung

„Das Haus“ mit Katalog-Präsentation am Freitag, 21. Juli, um 19 Uhr, Haus Am Sankt Pantaleonsberg 12, 50676 Köln. Eintritt frei.

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