Projekt JuniorwahlWie Kölner Schüler Demokratie üben

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Lehrer André Linnenbaum (2.v.l.) bespricht mit seinen Schülern den Wahlakt.

Lehrer André Linnenbaum (2.v.l.) bespricht mit seinen Schülern den Wahlakt.

Köln – Die Wahlbenachrichtigungen sind an alle Schüler rausgegangen. Jetzt wird es ernst für die Schüler des Albertus-Magnus-Gymnasiums (AMG) in Ehrenfeld. Und die Anspannung ist spürbar im Sozialwissenschaftskurs von André Linnenbaum: Am heutigen Donnerstag werden die 17-Jährigen an die Wahlurne treten und ihr Kreuz für die Bundestagswahl machen – gemeinsam mit einer Million weiterer Jugendlicher, die in diesem Jahr bei der Juniorwahl ihre Stimme abgeben – die meisten sind zwischen 15 und 17 Jahren alt.

Der Wahlakt selbst ist der Abschluss des größten Schulprojekts der Bundeszentrale für politische Bildung in Deutschland. Diesmal sind so viele Schulen dabei wie nie: 3400, davon allein 28 Schulen in Köln – Gymnasien genauso wie Berufskollegs oder Förderschulen.

Schüler wissen nur wenig von den Wahlen

Gründe für den Zulauf gibt es mehrere: „Es gibt gut informierte Schüler, aber die Mehrzahl ist auf die Wahlen nicht gut vorbereitet“, erzählt Linnenbaum. Sehr vielen sei der Wahlvorgang völlig unklar, das Wahlsystem sowieso.

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Es gebe Kurse, da wisse die überwiegende Mehrzahl nicht, dass Union und SPD die aktuelle Regierung bilden. „Die meisten denken, Politik ist etwas, das Erwachsene machen und das mit ihrer Lebenswelt wenig zu tun hat.“

Nur wenige junge Wähler

Dabei ist es laut aktuellen Studien wichtig, den Erstwähler zu bekommen, denn damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er auch in seinem weiteren Leben wählen geht. „Gerade die Jungen sind so wichtig, weil es ohnehin so wenige sind“, so Linnenbaum: Bei dieser Bundestagswahl sind 56,1 Prozent, also mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten älter als 50 Jahre, nur 15,4 Prozent sind 18 bis 30 Jahre alt.

Eine Entwicklung, die sich noch zuspitzen wird: „Da kommt es auf euch und eure Stimme besonders an, wenn ihr die Dinge voranbringen wollt, die für euch Jungen wichtig sind,“ wirbt Linnenbaum.

Wichtig sei halt nicht nur die Debatte über Fußball, sondern auch zu wissen, welche Partei wie zum Thema Bafög steht. „Das geht euch nämlich im nächsten Jahr schon ganz konkret an.“

Einüben von Demokratie

Bei der Juniorwahl geht es um das Einüben von Demokratie: In allen Sozialwissenschafts- und Politikkursen haben die Schüler das Wahlrecht kennengelernt, wissen über Erst - und Zweitstimme Bescheid, haben die Parteiprogramme untersucht, die Positionen zu zentralen Themen wie Zuwanderung oder Bildung verglichen.

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Auch den Wahlakt haben sie für ihre Schule organisiert: Mit Wahlbenachrichtigungen, Stimmzetteln, Wahllokal, Wahlleiter und Wahlhelfern. Die Botschaft des Echtzeitprojekts ist bei den meisten angekommen: „Wenn wir nicht wählen gehen, existiert die Demokratie bald nicht mehr“, konstatiert der 17-jährige Jonathan.

„Keine Stimme ist eine Stimme für die AfD“, ergänzt Leon wie ein oft gehörtes Mantra. Die Jugendlichen tauschen sich angeregt aus, wo sie ihr Kreuz machen sollen. Während David (17) findet, dass Angela Merkel „einen guten Job gemacht hat“ und meint, nur mit ihr bleibe alles so sicher wie es ist, will Ellen Grüne oder Linke wählen: „Einfach weil die Themen Umwelt und soziale Gerechtigkeit für mich die wichtigsten sind.“ Alle sind sich einig, dass es sich irgendwie wichtig anfühlt, zu wählen.

Politische Bildung lohnt sich

Lehrer Linnenbaum ist sich sicher, dass der Aufwand dieser Form der politischen Bildung sich lohnt. Was die Wahlbeteiligung an Kommunalwahlen, wo Jugendliche vielerorts schon ab 16 wählen dürfen, belegt: Dort wurde der Nachweis erbracht, dass in der Altersgruppe der 16- bis 17-Jährigen die Wahlbeteiligung um 9,2 Prozent gestiegen ist.

Und einen weiteren positiven Effekt hat die Juniorwahl: An teilnehmenden Schulen stieg in der Vergangenheit auch die Wahlbeteiligung der Eltern um durchschnittlich vier Prozent, teilweise bis neun Prozent. Einfach deshalb, weil Demokratie und Politik zu Hause wieder Thema wird und die Kinder ihre Eltern dadurch anregen, zur Wahl zu gehen.

Im Albertus-Magnus-Gymnasium sind die Schüler sehr gespannt, was diesmal raus kommt – an ihrer Schule, aber auch in ihrer Altersgruppe allgemein. Die Ergebnisse sind bis zum Wahlsonntag geheim und werden erst um 18 Uhr mit der ersten Hochrechnung im Fernsehen auf der Homepage veröffentlicht. Mehr Infos unter www.juniorwahl.de.

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