Privatdetektiv Jochen Meismann im Interview„Untreue Frauen gehen geschickter vor“

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Jochen Meismann will lieber unerkannt bleiben (Symbolbild).

  • Jochen Meismann, Jahrgang 1962, ist gebürtiger Münsterländer.
  • Insgesamt hat Meismann mittlerweile 36 Jahre Berufserfahrung als Privatdetektiv. 1995 gründet er sein eigenes Unternehmen.
  • Die Detektei Aplus-Detektive ist bundesweit aktiv und beschäftigt insgesamt knapp 100 „Einsatzkräfte“.

Köln – Fragt man Jochen Meismann, für welche Neuerungen sein Berufstand am dankbarsten sei, dann stehen überraschenderweise weder Internet noch und GPS an erster Stelle. Der Privatdetektiv schätzt vor allem das moderne Automobil samt Klimaanlage,  Standheizung und CD-Player für Hörbücher. Es gehe fast nichts über ein komfortables Auto, sagt der 55-Jährige. Denn anders als in Filmen und TV-Serien bestehe der Detektivalltag zu 90 Prozent aus Warten, so Meismann, der sich selbst grundsätzlich gern im Hintergrund hält. Er nutzt kein Whats-app, bei Anrufen ist seine Rufnummer unterdrückt und fotografieren lässt sich der Detektiv schon gar nicht.  

Herr Meismann, die Geheimnistuerei ist doch Masche, oder?

Überhaupt nicht. Ich hätte einmal beinahe einen Auftrag verloren, weil ich als Detektiv erkannt wurde. Seitdem versuche ich so anonym wie möglich zu bleiben.

Nie wieder Fotos?

So ist es. Höchstens mal ein Familienfoto. Wer sich mit mir trifft, soll sicher sein, dass nicht jeder weiß, wer ich bin und was ich tue.

Sie könnten sich einen falschen Bart ankleben, wenn Sie sich zum Beispiel mit einer Frau treffen, die Sie auf ihren untreuen Ehemann ansetzen will.

Der falsche Bart ist nun wirklich Klischee, der skeptische Ehepartner dagegen wirklich Alltag.

Wie oft werden Sie denn engagiert, um einen mutmaßlich untreuen Ehepartner zu überwachen?

In absoluten Zahlen möchte ich das nicht beziffern. Bundesweit machen die Aufträge eifersüchtiger Ehepartner etwa zehn Prozent meines Geschäfts aus. Davon allein könnte ich nicht leben.

Dann werden Sie bitte an anderer Stelle konkret: Wo leben die meisten, wo die wenigsten Ehebrecher? Sie müssen es wissen.

Die sündigste Region ist das Gebiet um Dortmund, wenn wir die Fälle in Relation zur Einwohnerzahl setzen. Auch Frankfurt am Main liegt sehr hoch im Ranking der Fremdgeh-Hauptstädte. In Berlin wird am wenigsten fremdgegangen.

Muss man für einen solchen Auftrag eigentlich verheiratet sein?

Jein. Letztlich geht es darum, ob das juristisch vereinbarte Ehebündnis verletzt wurde. Bei einem Verlöbnis ist es nicht viel anders. Ich habe schließlich Persönlichkeitsrechte zu beachten.

Demnach dürfen Sie eine Freundin oder einen Freund nicht überwachen?

Nur unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen, die in jedem Einzelfall zu prüfen sind.

Bleiben wir also bei den Eheleuten. Werden Sie öfter von Männern oder von Frauen beauftragt?

Die Aufträge halten sich die Waage. Aber es ist durchaus so, dass das Interesse bei Frauen größer ist als bei Männern. Das heißt, wir haben deutlich mehr Anfragen von Frauen, doch lösen sie dann seltener einen Auftrag aus.

Weil Frauen oft noch immer nicht finanziell unabhängig sind?

Das spielt sicher auch eine Rolle.

Wie hoch ist Ihr Stundensatz?

Ab 65 Euro. Frauen bereiten einen Auftrag allerdings meist sehr detailliert vor und können eine Überwachung ihres Ehemanns zeitlich sehr eng eingrenzen. Da kann ich oft für relativ wenig Geld eine eindeutige Auskunft liefern. Manchmal wird auch einfach nur ein Testset für Spermaspuren verlangt.

Bitte?

Mit einem solchen Testset lässt sich feststellen, ob es sich bei Spuren, die in Unterwäsche entdeckt wurden, um Sperma handelt.

Wer kauft so etwas?

Frauen wie Männer.

Und bei wem sind Sie nun als Detektiv erfolgreicher?

Eigentlich kann ich den Ehebruch fast immer entweder nachweisen oder ausschließen. Allerdings gehen untreue Frauen weit geschickter vor als Männer. Sie sind sehr vorsichtig und schwerer zu überführen.

Können Sie einen Rat geben, wann ein Ehepartner skeptisch werden sollte?

Wenn das Handy nicht mehr offen auf dem Tisch liegt und nur noch heimlich benutzt wird, dann sollten alle Lampen angehen. Auch dann, wenn plötzlich PIN oder Passwort eingegeben werden müssen, um das Handy zu entsperren.

Aber braucht man Sie dann eigentlich? Jeder kann Tracking-Sensoren, Minikameras und Abhörgeräte kaufen und tatsächlich gab es vor zehn Jahren noch über 1500 Detekteien  in Deutschland. Heute sind es 300 weniger.

Die Zahl der Detekteien in Deutschland in den letzten Jahren etwas zurückgegangen. Richtig ist aber auch, dass es vor 20 Jahren weniger Detekteien gab als heute. Gebraucht werden sie also nach wie vor. Der Detektiv ist gefragt, wenn eine Ermittlung juristischen Bestand haben soll. Und wenn Sie auf da Internet anspielen: Das hat uns auch Fälle gebracht, die es vorher kaum gab. Im Übrigen ist das Abhören wie auch das Orten von Personen meist strafbar.

Zum Beispiel?

Heiratsschwindelei. Früher suchten Heiratsschwindler in Cafés ihre Opfer. Bundesweit gab es vielleicht zwei oder drei im Jahr, mit denen wir zu tun hatten. Heute läuft das über das Internet. In Berlin habe ich dazu täglich Anfragen, auch Aufträge.

Wer meldet sich bei Ihnen?

Gute Freundinnen, Angehörige und Frauen, denen schwant, dass derjenige, dem sie da zum Teil sehr viel Geld überwiesen haben, sie vielleicht doch nicht heiraten, sondern nur ausnehmen will. Ich hatte eine Klientin, die ihr Haus verkauft hat, um einem Heiratsschwindler Geld überweisen zu können.

Viel können Sie dann vermutlich aber auch nicht tun.

Ich kann relativ schnell feststellen, ob es den Verehrten wirklich gibt und ob er der ist, für den er sich ausgibt. Eine Möglichkeit, das Geld zurückzuholen, haben wir leider nicht.

Ungewöhnliche, harte Aufträge

Gibt es Aufträge, die Sie ablehnen?

Natürlich jeden, der gegen das Gesetz verstößt. Ich würde auch keinen Verführungsversuch arrangieren.

Kommt das vor?

Frauen machen das recht gern und häufig. Sie wollen wissen, ob ihr Mann treu ist oder vielleicht doch in Versuchung geführt werden kann. Männer aber natürlich auch. Nicht selten steckt ein Ehevertrag dahinter, der Unterhaltszahlungen bei Ehebruch ausschließt.

Was befriedigt Sie eigentlich an ihrem Beruf?

Dass ich im besten Fall die Wahrheit ans Licht gebracht habe, auch wenn das für den Auftraggeber manchmal keine gute Nachricht ist. Darauf bin ich dann nicht stolz, aber es ist die Wahrheit.

Sind Sie dabei schon einmal an einen Punkt gekommen, an dem Sie den Fall abgebrochen haben und den Auftrag zurückgegeben haben?

Nein. Es steht mir nicht zu, die Wahrheit zu bewerten.  Ich werde engagiert, um Gewissheit zu verschaffen. Außerdem würde sofort ein anderer den Auftrag übernehmen.

Womit werden Sie vorzugsweise beauftragt?

In den meisten Fällen soll ich herausfinden, ob ein krankgeschriebener Arbeitnehmer tatsächlich krank ist oder eben nicht. Meine Aufträge bekomme ich von Arbeitgebern. Bei Selbstständigen ist es die private Krankenversicherung.

Wann darf ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter überwachen lassen?

Wenn es einen konkreten Verdacht für eine strafbare Handlung oder eine arbeitsrechtlich relevante Handlung gibt. Also den Verdacht auf Diebstahl, Unterschlagung oder Betrug. Einen Krankenschein zu nehmen, ohne krank zu sein, ist schließlich Betrug.

Wie hoch ist ihre Erfolgsquote?

Etwa 80 Prozent. Das heißt, in der der übergroßen Mehrzahl der Fälle war der Verdacht berechtigt.

Würden Sie auch einen Betriebsratsvertreter überwachen?

Wenn es einen begründeten Verdacht gibt, sicher. Und das kommt übrigens gar nicht so selten vor. Ich weiß aus Erfahrung, dass Betriebsräte keine besseren Menschen sind. Meist geht es um Spesenbetrug.

Es könnte da aber auch der Fall sein, dass ein Arbeitgeber einen Betriebsrat loswerden will.

Meine Aufgabe ist es, den Verdacht aufzuklären. Und ein krimineller Betriebsrat ist schließlich genauso zu behandeln wie der einfache Arbeitnehmer.

Sind sie sauer, wenn man Sie Schnüffler nennt?

Toll fände ich es nicht, weil das Wort negativ belegt ist. Tatsächlich habe ich das noch nicht erlebt, und es stimmt auch nicht. Ich bin Ermittler, kein Zuträger.

Sind Firmen generell Ihre wichtigste Kundengruppe?

Ganz eindeutig. Unternehmen und Versicherungen machen etwa drei Viertel des Umsatzes aus, Privatpersonen das restliche Viertel. Da geht es dann beispielsweise um Lärmbelästigung, Nachbarschaftsstreit, Personenermittlung, Sorgerechtsforderungen.

Werden Sie auch von staatlichen Stellen beauftragt?

Das kommt vor, ist aber die Ausnahme.

Um vermuteten Sozialleistungsbetrug aufzudecken?

Nein. Das ist in Deutschland kein Thema. Ich kann mich in meinen 36 Jahren Berufsjahren nur an einen Fall erinnern. Ich denke, es ist politisch zu sensibel.

Sie bieten auch Bewerberüberprüfungen an. Ist das legitim?

Ist es. Ich erstelle ja kein Personenprofil, sondern prüfe nur die Plausibilität der Bewerbungsunterlagen. Die Nachfrage nimmt hier zu, seit jeder, der einen Scanner und Drucker bedienen kann und einigermaßen geschickt ist, sich jedes erdenkliche Arbeitszeugnis und Empfehlungsschreiben basteln kann. In der Regel bezieht sich mein Auftrag auf Bewerbungen für sehr sicherheitsrelevante Posten.

In Berlin entsteht angeblich alle 20 Stunden ein Start-up. Wächst damit für Sie eine neue, vielleicht besondere Klientengruppe?

Die waren bislang nicht sonderlich auffällig. Allerdings wurden wir kürzlich von einem Start-up beauftragt, die neuen Büroräume vor dem Einzug auf Mikrofone und Kameras zu überprüfen.

Ist das nicht überhaupt ein großes Thema?

Nicht so groß wie nach der Wende. Aber die Aufträge nehmen zu, in Berlin mehr als in anderen deutschen Städten.

Weil es in Berlin viel zu holen gibt?

Bei Firmen ist das so. Geistiges Eigentum ist schließlich begehrtes Gut. Zugleich sind Überwachungsgeräte heute sehr leicht zu bekommen, kleiner und viel leistungsfähiger. Wenn ein ganzer Industriezweig vom Angebot solcher Geräte leben kann, muss es zwangsläufig eine große Kundschaft geben, die diese auch einsetzt.

Wie oft bestätigt sich der Überwachungsverdacht?

Vielleicht in jedem vierten Fall. Ich wurde beispielsweise mal von einem Insolvenzverwalter engagiert, der sicher gehen wollte, dass das Chefbüro der zwangsverwalteten Firma sauber ist. Seine Bedenken waren berechtigt.

Was meinen Sie, gibt es etwas, das sich aus Ihrer Arbeit über den Zustand der Gesellschaft ableiten ließe?

Ich weiß nicht, und man sollte das auch nicht überbewerten, aber es gibt schon ein großes Misstrauen im Land, das nicht kleiner wird.

Ihr Geschäft.

Ja, so ist es.

Haben Sie unser Gespräch jetzt aufgezeichnet?

Natürlich nicht. Warum sollte ich? 

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