Laschets 100-Tage-Bilanz„Menschen spüren einen Ruck im Land“

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Im Dienstwagen mit Armin Laschet.

Im Dienstwagen mit Armin Laschet.

Düsseldorf – NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) ist nächste Woche 100 Tage im Amt. Bei einem Gespräch in seinem Dienstwagen zieht er Bilanz. Wie tickt der Regierungschef? Was erwartet er von Jamaika im Bund?

Wo ist die schwarze Tasche geblieben? Gerade hatte es sich Armin Laschet auf dem Rücksitz der schwarzen Limousine bequem gemacht, jetzt schwant ihm nichts Gutes. Liegt der Beutel etwa noch auf dem Schreibtisch? Das wäre fatal. Wer ist schon gerne ohne Ausweise und Geld unterwegs – Laschet jedenfalls nicht. Zumal er später noch nach Berlin fliegen will.

Was nun? Umkehren ist keine Option. Anderen die Angelegenheit zu überlassen, erst recht nicht. Der Ministerpräsident greift sogleich zum Handy und versucht, das Problem selbst zu lösen. „Dienstwege sind keine Autobahnen“, erklärt der Christdemokrat. „Manchmal müssen Dinge einfach schnell gehen. Da greife ich lieber selbst zum Hörer.“ Wenn er im Auto sitzt, bleibt fast keine Minute ungenutzt. Dann wird der Rücksitz im Audi A 8 zur Regierungsbank.

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Ein Erfolg, der sein Leben veränderte

Nächste Woche ist der neue Ministerpräsident von NRW 100 Tage im Amt. Bis zur Landtagswahl im Mai war Hannelore Kraft (SPD) noch in der gepanzerten Limousine unterwegs. Doch Laschet hatte es bei der Abstimmung überraschend geschafft, die populäre Landesmutter aus dem Amt zu verdrängen. Ein Erfolg, der sein Leben veränderte. Der Mann, der auf dem Weg an die Macht viele Rückschläge hinnehmen musste, zählt jetzt zu den einflussreichsten Unions-Politikern in Deutschland und ist ein gefragter Talkshow-Gast. Neuerdings wird er sogar als möglicher Nachfolger von Angela Merkel gehandelt. Ist da was dran? „Diese Frage beschäftigt nur die Journalisten. Ich mache meinen Job in NRW gerne“, sagt er und schmunzelt. Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass es so gut für ihn laufen würde?

Laschet ist an diesem Abend auf dem Weg zu einer Ausstellungseröffnung – mit dabei der „Kölner Stadt-Anzeiger“. Es ist der Start der Serie „Im Dienstwagen mit“, bei der in den kommenden Wochen die neuen NRW-Minister bei Terminen begleitet werden.

Dass Laschet sich für die Duisburger Vernissage Zeit nimmt, ist ein Signal. Der Ministerpräsident will der Kultur wieder einen herausgehobenen Stellenwert einräumen und den Kulturetat um 50 Prozent erhöhen. Dafür gibt es in der Kunstszene viel Beifall. „Ich bin mit den ersten 100 Tagen der Regierung sehr zufrieden. Die Menschen spüren, dass ein Ruck durchs Land gegangen ist – das höre ich immer wieder bei meinen Terminen.“

Die Opposition sieht das naturgemäß anders. SPD und Grüne sprechen von einem Fehlstart von Schwarz-Gelb. Landwirtschaftsministerin Christina Schulze Föcking (CDU) war wegen der Missstände in ihrem Schweinestall in die Kritik geraten, Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner (CDU) musste die Zuständigkeit für den Medienbereich wieder abgeben, weil er Anteile an einem Medienunternehmen hält. „Es kann doch kein Nachteil sein, wenn Minister vom Fach sind“, verteidigt Laschet die Berufungen. „Die persönlichen Vorwürfe gegen Christina Schulze Föcking haben sich in Luft aufgelöst. Bei Stephan Holthoff-Pförtner haben wir auf die Kritik reagiert, um schon den Anschein einer Befangenheit nicht aufkommen zu lassen.“

Kampf um Fördermittel

Wie versprochen hatte Schwarz-Gelb nach der Sommerpause die Umsetzung zentraler Wahlkampfversprechen auf den Weg gebracht. „In der Bildungspolitik haben wir die Schließungen der Förderschulen gestoppt und den Wechsel zu G 9 angeschoben“, sagt Laschet zufrieden. Viele Eltern seien froh darüber, dass Unterrichtsausfall künftig für jede Schule einzeln erfasst werde. Bei der Inneren Sicherheit hätten CDU und FDP durch die Schaffung von zusätzlichen Stellen deutlich gemacht, dass die neue Landesregierung „klar an der Seite der Polizei“ stehe. „Auch das Entfesselungsgesetz war ein wichtiges Signal in den ersten 100 Tagen“, stellt Laschet fest. „Die Leute merken: Jetzt tut sich etwas.“

Die gute Stimmung in der NRW-Koalition wird allerdings durch den Ausgang der Bundestagswahl eingetrübt. „Ich habe noch keine Vorstellung davon, wie Jamaikazustande kommen soll“, sagt Laschet und zuckt mit den Schultern. Die Verhandlungen mit FDP und Grünen könnten sich hinziehen – mancher befürchtet schon bis nach Weihnachten. Für das Land stehe bei den Gesprächen viel auf dem Spiel. „NRW muss Industrieland bleiben. Energie muss bezahlbar bleiben und zu jeder Zeit verfügbar sein. Dies sichert in Nordrhein-Westfalen Arbeitsplätze.“ Auch um die Vergabe von Fördermitteln für die Elektromobilität will die NRW-CDU bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin kämpfen. „Wir müssen darauf dringen, dass nicht nur die vermeintlichen Automobil-Länder von den Verhandlungsergebnissen profitieren“, sagt der Politiker aus Aachen. Ein Batteriezellenwerk könnte in Nordrhein-Westfalen eine Wertschöpfungskette schaffen, die das Land nach vorne brächte.

Gute Kontakte zu den Grünen

Armin Laschet war von 2005 bis 2010 Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen. Er hat gute Kontakte zu den Grünen, aber wenn es um die energiepolitischen Forderungen der Ökopartei geht, verdreht er die Augen. „Wenn ich ein neues Auto bräuchte, würde ich mir einen Diesel kaufen.“ Immer neue Ausstiegsszenarien würden nicht helfen. Die Grünen wollen den Verbrennungsmotor und die Braunkohleförderung spätestens im Jahr 2030 auslaufen lassen.

Als ehemaliger NRW-Minister kennt Laschet das Gefühl, im Dienstwagen durchs Land zu reisen. Wenn er damals unterwegs Hunger bekam, hielt er bisweilen vor einer Imbissbude, um Gyros zu essen. Nun bleibt ihm dafür keine Zeit. Auch die Pausen, in denen er einen Zigarillo rauchen kann, sind selten geworden. Nur Kaffee trinkt er so viel wie früher. Wenn Laschet morgens ins Auto steigt, nimmt er eine Tasse aus der Küche mit.

Urlaub ohne Arbeit gibt es nicht

Der Kraft-Nachfolger weiß, wie schnell der Stern einer Regierung sinken kann. Die Fehler seiner Vorgänger will er nicht wiederholen. „Ich bin immer ansprechbar, zur Not auch nachts über Festnetz. Ich kann mir nicht vorstellen, tagelang nicht erreichbar zu sein und wichtige Ereignisse im Land zu verpassen. Auch im Urlaub arbeite ich drei Stunden am Tag. Meine Frau, die Buchhändlerin ist, liest in der Zeit neue Bücher. Wenn ich im Urlaub nicht weiß, was anliegt, ist das für mich keine Erholung.“

Um 20.30 Uhr rollt die Limousine am Düsseldorfer Flughafen vor. Die Zeit bis zum Abflug nach Berlin ist knapp, aber der Ministerpräsident wird mit dem VIP-Service zur Maschine gefahren. Beim Check-in gibt es keine Probleme. Ein Sicherheitsbeamter hat die vergessenen Ausweise zum Terminal mitgebracht.

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