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Training in KlauseErste Pole-Dance-Gruppe in Oberberg

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Kopfüber an der Stange: Carolina Bolling (21) trainiert die Gruppe mit Mitgliedern aus Lindlar, Wipperfürth, Engelskirchen und Gummersbach im Sportpalast.

Kopfüber an der Stange: Carolina Bolling (21) trainiert die Gruppe mit Mitgliedern aus Lindlar, Wipperfürth, Engelskirchen und Gummersbach im Sportpalast.

Klause – One, two, three, Handshake-Grip oben, das innere Knie auf drei Uhr. „Uuuuund Schwung!“. Einen Wimpernschlag später wirbeln zwölf Beine beinahe synchron um die Stangen. Die zugehörigen Körper scheinen waagerecht durch den Raum zu schweben, die Arme zittern. „Nicht vergessen: Die Zehenspitzen knutschen sich“, ruft Carolina Bolling. Auch das noch. „Und lächeln!“

An einem Abend, kurz nach 20 Uhr, im Kursraum II im Lindlarer Sportpalast: Ein Besuch bei der ersten Pole Dance-Gruppe Oberbergs. Pole Dance? Zwangsläufig verbindet man mit dem Stangentanz Anrüchiges. Verqualmte Bars im Rotlichtmilieu etwa, in denen sich halbnackte Damen vor männlichem Publikum an der Stange räkeln, das auf die totale Entblößung hofft. Der Stangentanz hat ein sündiges Image, so viel steht fest. „Ach, ihr wollt zum Pole Dance“, haben die Kampfsportler in Kursraum I gerade erst mit breitestem Grinsen festgestellt.

Vom Schmuddelimage zum Trendsport

Dabei geht es hinter der Spiegeltüre deutlich weniger erotisch zu, als Außenstehende annehmen möchten. Sieben junge Oberbergerinnen dehnen konzentriert ihre Schultern, die Bein- und Rumpfmuskulatur. Schwarze Socken statt hochhackiger Schuhe. Keine lasziven Melodien aus dem Strip Club, dafür laute Hip-Hop-Rhythmen. Trainerin Carolina Bolling (21) und ihre Schützlinge aus Lindlar, Wipperfürth, Engelskirchen und Gummersbach erinnern praktisch an den Ursprung der Stangentänze.

Denn lange bevor die Amerikaner diesen ein Schmuddelimage anhefteten, nutzten Asiaten den Tanz an der Stange als spektakuläres und effektives Training für den Muskelaufbau. Wer sein gesamtes Körpergewicht mit nur einer Hand emporhievt und dabei entspannt lächelt, braucht ordentlich Muckis, das leuchtet schnell ein. Dem Pole Dance gelingt derzeit die Rolle rückwärts. Weg von der Erotik-Nummer. Er ist die vielleicht gefragteste Trendsportart 2017.

An die beiden vier Meter hohen Metallstangen ganz vorne kommt jetzt Bewegung. Vom „Back Hook Spin“ ist die Rede und von der Handstellung „Full Bracket“. Es gebe praktisch Hunderte verschiedene Figuren an der Stange, erklärt Bolling. Vom scheinbar bequemen schwerelosen Sitz in einem Meter Höhe über ausgefallene Varianten mit ausgestreckten Gliedmaßen bis zur Profi-Nummer kopfüber und mit einzigem Halt an den verschränkten Füßen. Mit Schwung nach oben und möglichst elegant und langsam wieder hinab, lautet die Devise.

Spaß, blaue Flecken in den Kniekehlen und viel Muskelkater

Seit Mitte August trainieren die Frauen einmal wöchentlich. Fünf Kurse mit 40 Sportlerinnen zwischen 16 und 55 Jahren begeistert Bolling bereits für den Trend. Früher hat sie in der Wipperfürther Tanzschule Böhlefeld die ersten Schritte der klassischen Tänze gelehrt. Nach dem Abitur entdeckte sie den Pole Dance in Köln. Das wäre doch bestimmt auch was für Oberberg, dachte sich Bolling und ließ sich zur Trainerin ausbilden. Im Sportpalast stieß die Pionierin auf offene Ohren.

Eine Menge Spaß, blaue Flecken in den Kniekehlen und viel Muskelkater biete der Kurs, fassen Ronja Baldsiefen aus Hartegasse und Melanie Ufer aus Lindlar die große Motivation der Truppe zusammen. Pole Dance sei die vielleicht ästhetischste Art, Sport zu treiben, findet die Wipperfürtherin Nele Bartel. Knappe Tops und Hotpants gehören untrennbar zum Stangentanz dazu. Mit dem direkten Kontakt zwischen Haut und Metall stehen und fallen die Choreografien nämlich im wahrsten Sinne. Akribisch wischen die Frauen die Stangen immer wieder trocken.

Training Zuhause ist schwierig

Einige von ihnen sind inzwischen dermaßen motiviert, dass sie im Alltag ständig nach Gegenständen Ausschau halten, an denen einige Spins trainiert werden können. Sie lassen kein Klettergerüst auf dem Spielplatz oder die Haltestangen in der U-Bahn aus. Viele wünschen sich zudem eine eigene Stange für die Trainingseinheit zu Hause. Das Problem: In den seltensten Fällen besteht die heimische Decke aus nacktem Beton, der Halt bieten würde. „Holzverkleidungen sehen zwar schön aus, sind aber komplett ungeeignet“, sagt Baldsiefen.

Und dann gibt es da noch das Problem mit den Freunden oder Vätern, die die Stangen anbringen müssten. Die seien selten von dem akrobatischen Trend begeistert. Die eigene Tochter beim Pole Dance? Das sei doch kein Sport, sondern etwas für den Strip Club.

Trainingszeiten. Pole Dance-Kurse finden donnerstags von 19 bis 20 und von 20 bis 21 Uhr, sowie samstags von 9.45 bis 10.45 Uhr und von 10.45 bis 11.45 Uhr im Sportpalast Lindlar, Schlosserstraße 33, statt. Fragen beantwortet Carolina Bolling per E-Mail an carolina-bolling@t-online.de .

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