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Voller Körpereinsatz: Nackte Tatsachen im „Tatort”

Lesezeit 4 Minuten

Berlin – Erst der Porno-„Tatort” aus München mit freizügigen Szenen und Begriffen, eine Woche später dann eine nackte Stuttgarter Staatsanwältin im RAF-„Tatort” - und am Sonntagabend nun als Novum ein ganz nackter Kommissar im Badezimmer in der Episode „Zurück ins Licht”.

Full frontal, wie es im Fachjargon heißt. Also Penisalarm bei dem von Oliver Mommsen (48) gespielten Ermittler Stedefreund. Wird der „Tatort” immer tabuloser?

„So kann man das nicht sagen”, meint der „Tatort”-Experte François Werner von „Tatort-Fundus.de”, der zwar alle Krimis der Reihe gesehen hat, die Filme aber nie gezielt unter dem Aspekt schaute, ob jetzt Nackedeis vorkamen oder nicht. Allerdings findet er das Thema durchaus interessant - also wie der „Tatort” als beliebteste TV-Reihe der Bundesrepublik im Lauf seiner Geschichte mit Nacktheit umging.

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Werner sieht dafür zurzeit insgesamt eine gestiegene Aufmerksamkeit - nicht zuletzt seit der vieldiskutierten Folge „Hardcore” vom 8. Oktober über die Pornofilmszene in München, in der zur besten Sendezeit am Sonntagabend mehrfach Nackte zu sehen waren. Und es in den Gesprächen über Sexpraktiken durchaus ins Detail ging.

Waren es vor ein paar Jahren noch die angeblich zu vielen Leichen im „Tatort” und die mutmaßlich wachsende Gewalt, über die diskutiert wurde, lautet die Frage heute eher: Gibt es zu viel Sex und nackte Haut im Sonntagskrimi des Ersten?.

Allem Anschein nach ist jedenfalls Oliver Mommsen nun tatsächlich der erste „Tatort”-Kommissar, der ganz nackt von vorne zu sehen war. Im „Tatort” dieser Woche stand die Beziehung seiner Figur Stedefreund zur BKA-Kollegin Linda Selb (Luise Wolfram) stark im Fokus.

„Zu vollem Körpereinsatz musste man mich noch nie lange überreden, sagte Mommsen zu dem Nackt-Auftritt der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post”. „Bei den Drehbüchern halte ich mich grundsätzlich raus.” Die Geschichten denken sich besser andere aus, wie er meint. Dafür gebe es Profis. Ob er sich ein Okay für die Nacktszenen bei seiner Frau geholt habe? „Meine Frau ist Kummer gewohnt, das ist nicht das erste Mal, dass bei mir die Hüllen fallen. Aber meinen Kindern muss ich den Film nicht unbedingt zeigen.” 

Es scheint nach wie vor durchaus erwähnenswert, dass ein Mann mit allem zu sehen ist, was er hat. Jedenfalls sind in Film und Fernsehen ganz nackte Männer seltener zu sehen als unbekleidete Frauen.

Damit kein Missverständnis entsteht: Nackte Haut und Sex hat es im „Tatort” seit 1970 immer wieder gegeben. Auch Kommissare waren schon unbekleidet, aber bislang etwas weniger deutlich als diesmal.

Horst Schimanski - also Götz George - lief zum Beispiel in der Folge „Zweierlei Blut” (1984) nackig durch den „Tatort”, nachdem ihn Verbrecher unbekleidet im Duisburger Wedaustadion abgelegt hatten - er war aber nur von weitem und hinten zu sehen. Til Schweiger hielt als Hamburger Ermittler Nick Tschiller zu Beginn der Folge „Kopfgeld” (2014) seinen nackten Po in die Kamera.

Für Aufsehen sorgte im Sommer 2016 auch die Berliner Folge „Wir - Ihr - Sie”, in der der Kommissar Robert Karow (Mark Waschke) bei schwulem Sex zu erkennen war, wenn auch nicht im Detail.

Historisch sind außerdem auch die nackten Brüste der jungen Nastassja Kinski im Kultkrimi „Reifezeugnis” (1977) zu nennen. Oder der Schauspieler und Grimme-Preisträger Florian Panzner, der im Bremer Neonazi-„Tatort” mit dem Titel „Schwelbrand” (2007) sein Geschlechtsteil sehen ließ.

Legendär ist außerdem der Krimi „Rache-Engel” (2005), der letzte „Tatort” mit dem saarländischen Ermittler Palu, gespielt von Jochen Senf. Einen Tag, bevor er gezeigt wurde, schrieb die „Bild”-Zeitung - versehen mit Szenenfotos: „Brutaler Sex zur besten Sendezeit: Wie versaut darf ein „Tatort” sein?”. Der Krimi wurde dann noch vor der Ausstrahlung entsprechend gekürzt, was wiederum für Kritik sorgte.

Im März 2017 erst zog auch ein Kieler Krimi Aufmerksamkeit auf sich. Im Film „Borowski und das dunkle Netz” gab es eine Nacktszene mit der übergewichtigen Schauspielerin Sonja Hermuth. Ein Statement, zum eigenen Körper zu stehen.

Fazit: Nackte Tatsachen kommen im „Tatort” häufiger vor, richtig explizit wird es aber dann doch selten. (dpa)

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