Klimaretter in NRWBonner hat für sein Haus einen privaten Klimaplan

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Das 60er-Jahre-Haus in Bonn steckt voller Energiespar-Ideen.

Das 60er-Jahre-Haus in Bonn steckt voller Energiespar-Ideen.

Bonn – Das helle 60er-Jahre-Haus schmiegt sich am Ende einer Sackgasse sanft an den Hügel, vom großzügigen Wohnzimmer aus öffnet sich der Blick auf einen feinen Garten und das Rheintal. Ein Panorama fürs Bilderbuch. Aber Thomas Koch ist kein Romantiker. Sondern ein Freund von gut durchkalkulierten effizienten Projekten. Finanzfachmann und Abteilungsdirektor bei der DEG, der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft in Köln. Und genau deswegen lebt er nahezu CO2 -neutral. „Es rechnet sich“, sagt er. Punkt. Erst mal kein Wort vom Klimawandel, von schmelzenden Polkappen und Hurrikans mit nie dagewesener Macht.

Auf dem grundsanierten Haus in Bonn-Roleber hat er eine matt-schwarz schimmernde Photovoltaik-Anlage installieren lassen, im Keller speichert eine Batterie 6,5 Kilowattstunden (kWh) Strom, vor der Tür steht ein E-Golf. An guten – also sonnigen – Tagen versorgt das Dach mit seinen 91 Modulen nicht nur das Haus der Familie Koch, „sondern über die Einspeisung ins öffentliche Netz gleich die ganze Straße mit Strom“.

Nichts im Inneren des mit Stilwillen und Understatement eingerichteten Gebäudes lässt spüren, dass Energiebewusstsein den Eheleuten Claudia und Thomas, aber auch dem (erwachsenen) Sohn Max wichtig sind: Es fehlt nichts, neben der Espressomaschine in der Küche stehen eine Mixmaschine und ein Heißwasserkocher, der Kühlschrank wirkt alles andere als spartanisch, der Herd technisch so raffiniert, dass man versteht, warum im gepflasterten Wappen vor der Garage auch zwei Kochlöffel gezeigt werden; neben einem Hund – eine Verbeugung vor der schwarzen Labradordame Tonja, die die Gäste stillvergnügt empfängt. CO2 -arm leben bedeutet ganz offenkundig nicht, auf Design und gute Ausstattung zu verzichten.

Koch kann auf Smartphone und Tablet verfolgen, wie viel Strom die Sonne liefert. Gerade regnet es, da werden Werte abgebildet, die zum Vorführen nicht so geeignet sind, aber das Haus noch gut versorgen – immerhin ist es schon Oktober. Seine Finger flitzen über die Tastatur, Tages-, Wochen und Monatsstatistiken leuchten auf.

Ein Photovoltaik-Dach, das gut aussieht

Das Dach. Auf 64 Quadratmetern Fläche sind die Solarmodule montiert, die liefern maximal 14 Kilowatt Leistung – rund 12.000 Kilowattstunden im Jahr. Eine Familie verbraucht im Durchschnitt 4000 im Jahr, da sind bei dieser Leistung die Ladungen für das Auto locker mit drin. Auch da also kein klimaschädlicher CO2 -Ausstoß. Früher galt, dass eine Dachneigung von 33 Grad und eine Ausrichtung nach Süden die einzig sinnvollen Bedingungen für einen rentablen Betrieb einer Photovoltaikanlage sind. Kochs Dach hat eine Neigung von 27 Grad und ist nach Westen ausgerichtet – und die Werte stimmen trotzdem.

Die Dünnschicht-Module, die die Energie produzieren, lagern auf einem Metalldach, jenseits der Kollektoren liegen normale Ziegel, die Photovoltaik-Anlage „versinkt“ optisch geradezu. „Ich wollte“, sagt Koch zu dieser etwas teureren Lösung, „dass das Dach auch gut aussieht“. Als die Familie das ebenso charmante wie in die Jahre gekommenen Gebäude kaufte, gehörte die Dachsanierung zu den vordringlichsten Aufgaben. Noch wagten sich viele Solarfreunde nicht an die Dünnschichtmodule heran, weil es mit ihnen keine Langzeiterfahrungen gibt. Aber, sagt Koch, „ein bisschen Unternehmergeist und Risikobereitschaft gehören für mich dazu“.

Zukunftsfähige Investitionen

Gut 20 Jahre hat der zurückhaltende Mann bei der DEG unter anderem Photovoltaikprojekte mit jungen Unternehmern in afrikanischen Ländern wie Ghana, Tansania oder Kenia betreut, hat beurteilt, ob sich das Investment lohnt, hat verfolgt, was technisch möglich ist. „Und ich habe auf meinen vielen Reisen in die Projektländer gesehen, wie die Folgen des Klimawandels dort deutlich zu spüren sind: Dürren, Überschwemmungen, Stürme.“ Vier bis fünfmal pro Jahr bereist er afrikanische Länder, immer auf der Suche nach einer Verbindung von Finanzierbarkeit und Zukunftsfähigkeit. Wer unternehmerische Entwicklungshilfe leistet, will zukunftszugewandte Technologien eingesetzt wissen – und muss darauf achten, dass das Geld gut und klimaschützend investiert wird.

Doch ins Privatleben rückten Solarenergie und Co erst mit dem Hauskauf, oder nein, etwas früher: Mit der Anschaffung des E-Golfs. „Das Auto hat mir die Augen geöffnet“, sagt Koch. Natürlich hat er auch die Ökobilanz des Volkswagens genau berechnet: Er pendelt zu seinem Kölner Arbeitsplatz, ohne Abgase zu produzieren, braucht nicht mehr 1500 Euro pro Jahr für Sprit auszugeben (sondern zahlt für den nötigen Strom die Hälfte) und überweist nach den Inspektionen sehr viel weniger als bei seinem Benziner: „Das macht den höheren Anschaffungspreis schnell wieder wett.“

Weil man dem Auto kaum ansieht, dass es kein Benziner ist, hat Koch eine Auspuff-Attrappe an den Wagen montieren lassen – und steckte eine Banane hinein. „Sie glauben gar nicht, wie viele Männer an der Ampel ihre Fenster herunterlassen, um mir aufgeregt mitzuteilen, dass das gefährlich für meinen Wagen sei. Die insistieren, selbst wenn ich viermal wiederholt habe, dass ich ein E-Auto benutze.“

Frauen erkundigten sich eher nach technischen Details. Die Banane jedenfalls sorge, so befindet Koch, „für so manche witzige Gesprächsanknüpfung und Schmunzeln auf kölschen Straßen.“

Ein privates „Pariser Klima-Abkommen“

Die Familie jedenfalls beschloss ihr ganz privates „Pariser Klima-Abkommen“. Koch gibt nicht viele persönliche Beweggründe preis, wohl aber, dass „Trumps Ausstieg aus dem Klimaabkommen und einige andere Entwicklungen“ ihn entsetzt, betroffen gemacht und eben dazu bewogen haben, dem etwas entgegenzusetzen. Nicht nur in Afrika, sondern auch in Bonn.

Bliebe noch das Problem der sonnenarmen Zeiten. Koch holte Angebote ein – und geriet an den nicht minder ambitionierten Fachmann Sebastian Poensgen aus Zülpich, einen Mann, der sein Firmen-Motto „Natürlich.Profitabel“ so ernst nimmt, dass er Kunden, die bei ihm eine Ölheizung ordern wollen, abblitzen lässt: „Wir liefern Anlagen zur Energiegewinnung.“

Eine Batterie des kalifornischen Autobauers Tesla wurde bestellt, als sie noch gar nicht lieferbar war – jetzt garantiert der Lithium-Ionen-Speicher im Keller, dass die Stromversorgung auch nachts gewährleistet ist. Als alles installiert war, luden die Kochs zur Tesla-Party ein – mehr als 20 Nachbarn und Freunde kamen, sahen und staunten. Und ließen sich vorrechnen, dass sich die 20.000-Euro-Investition auf dem Dach binnen weniger Jahre amortisierten. Poensgen ist Solar-Fan der ersten Stunde, hat aber nach dem Solar-Boom eine lange Durststrecke hinter sich gebracht, in Zeiten, in denen viele Firmen pleitegingen – der Markt für Solarmodule hat sich radikal gewandelt, die Förderrichtlinien ebenso, die Euphorie verflog. „Aber wir haben durchgehalten, wir hatten immer eine Vision, und wir zeigen, dass das geht: CO2 -arm leben.“ 2015 ging die Anlage der Familie Koch ans Netz – bisher ohne einen einzigen Aussetzer.

Null-Emissions-Haus ab nächstem Jahr

Ein Blick auf das Thermometer an der Wand zeigt 21,8 Grad. Wie heizen die Kochs eigentlich? Vor lauter Solarzellen blieb kein Blick für Heizkörper und ähnlich Profanes. Thomas Koch windet sich etwas – erwischt. Er hat einen Ölfleck auf seiner hellen Öko-Weste – die Anlage im Keller ist noch nicht ausgetauscht.

Die Entwürfe für eine Erdwärmepumpe liegen aber parat, Dreifachverglasung ist schon eingebaut. Ein Wärmedämmverbundsystem isoliert die Wände hoch effizient. Im nächsten Jahr ist das Ziel erreicht: ein Null-Emissions-Haus. Die Kochs hinterlassen dann keinen CO2 -Fußabdruck mehr. Um es mit Thomas Koch zu sagen: „Es rechnet sich – und gibt jeden Tag ein gutes Gefühl.“

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