„Tag der Entscheidung“In „Thor 3“ kippt der Regisseur allen Rest-Ernst über Bord

Lesezeit 4 Minuten
Szene mit (v. l.) Mark Ruffalo (Hulk), Chris Hemsworth (Thor), Tessa Thompson (Valkyrie) und Tom Hiddleston (Loki)

Szene mit (v. l.) Mark Ruffalo (Hulk), Chris Hemsworth (Thor), Tessa Thompson (Valkyrie) und Tom Hiddleston (Loki)

„A-ah-aaahh-ah“, heult Robert Plant zum peitschenden Riff des „Immigrant Song“, während Thor endlich kraftvoll aus seinem Gefängnis hervorbricht, den legendären Hammer schwingt und Feuer-Dämon Surtur die Krone entreißt, um Ragnarök zu verhindern. Dass die drohende Götterdämmerung so einfach nicht abgewendet werden kann, versteht sich von selbst - schließlich ist der neueste Streich aus dem „Marvel Cinematic Universe“ kein Kurzfilm und dieses minutenlange Spektakel erst die verschwenderisch mit Tricktechnik und Material verfahrende Eröffnungsszene der Fortschreibung eines Superhelden-Mythos.

Nun könnte man sich fragen, wie der Kronprinz der Asen in diese missliche Lage geriet. Sich zurückerinnern, wie der göttliche Held in der Mixtur aus nordischer Mythologie, Comichelden-Epos und Science-Fiction-Action 2011 unter der Regie von Shakespeare-Kenner Kenneth Brannagh etabliert wurde. Wie er 2013 in der Fortsetzung „The Dark Kingdom“ nicht nur das außerirdische Königreich seines Vaters Odin und die Menschheit, sondern das gesamte Universum vor der Machtübernahme durch einen uralten Bösewicht bewahren musste.

Und er obendrein auch als Teamplayer in zwei „Avengers“-Filmen (2012 und 2015) an der Seite so unterschiedlicher Recken wie Iron Man oder Captain America eine gute Figur machte. Doch abgesehen davon, dass das Tempo am „Tag der Entscheidung“ ohnehin zu hoch für derartige Rückblicke wäre, ist alles so angelegt, dass sich das Vergnügen auch ohne detailliertes Vorwissen erschließt.

Alles zum Thema Film und Fernsehen

Es gibt eine Schwester

Thor (Chris Hemsworth) hat sich also befreit, findet bei der Rückkehr ins heimische Asgard seinen semi-vertrauenswürdigen Adoptivbruder Loki (Tom Hiddleston) vor und muss (durch einen Gastauftritt von Benedict Cumberbatch alias Doctor Strange) erfahren, dass Odin (Anthony Hopkins) nicht nur auf halber Strecke in die ewigen Jagdgründe unterwegs ist, sondern dass es eine Schwester gibt.

Diese Hela (unter ihrer „Maleficent“-Maskerade auf den ersten Blick kaum zu erkennen: die wie immer fabelhafte Cate Blanchett), Odins verbannte Erstgeborene und Göttin des Todes, trachtet nach Alleinherrschaft und scheucht ihre Brüder über die Bifröst-Brücke jenseits von Raum und Zeit auf den bizarren Planeten Sakaar. Von da muss man erst mal wieder wegkommen - zumal Thor von der Kopfgeldjägerin Valkyrie (taff: Tessa Thompson) geschnappt und zum Entzücken des tyrannisch-debilen Grandmasters (Jeff Goldblum) in die Gladiatoren-Arena geworfen wird.

Und auf welchen Gegner trifft der große Blonde mit dem roten Umhang dort? Einen, der sehr grün ist, sehr wütend und, wenn er sich denn mal abregt, auf den Namen Bruce Banner hört.

Wie Mark Ruffalo nun seine Rolle als noch stärker als gewohnt retardierter Hulk ausbauen darf, das beschert mit die vergnüglichsten Momente innerhalb der vertrauten Elemente, auf die Marvel mit dem jüngsten Teil des inzwischen als erfolgreichste Filmreihe der Kinogeschichte geltenden Franchise setzt. Mit 16 Vorläufern - von „Iron Man“ 2008 bis „Spider-Man: Homecoming“ im gerade vergangenen Sommer - und bislang an die 12,5 Milliarden US-Dollar weltweitem Einspielergebnis im Rücken darf man sich aber auch neue Ideen und andere Kapriolen erlauben. Und für verrückte Einfälle ist der Regie-Neuzugang in Marvel-Universum und Hollywood genau der richtige Mann.

Ein exzentrisch extraterrestrischer Kindergeburtstag

Taika Waititi aus Neuseeland, der 2014 in seiner schrägen Horror-Komödie „5 Zimmer Küche Sarg“ einen Vampir spielte und sein nächstes Projekt über Michael Jacksons Schimpansen Bubbles dreht, kippt jeglichen Rest-Ernst der „Thor“-Saga über Bord. Weg mit dem düsteren Pathos aus Teil zwei - ist doch alles so schön bunt hier! Allein beim Produktionsdesign des Planeten Sakaar müssten die Stylisten der dekadenten Hungerspiele von Panem vor Neid erblassen. Ragnarök, so lehrt uns dieser exzentrisch extraterrestrische Kindergeburtstag, geht also auch blinkend und poppig.

Für den Soundtrack, so ließ Waititi verlauten, hätte er am liebsten die Band Queen beauftragt - wäre denn Freddie Mercury noch am Leben. Das weckt in der Tat passende Assoziationen zu „Flash Gordon“, doch auch die vorhandene Filmmusik trifft den Ton - inklusive des zweimal eingesetzten „Immigrant Song“, in dem es immerhin um Valhalla und den Hammer der Götter geht.

Dass die humoristische Frischzellen-Kur den „Thor“-Arm von Marvel offensichtlich mehr in Richtung der kassenträchtigen „Guardians of the Galaxy“ rücken soll, ist unter ökonomischen Gesichtspunkten nachvollziehbar. Es ist letztlich aber auch inhaltlich konsequent. So, wie sich der Titelheld selbst von seiner blondierten Surfermähne trennen muss, werden auch andere alte Zöpfe abgeschnitten. Denn: Wenn man die Entscheidung trifft, einen mythologischen Heroen als Comic-Superhelden wiederauferstehen zu lassen, braucht es eben ordentlich „Zack!“, „Bumm!“ und „Arrgh!“.

Zum Film

„Thor: Tag der Entscheidung“, USA 2017, 130 Minuten, Regie: Taika Waititi; Darsteller: Chris Hemsworth, Tom Hiddleston, Cate Blanchett, Jeff Goldblum

KStA abonnieren