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Spies HeckerKölner Lack für das Weltmeister-Auto von Lewis Hamilton

Lesezeit 4 Minuten
Action im Trainingszentrum von Spies Hecker in Köln-Marsdorf

Action im Trainingszentrum von Spies Hecker in Köln-Marsdorf

Köln – Als Lewis Hamilton und das Mercedes-Team am vergangenen Wochenende den Gewinn der Formel-1-WM 2017 feierten, war das auch in einem Kölner Unternehmen Grund zu großer Freude: Von Spies Hecker als Sponsor stammt nämlich der silbern glänzende Lack auf dem Siegerauto. Für jedes Rennen werden die Wagen neu lackiert, weil sich jeder Kratzer an der Karosserie negativ auf die Rundenzeiten auswirken könnte. Der Lack muss über hohe Deckkraft verfügen, um das zusätzliche Gewicht möglichst gering zu halten. 40 Gramm mehr oder weniger sind dabei schon wichtig. "Wir empfinden es als Auszeichnung, mit der Lieferung des Lacks für die Formel-1-Wagen von Mercedes betraut zu sein", sagt Ignacio Román Navarro, der aus Spanien stammende Geschäftsführer von Spies Hecker. Ein Wunder ist das nicht: "Wir sind einer der führenden Anbieter von Auto-Reparaturlacken weltweit", sagt Román Navarro.

Das Unternehmen war schon im Geschäft, als das Zeitalter der Autos gerade begann. Am 1. Januar 1882 wurde die von zwei Brüderpaaren Spies und Hecker gegründete "Anglo Continental Varnish Company" in das Kölner Handelsregister eingetragen. Die Firmensitze waren London und Köln-Raderthal. In Zeitungsanzeigen warb das Unternehmen für seine Produkte: Lacke für Tischplatten, Fußböden, Heizkörper, Schultafeln, Kirchenstühle und für Kutschen. Vier Jahre nach der Gründung der Fabrik bauten Daimler und Maybach erstmals ihren Benzinmotor in eine Kutsche ein.

Die Ausbreitung der Motorisierung und die offensichtliche Qualität der Lack-Produkte aus Köln sorgten für rasches Wachstum Anfang des 20. Jahrhunderts. Spies Hecker stellte die Produktion von Kutschenlacken auf Lacke für Autos um. "Wagenlacke ersten Ranges nach bestem englischen System" nannte die "Spies, Hecker und Co GmbH" - wie das Unternehmen ab 1912 hieß - als ihre "Specialität". Bis dahin hatte es nur einen Farbton gegeben: Schwarz. Nun kamen zunächst gedecktes Rot, Blau und Grün hinzu.

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Tiefer Bruch durch Ölkrise 1973

Weltkriege und Wirtschaftskrise beeinträchtigten auch die Geschäfte von Spies Hecker: Im Oktober 1944 wird der Betrieb so schwer beschädigt, dass die Produktion eingestellt und die Mitarbeiter entlassen werden müssen. Ende 1945 geht es wieder los. Insbesondere das Wirtschaftswunder hilft auch dem Lackhersteller. Einen tiefen Einbruch gibt es erst infolge der Ölkrise 1973. Die von den Lieferanten verlangten Rohstoffpreise schießen in die Höhe, ohne dass Spies Hecker die Preise seiner eigenen Produkte entsprechend anheben kann. Die Eigentümer - damals immer noch die Familie Hecker - verkaufen deshalb 1974 das Unternehmen an den Chemiekonzern Hoechst, zu dem damals unter anderem auch Herberts in Wuppertal gehört, ein führender Anbieter von Reparaturlacken. Unter dem Dach von Hoechst startet die internationale Expansion. 1999 verkauft Hoechst die Lacksparte an den US-Konzern DuPont. Bis 2003 verlagert Spies Hecker die Lackproduktion von Köln zum Mutterunternehmen nach Wuppertal, wo in zwei Werken sowie im Labor und der Verwaltung heute insgesamt 2000 Beschäftigte arbeiten. Spies Hecker selbst errichtete 2007 in Marsdorf eine neue Verwaltungszentrale und ein Trainingszentrum für Lackierer. Mit 230 Beschäftigten organisiert Spies Hecker von Marsdorf aus auch die Belieferung seiner Kunden in 76 Länder. Die Lacke sind für die Autoreparatur von fast allen Automobilherstellern freigegeben - von den Herstellern in Deutschland sind das zum Beispiel Ford, die VW-Gruppe, Opel, Mercedes und BMW.

2013 wechselt Spies Hecker erneut den Eigentümer. Seitdem gehört das Unternehmen zu Axalta Coating Systems, einem US-Lack-Spezialisten mit 13 000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 4,1 Milliarden Dollar. Spies Hecker ist bei den Amerikanern mit zuständig für Autoreparaturlacke, eine Schwestermarke beliefert die Hersteller mit Material für die Erstlackierung von Neuwagen. Im Marsdorfer Trainingszentrum, einem von 55 auf der ganzen Welt, werden jährlich Praxis-Seminare für 4000 Lackierer angeboten.

Bei Reparaturen den richtigen von vielen Farbtönen zu treffen, erledigt inzwischen ein digitales Farbtonmessgerät, das "Fotospektrometer". In der unternehmenseigenen Datenbank sind 549 000 Farbformeln gespeichert. Der große Schrank mit den vielen Farbtafeln - ein früher unentbehrliches Hilfsmittel in jedem Auto-Lackierbetrieb - hat seine Bedeutung verloren. Das grammgenaue Mischen erledigt heute ein Roboter mit höherer Präzision. Das Lackieren selbst bleibt allerdings bei Reparaturen Handarbeit - ganz gleich, ob es sich um einen kleinen Unfallwagen oder um einen Silberpfeil von Mercedes handelt.

Marktführer

Den Markt für Autoreparaturlacke in Deutschland schätzt Ignacio Román Navarro auf etwa 650 Millionen Euro. Daran habe Spies Hecker einen Anteil von etwa 17 Prozent und sei damit Marktführer. In Deutschland sei der Markt eher leicht rückläufig, weil einerseits die Zahl der Unfälle sinke, es andererseits aber auch häufiger Totalschäden gebe, sagt Navarro. Zudem würden kleinere Schäden nicht mehr so häufig repariert wie früher.

Mit dem Export erzielt Spies Hecker mehr als zwei Drittel seines Gesamtumsatzes. Besonders wichtige Märkte sind vor allem die USA und China, aber auch Frankreich sowie Italien. (wif)

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