Deutzer Kirmes noch bis SonntagWo Geisterbahnen auf rosa Plüscheinhörner treffen

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Nervenkitzel vor beeindruckender Kulisse: Das Herbstvolksfest in Deutz ist noch bis Sonntag geöffnet.

Köln-Deutz – Jürgen Stromberg ist ein großer Mann. Kräftig gebaut, breites Kreuz. Er könnte nicht weniger in die Szenerie hineinpassen, in der er gerade steht: Der 50-Jährige ist umgeben von blassrosa Plüscheinhörnern. Der Stand, auf dem er steht, ist über und über bestückt mit Kuscheltieren dieser Art: mit Fantasiepferden und Riesen-Teddybären, daneben bunte Unterhaltungselektronik, so hoch gestapelt, dass selbst ein großer Mann klein dazwischen aussieht. Stromberg muss sich strecken, um einen Stoß rosa Plüsch an den dafür vorgesehenen Haken zu hängen.

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Jürgen Stromberg moderiert die „Tombola der Qualität“.

Es ist 13 Uhr; in gut einer Stunde werden die ersten Besucher kommen, um bei der „Tombola der Qualität“ ihr Losglück zu versuchen. Der Stand ist eines der mehr als 90 Schaustellergeschäfte auf dem diesjährigen Kölner Herbstvolksfest am Deutzer Ufer. Fressbuden und Geisterhäuser und Fahrgeschäfte, die später wild blinkend ihre Passagiere in den Kölner Nachthimmel schleudern werden. Gerade laufen die letzten Aufbauarbeiten für den Tag: Beleuchtung und Musik warten noch auf ihren Einsatz, nur die Plastikfähnchen, die zwischen den Ständen gespannt sind, flattern schon im Wind.

Die Männer und Frauen in den Buden ziehen die letzten Schrauben fest und füllen ihre Auslagen mit Süßigkeiten und Losgewinnen. Ein bekanntes Bild für Stromberg: Er arbeitet bereits 30 Jahre im Schaustellergeschäft. Das Herbstvolksfest markiert für ihn das Ende der Saison. Zwischen Ostern und Herbst ist er fast durchgängig unterwegs, reist von einer Kirmes zur nächsten. „Die meisten, die hier sind, sind untereinander verwandt“, sagt er. „Ich nicht – ich bin Angestellter. Aber wenn man so lange dabei ist, gehört man trotzdem fast zur Familie.“

Crêpes, Zuckerwatte, Geisterbahn

An seiner Bude läuft eine Gruppe Kinder vorüber. Miguel Meyer deutet auf seine Begleiter: „Crêpes, Zuckerwatte, Geisterbahn“, listet er auf und meint damit die Stände ihrer Eltern. Miguel selbst gehört zur Piratenrutsche. Vier Bahnen, zehn Meter hoch, Hersteller: LAG. Beim Baujahr muss er einen Moment überlegen. „Aber wir haben sie seit 2009.“ Der Elfjährige wurde ins Geschäft hineingeboren; die Fakten draufzuhaben, gehöre da dazu. „Ich muss den Laden ja übernehmen.“

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In Schaustellerfamilien ist das eine Selbstverständlichkeit. Rolf Barth, der Betreiber der Achterbahn „Wilde Maus“, bildet in seiner Familie die sechste Generation im Kirmesgeschäft. Seine Söhne – die Betreiber des Riesenrads und der Achterbahn Feuer& Eis – führen die Tradition weiter fort. Sie alle kennen ihr Geschäft, die Unterschiede zwischen den verschiedenen Kirmessen. „Köln hat ein gutes Achterbahn-Publikum“, sagt Barth. Er reist mit der Wilden Maus durch ganz Deutschland, neun Lkw braucht er dafür. „Sechs für die Maus plus einen Kran, einen Wohn- und einen Mannschaftswagen.“

Barth drückt einen roten Knopf und schickt einen Wagen auf Testrunde. „Wir arbeiten mit einem Blocksystem, wie es auch die Bundesbahn hat“, sagt er. „Wenn sich in einem Block ein Fahrzeug befindet, wird er gesperrt. Dann kann dort kein anderes rein. Wenn das doch passiert, schaltet die Anlage sofort ab.“

Achterbahn ist nichts für jeden

„Für mich ist so eine Achterbahn nichts“, sagt Christa Rüwe. „Ich habe Höhenangst.“ Die 30-Jährige steht ein Stück weiter hinter der Theke des Süßwarenstands „Süßer Orient“. Mittlerweile ist es Abend geworden, die Kirmesgänge füllen sich langsam mit Leben. Es riecht nach Zucker und Fett, im Hintergrund brodelt die Popcornmaschine, die Auslage ist gefüllt mit Schokoladenobst. Den ganzen Nachmittag haben Rüwe, ihre Kollegin und Henry Barber, Rüwes Onkel und Besitzer des Wagens, die Ware vorbereitet, geschnitten und mit Schokolade überzogen.

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Das Herbstvolksfest in Deutz

Jetzt hat sich Barber mit den Zwillingen Johann und Rudolf Nock von „Nock’s Imbiss“ und Rolf Barth auf ein Bier verabredet. Man kennt sich. Barber ist der Schwager der Nocks. Ein, zwei „BMW“ – Bier mit Wasser – dann geht es zurück an die Stände. Die Bässe der Partymusik wummern durch die Luft. Die Achterbahnen und Booster und Racer bringen Besucher zum Kreischen. Miguel sitzt bei seinem Vater im Kassenhäuschen der Piratenrutsche. Stromberg lockt mit einem Mikrofon Kundschaft an seinen Stand. Für die kleine Kirmeswelt startet jetzt das Hauptgeschäft. Und Rüwe fasst ganz entspannt das zusammen, was hier wohl für die meisten gilt: „Solange die Kirmes existiert, existiere auch ich hier.“

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