Keine Regeln, keine VerboteIn dieser britischen Familie dürfen die Kinder alles

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Keine Schule, keine Verbote – die sieben Kinder der Familie Rawnsley aus dem englischen West Yorkshire dürfen tun und lassen, was sie wollen: mit gefährlichen Sachen spielen, sich die Haare färben, fluchen, das Haus anmalen, sich piercen lassen, ewig wach bleiben und alles essen, was sie gerade mögen. Feste Regeln gibt es hier nicht. Und das ganz mit Absicht. Denn die Eltern Gemma (35) und Lewis (31) wollen, dass ihre Kids eigene Entscheidungen treffen. Und sind überzeugt: das ist der bessere Weg. Aber geht so etwas wirklich? Oder früher oder später schief?

Kinder ohne Regeln: glücklich oder verhaltensauffällig?

Inzwischen ist die Familie mit ihrem ungewöhnlichen Erziehungsstil halb England bekannt. Denn die Rawnsleys sind Teil der TV-Dokumentation „Feral Families“ („Verwilderte Familien“) auf dem britischen Channel4. Die Sendereihe begleitet drei Familien, die ihre Kinder ohne die gängigen Regeln erziehen und ihnen fast alle Freiheiten lassen. Die Doku will das Thema, zumindest vordergründig, objektiv angehen und fragt: „Sind Kinder ohne Regeln gesünder und glücklicher? Oder werden sie verhaltensauffällig?“ Das TV-Publikum soll selbst entscheiden.

Sohn lernte nur schreiben, weil er chatten wollte

Das Ganze wirke nur auf den ersten Blick „wild“, sagt Mutter Gemma dem Mirror, „wir machen uns genau Gedanken, wie wir die Kinder groß werden lassen.“ Dazu gehöre in erster Linie auch, dass Skye (13), Finlay (12), Phoenix (9), Pearl (8), Hunter (5), Zephyr (3) und Woolf (1) nicht zur Schule müssen. Die Eltern unterrichten sie zuhause – das ist in England erlaubt. Die Kinder, so die Mutter, sollten selbst entscheiden, was sie interessiert.

Bis vor kurzem habe ihr 9-jähriger Sohn keinen Sinn darin gesehen, schreiben zu lernen. Bis er merkte, dass er das können muss, um mit seinen Kumpels auf der Xbox zu chatten. Dass ihre Kinder akademisch hinter anderen zurück lägen, das beunruhige sie gar nicht, sagt Gemma, bei diesen Wissenstests gehe es ja schließlich nur ums Auswendiglernen und nicht um Intelligenz.

Grundsätzlich dürfen die Kinder alles ausprobieren

Dafür könnten ihre Kinder vieles, was andere nicht könnten. Ihr Sohn koche etwa ohne weiteres ein Drei-Gänge-Menü. Grundsätzlich dürften die Kleinen alles ausprobieren. Ihr 5-Jähriger spiele eben auch mal mit dem Spiritus-Brenner und lerne dabei nebenbei etwas über Chemie und Eigenverantwortung. „Wenn Leute sehen, wie mein Sohn eine Axt in die Hand nimmt, denken sie ‚wie gefährlich“, sagt Mutter Gemma, „aber das ist es nicht, wenn man ihnen beigebracht hat, wie man sie richtig benutzt.“

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„Viele Komplimente, wie toll die Kinder sind“

Komplett regellos laufe es aber dann doch nicht ab im Familienverbund. Im Zusammenleben würden bei ihnen drei große Grundsätze gelten: nicht lügen, niemanden verletzen und den anderen respektieren.

Sie selbst habe eine schreckliche Kindheit gehabt, erzählt Gemma Rawnsley. „Deshalb möchte ich, dass meine Kinder das spannendste, lustigste und glücklichste Leben in einem Haus voller Liebe haben – das, was ich nie hatte.“ Und ihrer Meinung nach funktioniert das auch prima. „Wir bekommen so viele Komplimente, wie toll die Kinder sind.“

„Das ist Missbrauch und sollte verboten sein“

Von den Zuschauern im Netz sehen das nur manche so. „Ich sehe hier fähige Kinder, die durch Spielen lernen und Eltern, die sie mit Liebe erziehen“, kommentiert eine Twitter-Userin. Die meisten aber schlagen förmlich die Hände über dem Kopf zusammen. „Ich kann nicht verstehen, warum sich das Jugendamt hier noch nicht eingeschalten hat“, äußert sich ein Twitter-User. Und eine andere schreibt: „Den Kindern nicht das Lesen beizubringen… das ist Missbrauch und sollte verboten sein.“ Und einer schlussfolgert: „Da wächst in den nächsten 10 Jahren eine Generation schrecklicher Leute heran“. (iwo)

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