Kölner „Waldlabor“Forschen für den Forst der Zukunft

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Eine „Kurzumtriebsplantage“ aus Weiden und Birken  mit guter Brennstoffbilanz

Köln – Still steht der Wald, auch wenn die A3 nebenan sechsspurig rauscht. Dicht in Reih und Glied stehen Weiden und Pappeln, so eng wie die Autos im Feierabendstau. Markus Bouwman ist zufrieden. Die Baumreihen sind schon wieder zehn Meter in die Höhe geschossen.

Dabei hat  sie der Leiter der Kölner Forstverwaltung erst vor drei Jahren abgeerntet: 1340 Kubikmeter Holz aus fünf Hektar Energiewald. Alles fürs Heizkraftwerk. Zwölf Stunden hat der Häcksler gebraucht: „Spaziergänger waren schockiert. Hier standen nur noch stumpfe Wurzelstöcke. Da muss man schon erklären, dass unser Waldlabor ein Experimentierfeld ist. Wir lernen hier  für den Wald der Zukunft.“

Welcher Wald trotzt dem Klimawandel?

Ist das die Zukunft des Waldes? Auf 25 Hektar wachsen in mehreren Parzellen Douglasien und Elsbeeren, Blauglockenbaum und Flaumeiche – quadratische Flächen von 50 mal 50 Metern. Das   „Kölner Waldlabor“, ein Tortenstück stillgelegter Acker im Kölner Westen zwischen Decksteiner Weiher und Marsdorf.

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2010 wurde es im Rahmen der Regionale angelegt. Vier  Waldtypen werden langfristig beobachtet. Welcher Forst kommt mit dem Klimawandel am besten zurecht: Energiewald, Klimawald, Wandel- oder Wildniswald?

„Unsere Wälder müssen mit mehr Stress fertig werden“, sagt Bouwman und zeigt auf eine Pflanzung von Nadelbäumen links des Rundweges. Die Douglasie kommt besser als die Fichte mit  Wetterextremen wie Spät- und Frühfrost zurecht, mit Temperaturschwankungen, Windschlägen, Starkregen und langer Trockenheit. Aber auch mit den Hitzewellen, die das Bundesumweltministerium für den Raum Köln vorhersagt, und mit den immer weiter steigenden  Schadstoffen?

Bouwman deutet hinüber zur Autobahn. „In einem Hektar Kölner Wald sind rund 250 Tonnen CO2 allein im Holz gebunden. Wir haben in Köln 6000 Hektar Wald, der 1,5 Millionen Tonnen CO2 bindet. Der schluckt übers Jahr 60 000 Tonnen CO2 aus der Luft.“ Das hört sich viel an. Aber allein auf der A3 wird ein Vielfaches an CO2 ausgestoßen. Köln pustet jedes Jahr zehn Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Luft. Der deutsche Wald  insgesamt kompensiert gerade einmal 13 Prozent unseres jährlichen CO2-Ausstoßes.  „Nein“, sagt Markus Bouwman, „Bäume allein können die Welt nicht retten.“

„Kölner sind großzügige Baumspender"

Und dabei darf sich Köln glücklich schätzen: 15 Prozent des Stadtgebietes sind bewaldet.  Und jedes Jahr kommt Wald  dazu. „Wir haben eine positive Bilanz. Auch weil die Kölner so großzügige Baumspender sind“, erzählt Bouwman und zeigt auf die Stelen mit Spendernamen. „Die ersten 3000 Setzlinge des Waldlabors wurden von Bürgern gepflanzt. Dazu kommt das Engagement von Toyota Deutschland und dem Rhein-Energie-Konzern.“

15 000 Bäume haben Privatleute hier  gepflanzt. Und die Stadt ist auch fleißig dabei:  Seit 2015 wurden rund 100 Hektar neuer Laubwald  aufgeforstet: Eichen und Buchen, Ahorn und Vogelkirschen. Langfristig soll der Grüngürtel vom Waldlabor aus entlang der A3 die Lücke bis zum Königsdorfer Forst schließen.

Doch was nutzt es dem Klima, wenn Bouwman seinen „Energiewald“ regelmäßig abholzt?  „Unsere erste Holzernte ersparte dem Heizkraftwerk immerhin den Einsatz von umgerechnet 100 000 Litern Heizöl“, rechnet er vor. „Außerdem wissen wir jetzt, dass dieses schnell wachsende Holz eine bessere Energiebilanz hat als Mais. Und: Anders als beim Mais muss nicht gedüngt werden.“

Doch beim Energiewald geht es auch darum,  welche Arten  die Fichte – den Brotbaum der deutschen Forstwirtschaft  –  ersetzen könnte. „Wir brauchen einen Ersatz  für die Spanplatten-Produktion,  genauso schnell wachsende Bäume wie die Fichte. Das könnten Pappeln und Weiden sein.“

„Eine Art Waldschule“

Der Holzbedarf in Deutschland ist in den letzten Jahren dynamisch gestiegen. Aber es wird weniger geschlagen als nachwächst. Eine vom Braunschweiger Thünen-Institut  erstellte Gesamtholzbilanz weist aus, dass sich Deutschland mit seinem Rohholzaufkommen rechnerisch selbst versorgen kann. Etwa ein Drittel der  Fläche Deutschlands – etwa elf Millionen der rund 36 Millionen Hektar – sind von dichtem Wald bedeckt.  Das Gros der 90  Milliarden Bäume sind Fichten oder Kiefern. Noch.

Der   Forst   soll  alles sein: Holzlieferant, Luft- und Grundwasserfilter, Lebensraum für Tiere und Pflanzen, er soll Klimaretter und Erholungsgebiet sein. Alle diese Funktionen sind im Kölner Waldlabor  auf  Parzellen vereint, getrennt durch Grünstreifen als Sichtachsen. „Das Labor ist ein Lehr- und Lernwald. Eine Art Waldschule“, erklärt Bouwman.

„In den Wildniswald greifen wir nicht ein“

Der  Parcours führt jetzt in den „Klimawald“, eine Parzelle, die schon erfreulich mehr nach Wald aussieht als der Energiewald, der kein Wald, sondern eine Plantage ist.  „Hier haben wir die Flaumeiche  gesetzt, die in Deutschland selten ist.“   Sie gedeiht auf trockenen und warmen Standorten – gute Überlebensvoraussetzungen  in Zeiten des Klimawandels.

Im „Wandelwald“ führt der Weg von einem Waldbild zum nächsten. Wechselnde Baumarten verleihen ihm übers Jahr ein stetig wechselndes Aussehen. „Wir haben hier auch die Elsbeere, eine selten gewordene Wildobstart, sehr trockenresistent“, fachsimpelt  Bouwman.

Ein Erholungswald, von Kölnern für Kölner gepflanzt.  „Das ist das Besondere. Unsere Wälder wurden alle im Laufe der vergangenen 100 Jahre gepflanzt.“ Eine Parklandschaft aus artenreichen Laubhölzern.

Nur das Gremberger Wäldchen sei alter Bestand mit bis zu 200 Jahren alten Buchen, so Bouwman. „Da haben wir  einen natürlich gewachsenen Wald. So könnte  auch unser Wildniswald  in 100 Jahren aussehen.“

Der Weg führt hinüber zu einer Parzelle, gepflanzt auf einer Ausgleichsfläche für den Ausbau der A1: der  „Wildniswald“, undurchdringbar und struppig.  „Da greifen wir nicht ein. Da gucken wir nur zu.“  Samen verbreiten sich natürlich, Pioniergehölze wie Weiden, Birken und Bergahorn weht es aus dem benachbarten Altwald heran. Totholz bleibt liegen und damit auch das darin gesammelte Kohlendioxid.

Bouwman ist  gespannt, welche Bäume, Sträucher, Gräser und Kräuter sich ansiedeln, welche Arten sich durchsetzen, welche Schädlinge ihm zusetzen.  Auch andere Teile des Kölner Waldes bleiben sich selbst überlassen. Die „Nationale Biodiversitätsstrategie“ schreibt vor, dass bis 2020 fünf Prozent des gesamten deutschen Waldes aus der holzwirtschaftlichen Nutzung genommen werden, darunter zehn Prozent der öffentlichen Wälder.

Ein Exot ist der chinesische Blauglockenbaum mit seinen großen, fleischigen Blättern: Er steht wie die  Mehlbeere, die auch in Marokko vorkommt, die Flaumeiche aus der Schweiz, die Küstentanne aus Nordamerika im „Klimawald“.  Hier soll beobachtet werden, wie diese Bäume mit den rheinischen Standortbedingungen zurechtkommen.

Klug gemischte Baum-Gemeinschaften

Viele Wälder in Deutschland werden so wie die Kölner wieder naturnah bewirtschaftet. Der Anteil an Laubbäumen und Mischwäldern steigt langsam. Doch nur selten stehen die Baumarten auf den Böden, auf denen sie von Natur aus wachsen würden. An feuchten See- und Flussufern müssten Erlen, Eschen und Ulmen wachsen, weil sie mit den Wasserverhältnissen am besten umgehen.

Auf  kargen, trockenen Boden gedeihen Pionierpflanzen wie die anspruchslosen Kiefern und Birken am besten. Einige Baumarten werden sich in Zukunft nicht mehr für  bestimmte Standorte eignen oder es kommen neue Arten hinzu.  „In Köln  stehen die Wälder auf fruchtbaren Böden. Doch wir brauchen auch Bäume für arme Böden, etwa für ehemalige  Gewerbe- und Brachflächen.“

Führung am 14. November

Im Waldlabor Köln werden übers Jahr regelmäßig Besucher über den  Forst in Zeiten des Klimawandels informiert.

Markus Bouwman, Leiter der Kölner Forstverwaltung, wird am Dienstag,  14. November, 15 Uhr im Rahmen der Aktion „erklimadasmal“ der Kölner Rhein-Energie   einen  Rundgang durch das Kölner Waldlabor führen. Treffpunkt: Bachemer Landstraße/Stüttgenweg, KVB-Haltestelle Stüttgenhof (Linie 7). Anmeldungen unter: www.erklimadasmal.de

Wie wird der Wald der Zukunft aussehen? „Schwer zu sagen“, meint Markus Bouwman. „Niemand weiß, welche  exotischen  Insekten oder Krankheiten eingeschleppt werden, welchen Baumarten sie schaden könnten.“

Bouwman erinnert an das Eschentriebsterben – einen asiatischer  Pilz, der inzwischen in ganz Europa angekommen ist. Oder an das Ulmen-Sterben der 70er Jahre. „Die Ulme mussten wir durch andere Arten ersetzen, um die Vielfalt und damit die Widerstandsfähigkeit des Waldes zu erhalten.“ Es komme auf  klug gemischte  Baumarten-Gemeinschaften mit zwei, vier oder sogar zehn Arten an, in der eine Art der anderen hilft.

Klar ist: Die Zukunft gehört  dem Laubwald. Sein Anteil soll bundesweit auf 75 Prozent steigen. Da auch die  Nachfrage nach dem Rohstoff Holz steigt, wird sich die Forstwirtschaft umstellen. Eiche und Buche sollen älter werden dürfen, größere Stämme bilden.

„Es wird in den hiesigen Wäldern keine großflächigen Rodungen geben“, sagt Markus Bouwman. „Wir konzentrieren uns auf  einzelne  Bäume und ihr konkretes Umfeld.  Dann wird  der Forst eine gesunde Zukunft haben.“

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