Das neue „Stranger Things“?So gut ist die deutsche Netflix-Serie „Dark“ wirklich

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Dark auf Netflix 2

Dark

Köln – Eine leere Raider-Verpackung, ein Walkman, der auf Knopfdruck Nena-Lieder spielt, ein gelber Pulli mit "Atomkraft? Nein, danke"-Aufdruck. Wenn diese 80er-Jahre-Devotionalien im Jahr 2019 auftauchen, dann weiß der Zuschauer der neuen Netflix-Produktion "Dark" sofort, dass es hier um mehr geht als um Nostalgie.

Denn gleich zu Beginn der ersten deutschen Serie, die für den amerikanischen Streamingdienst entstanden ist und die diesen Freitag online geht, wird klar, dass Zeit in diesem fiktiven deutschen Dorf relativ ist. Da wird Einstein zitiert, und es heißt geheimnisvoll "Gestern, heute, morgen folgen nicht aufeinander. Sie sind in einem ewigen Kreis miteinander verbunden."

Zeitreisen sind in der "Dark"-Welt also möglich. Doch das reicht den beiden Schöpfern der Serie - Regisseur Baran bo Odar und Autorin Jantje Friese - noch nicht. Denn zusätzlich zu dem Zeitreise-Plot gibt es auch noch mysteriöse Vorkommnisse, die irgendwie mit dem Atomkraftwerk, das neben dem Dorf steht, zusammenhängen. Und so ist es natürlich auch kein Zufall, dass die Zeitreisenden ausgerechnet im Jahr 1986 kurz nach dem Tschernobyl-Unglück landen.

Die 80er, mysteriöse Vorkommnisse, eine Welt hinter der uns bekannten Welt. Kommt Ihnen bekannt vor? Ja, die Parallelen zum Netflix-Hit "Stranger Things" sind nicht zu übersehen. Zumal auch in "Dark" Kinder plötzlich spurlos verschwinden und von ihren jugendlichen Freunden gesucht werden. Da flackern Taschenlampen, wenn es gefährlich wird, da radeln Kinder durch dunkle Wälder

Parallelen zu "Stranger Things"

Baran bo Odar und Jantje Friese machten 2014 mit dem Cyber-Thriller "Who am I" auf sich aufmerksam, nun fiel ihnen also die anspruchsvolle Aufgabe zu, gemeinsam mit den Produzenten Wiedemann und Berg einen Plot zu entwickeln, der zwar klar in Deutschland verortet ist und ein deutsches Publikum anspricht, gleichzeitig aber auch global sein Publikum findet. Der Ansatz, den sie gewählt haben, ist gut: Mystery funktioniert zurzeit bestens, die 80er auch. Und sie versichern glaubhaft, schon an der Serie gearbeitet zu haben, bevor "Stranger Things" ein solcher Erfolg wurde. Warum auch nicht? Nicht nur die Duffer-Brüder haben schließlich "E.T." und "Twin Peaks" geguckt und Stephen King gelesen.

Das Problem der Serie ist ein anderes. Denn ebenso wie die Handlung, die nicht nur auf ein übergeordnetes Thema setzt, sondern stattdessen Zeitreisen, mysteriöse Vorkommnisse und verschwundene Kinder abarbeiten muss, ist ihr Zehnteiler auch ansonsten leider überfrachtet. Es wird schnell klar, dass sie alles vermeiden wollten, was nach piefiger deutscher Serie aussieht. Und das ist ihnen auch gelungen.

Die Bilder haben diesen typischen Netflix-Look, und wenn einer der Hauptfiguren, der 16 Jahre alte Jonas (Louis Hofmann), dessen Vater sich umgebracht hat, in seiner gelben Regenjacke durch den düsteren Wald läuft, dann sind das großartige Aufnahmen. Allein, sie übertreiben es. Luftaufnahme jagt Luftaufnahme, Totale folgt auf Totale. Und irgendwann wirken eben auch die beeindruckendsten Bilder nicht mehr, wenn sie nur noch Selbstzweck sind.

Alles ist hier eine Nummer zu groß. Es regnet nicht, es schüttet wie aus Eimern. Und dass eine Serie, die "Dark" heißt, selten im strahlenden Sonnenschein spielt, ist klar, aber hier ist alles immer nur düster und dunkel. Irgendwann nutzt sich auch das ab. Wirklich ärgerlich ist aber, dass so ziemlich jede Szene von bedeutungsschwangerer Musik erschlagen wird, als würden sie ihren Zuschauern nicht zutrauen, selbst zu erkennen, wann es spannend wird. So sieht "Dark" zwar toll aus, hat aber zu wenig Seele. Und das ist schade, denn eigentlich hat diese Serie viel Potenzial.

Der Streamingdienst Netflix zeigt die zehn "Dark"-Episoden ab diesem Freitag in 190 Ländern.

www.netflix.com

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