VeedelsspaziergangBraunsfeld: Das Viertel der Fechterin Britta Heidemann

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Britta Heidemann im Stadtwald

Köln-Braunsfeld – Recherchiert man Britta Heidemann im Internet, ist schnell klar: Die 34-jährige Spitzensportlerin aus Köln hat sich beruflich sehr breit aufgestellt. Neben der Erfolgsbilanz einer Leistungssportlerin mit Fechten, Olympia, Goldmedaillen, tauchen in der Suchmaschine auch Begriffe wie China, Playboy, Fechtworkshop, 1.FC Köln und Buchautorin auf.

Der Spaziergang durch ihr Veedel geht in der Braunsfelder Buchhandlung los. „Ich bin eine Leseratte, als Kind war ich Dauergast in der Stadtteilbibliothek. Da sie mittlerweile geschlossen hat und einem Discounter weichen musste, ist die Buchhandlung von Frau Klinski das Substitut geworden.“ Deshalb stand auch schnell fest, wo die eigenen Bücher dem Publikum präsentiert werden sollten. Heidemann hat zwei geschrieben: „Willkommen im Reich der Gegensätze“ und „Glück ist eine Frage der Haltung“. Mit dem ersten Buch versucht sie, uns Deutschen die Chinesen näher zu bringen.

Mit dem zweiten Buch, in dem es um die mentale Haltung, die Macht der Rituale, um die richtige Balance im Umgang mit dem Gegner geht, scheint Deutschlands erfolgreichste Fechterin den Nerv der Zeit getroffen zu haben. „Bei der Buchvorstellung standen die Leute Schlange bis auf die Straße“, sagt Gabriele Klinski, die seit fast 15 Jahren an der Aachener Straße ihre Buchhandlung betreibt und eine feste Institution im Veedel ist.

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Wir verlassen die Buchhandlung und stehen auf der quirligen Aachener Straße, die sich wie eine Schneise durch Braunsfeld zieht und nicht gerade wie eine einladende Flaniermeile wirkt. Aber das scheint hier keinen zu stören. Die Braunsfelderin Heidemann liebt ihr Veedel. Die Infrastruktur sei perfekt, sagt sie, man könne hier alles in einem Rutsch erledigen. Der Rewe habe bis 24 Uhr geöffnet, es gebe Apotheken, Bäcker, Friseure, die Linie 1 direkt ins Zentrum und vor allem viel Grün. 

„Ich bin in Braunsfeld aufgewachsen, hier in den Kindergarten und zur Grundschule in der Geilenkircher Straße gegangen, habe das Abitur am Apostelgymnasium gemacht. Mein Lieblingsplatz ist der Stadtwald, hier habe ich schon als Kind gespielt. Heute gehe ich dort viel spazieren oder jogge mal eine Runde. Der Olympiastützpunkt, die Spoho, das Stadion, alles rund um die Aachener: Hier ist mein Zuhause“, erzählt die Spitzensportlerin, die in den Jahren 2007 bis 2009 das goldene Triple geholt hat, Welt-, Olympia- und Europameisterin im Fechten für Deutschland war voller Enthusiasmus.

Schüleraustausch in Peking

Auf unserem Weg Richtung Stadtwald, wo der Braunsfelder Wochenmarkt stattfindet, kommen wir an einem chinesischen Restaurant vorbei. Schnell wechselt das Thema zum nächsten Steckenpferd, ihrer Affinität zu China. Ende der 1990er Jahre ist sie das erste Mal in China gewesen, damals mit ihrer ganzen Familie. Gemeinsam mit dem Bruder Gerrit beschloss sie, Chinesisch zu lernen. Es folgte ein dreimonatiger Schüleraustausch in die Kölner Partnerstadt. Dann kamen 2008 die Olympischen Spiele in Peking - Heidemann holte die Goldmedaille im Einzel des Degenfechtens. Hinzu kam das Studium der Chinesischen Regionalwissenschaften und BWL an der Universität Köln.

Inzwischen war sie unzählige Male in China, auf Reisen, zu Sportveranstaltungen und als Referentin. „China und ich, dat hat jepasst“, sagt sie strahlend auf Kölsch. „Kapua chicken“ sei ihr Lieblingsgericht, das habe sie immer im „Hakka“ bestellt, dem Stammchinesen der Familie. „Hier waren wir mehrfach die Woche essen, er hat authentisch gekocht. Leider ist er kürzlich weggezogen, jetzt muss ich hinterherziehen oder einen neuen Chinesen suchen. Ansonsten gehe ich gern ins Kölsche Art, ein nettes Restaurant, das mir Michi Mronz, der Ehemann von Guido Westerwelle, der hier um die Ecke wohnt, empfohlen hat.“ 

Mit der Familie auf den Wochenmarkt

Inzwischen haben wir den Wochenmarkt erreicht. Seit Mai findet er in der am Wochenende gesperrten Kitschburger Straße statt. Die Eltern von Britta Heidemann sind hier Stammkunden und auch Bruder Gerrit, der die China-Affinität teilt und mit einer Chinesin verheiratet ist, kauft hier gern ein. Außerdem ist der Wochenmarkt beliebter Treffpunkt im Veedel. „Wer hat schon einen Markt mitten im Wald? Er ist überschaubar, gemütlich, man trifft hier die ganze Nachbarschaft“, sagt Astrid Heidemann und freut sich, wenn ihre Kinder und das Enkelkind familiäre Rituale schätzen und pflegen. „Der Mensch braucht Sicherheit, Rituale, und Beständigkeit. Das ist so in meiner Familie und in meinem Veedel.  Hier hat sich in den letzten Jahren nicht viel verändert. In Braunsfeld ist alles gleich - und das seit 20 Jahren. Das gibt Wurzeln und beruhigt mich", sagt die vielgereiste Spitzensportlerin.

Liebeserklärung an Köln

Heimat seien für sie die Familie und Köln. Diese Liebeserklärung wissen die Kölner zu schätzen. Schon dreimal ist Britta Heidemann zur Kölner Sportlerin des Jahres gewählt und in diesem Jahr sogar in den Aufsichtsrat des 1.FC Köln berufen worden. Die Serie der FC-Niederlagen kommentiert sie sportlich: „Rein statistisch hat jede Tiefphase auch mal ein Ende. Jetzt ist langsam die Zeit da, wo es endlich wieder nach oben gehen muss. Daran glaube ich ganz fest. Ich bin optimistisch, dass die Jungs bald die Kurve kriegen.“ 

Ohne Minderwertigkeitskomplex

Im Aufsichtsrat will sie sich erst einen Überblick verschaffen, um dann in dem einen oder anderen Bereich einen Impuls zu geben. Als Frau in der Männerdomäne Fußball hat sie keine Berührungsängste: „Ich bin auch gerne mal die Quotenfrau, habe keine Minderwertigkeitskomplexe, was meine Fähigkeiten angeht“, sagt die selbstbewusste junge Frau.

Wir überqueren jetzt die Aachener Straße, gehen ein Stück den Maarweg entlang und biegen dann rechts in die Scheidtweilerstraße ein. Die Häuserfassaden sind keine architektonischen Highlights, links ein Discounter, rechts eine kleine Änderungsschneiderei, ein Getränkemarkt - aber Britta Heidemann scheint ein festes Ziel vor Augen zu haben. Vor der Hausnummer 17 bleibt sie stehen, öffnet die Tür - und plötzlich ist die Tristesse der Gegend wie weggeblasen. Die Decken sind hoch, die Räume voller Kleider, Kostüme, Hüte, Handtaschen. Das Atelier der Designerin Maria Lucas ist ein Feuerwerk an Farben und Ideen. 

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Heidemann verschwindet in der Garderobe und fünf Minuten später ist sie, die man meist in Sportklamotten kennt, kaum wiederzuerkennen. „Die Kleider von Frau Lucas sind immer ein bisschen anders als die anderen. Genau das ist wichtig, wenn man bei den Events groß rauskommen möchte. Die Termine für die Bälle und Empfänge stehen fest, und zweimal das gleiche Kleid anziehen, das geht gar nicht. Ich rufe dann hier im Atelier an und bestelle mehrere Kleider. André ist mein persönlicher Berater, er weiß welche Farbe, welche Kette, Ohrringe und Handtasche mir stehen. Ich versuche mit zu diskutieren, aber ziehe meistens den Kürzeren.“ André ist seit acht Jahren Junior-Partner der Designerin. Acht Näherinnen gehören zur Stammbelegschaft. Auch FC-Profis und die Band De Höhner bestellen hier Kostüme.

Karneval als Gefühl

„Übrigens, mit den Roten Funken und den Höhnern war ich schon in Peking. Wir haben damals sogar chinesisch gesungen. Karneval ist ein Gefühl, und das gefällt mir. Der Kölner nimmt jeden unter den Arm und schunkelt - und das auch an 365 Tagen im Jahr, wenn es passt. Ich bin ein kölsches Mädchen und gerne als Botschafterin meiner Heimatstadt, die fröhlich, weltoffen und liberal ist, unterwegs.“ 

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