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Viele HindernisseKostenloser Nahverkehr würde Passagierzahl in Köln verzehnfachen

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Im Berufsverkehr sind die Bahnen der KVB bereits jetzt überfüllt.

Im Berufsverkehr sind die Bahnen der KVB bereits jetzt überfüllt.

Köln – Kostenlos mit jeder Bahn und jedem Bus durch die Stadt fahren zu können – das klingt zunächst nach einer überzeugenden Idee, um Autofahrer zum dauerhaften Umstieg zu bewegen. Der Vorstoß der geschäftsführenden Bundesregierung, die einen kostenlosen Nahverkehr erwägt, soll die Luftqualität in den Städten verbessern.

Dabei handelt es sich allerdings um ein Ziel, das bereits in kurzer Zeit erreicht werden muss – ansonsten droht eine Klage der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik wegen der regelmäßigen Überschreitung der Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub.

Schwierige Lage in Köln

Für Köln stellt sich die Situation so dar, dass Politiker, Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) und der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) einen kostenlosen Nahverkehr zwar grundsätzlich begrüßen – jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen.

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Da die Bahnen und Busse der KVB schon jetzt während des Berufsverkehrs kaum noch zusätzliche Fahrgäste aufnehmen können, würde eine kostenlose Nutzung nicht dazu führen, Kölner zum Umstieg vom Auto zu bewegen. „Schon heute drängeln sich die Fahrgäste überall in Bussen und Bahnen“, sagt KVB-Chef Jürgen Fenske.

Sein Unternehmen beförderte 2017 insgesamt 277,7 Millionen Passagiere. Die Experten der VRS rechnen damit, dass die Fahrgastzahlen bei einer kostenlosen Nutzung um das Zehnfache steigen würden.

Netzausbau sei zwingend notwendig

Das Problem in Köln besteht zum einen darin, dass es an zusätzlichen Trassen zu den am Stadtrand gelegenen Neubaugebieten mangelt. Zum anderen fehlen zum Beispiel entlang der Stadtbahn-Linie 1 ausreichend lange Bahnsteige, um dort längere Züge einsetzen zu können, die dann mehr Passagiere befördern könnten. 

Ein Ausbau des Netzes wäre aus Sicht von Fenske zwingend notwendig, damit eine kostenlose Nutzung der Bahnen und Busse überhaupt einen positiven Effekt haben kann. „Ein kurzfristiger, sprunghafter Fahrgastanstieg würde die vorhandenen Systeme vollständig überlasten“, sagt Fenske.

Ein Ausbau wäre allerdings angesichts der derzeitigen Planungs- und Umsetzungshorizonte nur mittel- bis langfristig möglich. Somit wäre das Ziel der Bundesregierung, mit dem kostenlosen Nahverkehr kurzfristig die Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub zu unterschreiten, nicht erreichbar.

KVB müsste rund 300 Millionen Euro kompensieren

Als weiteren Hindernis sehen der KVB-Chef und die Politiker im Stadtrat die Frage der Finanzierung. Die KVB erzielt zurzeit mit dem Verkauf der Tickets jährlich 240 Millionen Euro – diese Summe müsste bei der Einführung des kostenlosen Nahverkehrs vollständig kompensiert werden, zum Beispiel von Bund. Da die KVB nicht kostendeckend arbeitet, subventionieren die Stadtwerke den Betrieb zudem jährlich mit 90 Millionen Euro.

Sollte das künftig entfallen, müsste auch hier jemand einspringen. „Wenn man einen kostenlosen Nahverkehr in Deutschland einführen möchte, dann darf das selbstverständlich keine Eintagsfliege sein, und alle staatlichen Ebenen, also Bund, Länder und die Kommunen müssen diesen Nahverkehr dauerhaft und nachhaltig finanzieren“, sagt Fenske.

Vor vier Jahren gab es in Köln bereits eine intensive Diskussion über die Einführung eines Bürgertickets. In diesem Fall müsste jeder – ähnlich zum Rundfunkbeitrag – für die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs bezahlen, unabhängig davon, ob er die Bahnen und Busse auch tatsächlich benutzt. Das wäre ein mögliches Modell, einen Nahverkehr zu finanzieren, für den keine Tickets gekauft werden müssen. Ein anderer Weg wäre eine Subvention aus den staatlichen Steuereinnahmen.

Pläne für Netzausbau in Köln

Die Nord-Süd-Stadtbahn soll von der Haltestelle Marktstraße über die Bonner Straße bis zum Verteilerkreis verlängert werden. Der eigentliche Straßen- und Gleisbau soll 2019 beginnen. Die Stadt hofft auf eine Fertigstellung bis 2022.

Die Ost-West-Achse (Linien 1,7 und 9) muss zwingend ausgebaut werden. Die Bahnsteige sollen verlängert werden, damit die KVB in Zukunft längere Züge einsetzen kann, um mehr Passagiere zu befördern. Diskutiert wird außerdem über den Bau eines neuen U-Bahn-Tunnels zwischen Heumarkt und dem Melatenfriedhof.

Die Linie 1 soll von Weiden bis nach Widdersdorf und Brauweiler verlängert werden. Ein Zeitplan existiert noch nicht. Das gilt ebenso für die Linie 7 , die von der Endhaltestelle Zündorf bis zur Ranzeler Straße verlängert werden soll.

Die Linie 13 soll eines Tages Richtung Rhein ausgebaut und entweder mit der Nord-Süd-Stadtbahn oder mit der Linie 16 verknüpft werden.

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