Junge Männer lieben sieOma liest Märchen vor – und hat mehr als 190.000 Youtube-Fans

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt

Ettlingen – Es ist schon manchmal rätselhaft, welche Leute es mit was zu Ruhm im Internet bringen. Dieser Youtube-Star gehört definitiv dazu – und ist doch so ganz anders als die anderen Vlogger und Schminktutorial-Sternchen. Oma Helga Sofie Josefa aus dem badischen Ettlingen ist stolze 86 Jahre alt und ein Hit auf Youtube. Über 190.000 treue Follower hat die „Marmeladenoma“ inzwischen. Dabei tut die alte Dame in ihren Videos etwas ganz Unambitioniertes: Sie liest vor – und zwar alte Märchen.

Oma sitzt am Tisch und liest – ohne Inszenierung

Unaufgeregt sitzt sie an einem Tisch, schlägt ihr riesiges Märchenbuch auf und liest, ohne Tam-Tam, mit ruhiger, warmer Stimme. Ab und zu schaut sie mitten in der Erzählung auf, direkt in die Kamera, und kommentiert die Handlung mit eigenen Worten. Manchmal stockt sie, wenn sie umblättert. Ohne dabei aus der Ruhe zu kommen. An manchen Tagen braucht sie gar kein Buch, dann erzählt sie unter dem Stichwort „Omas Kindheit“ einfach Geschichten aus dem eigenen Leben.

Youtube-Star macht Oma über Nacht bekannt

Dass Tausende im Internet ihren Geschichten lauschen, das hatte Oma Helga sicher nicht geplant. Es war ihr 15-jähriger Enkelsohn Janik, der auf einmal anfing, seine Oma, deren Marmelade er so liebte, zu filmen. Die Bekanntheit kam, wie vieles im Internet, quasi über Nacht. „Gronkh“, einer der seit Jahren populärsten Youtube-Stars, wurde auf die „Marmeladenoma“ aufmerksam. Und ihre Plattform auf einmal nur so von Fans überrannt.

Alles zum Thema Film und Fernsehen

Inzwischen streamt Janik für all die Follower jeden Samstagabend einen Märchen-Stream der Marmeladenoma, mit Fragerunden und Märchenwünschen. Es gibt mehrere kleine Sendungen im eigenen Youtube-Kanal. Und die beiden sind auch schon ein bisschen berühmt. Sie waren zu Gast in TV-Shows und haben sogar Preise bekommen, unter anderem den Webvideopreis 2017 und eine Auszeichnung des Deutschen Zentrums für Märchenkultur.

Trotz Erfolg hat Oma ihren Charme nicht verloren

Seit dem unerwarteten Erfolg ist alles ein bisschen professioneller geworden, die Oma ist eine Art Marke, nimmt jetzt Videobotschaften auf und sitzt ein bisschen mehr zurecht gemacht an ihrem etwas sortierterem Märchen-Vorlesetisch. Von ihrem Charme hat sie allerdings nichts eingebüßt. Besonders wenn sie von ihrer Kindheit und ihren Geschwistern erzählt, die sie in ihrem süddeutschen Dialekt liebevoll „Hermännle“ und „Rösle“ nennt.

Das könnte Sie auch interessieren:

Dass so viele Menschen ihr zuhörten, mache sie einfach glücklich, schwärmt sie in einem ihrer Videos. „Janik und ich wollten mehr Farbe in die Gesellschaft bringen. Dass die Menschen wieder mehr miteinander reden. Und Märchen wieder aufleben – weil die schön und sehr lehrreich sind.“ Besonders freue sie sich über die handgeschriebene Fanpost, die sie fast täglich beantworte. Sie sei sich bewusst, dass das für die heutige Jugend eher ungewöhnlich ist. „Manche von ihnen haben noch nie einen Brief geschrieben. Und manche haben noch nie ein Märchen gehört.“

Vor allem Männer lieben die Marmeladenoma

Die begeisterten Zuhörer entsprechen übrigens nicht gerade den zu erwartenden Klischees. Von wegen vorpubertäre Mädchen mit Prinzessinen-Träumen – Dreiviertel der Follower sind männlich und 60 Prozent zwischen 18 und 34 Jahre alt, berichtete der Südkurier.

Was die Faszination der Marmeladenoma ausmacht, ist gar nicht so schwer zu erahnen. Sie ist einfach so herrlich anders als vieles, was die Massen anzieht. Authentisch und präsent, ohne sich zu verstellen oder zu inszenieren. Sie hetzt nicht, sie macht Pausen und hat so einen wunderbar entschleunigenden Effekt auf das sonst durchs Netz rasende User-Publikum. Sie erzählt so warm und heimelig, als säße man direkt neben ihr auf der Couch. Das ist ein bisschen Erholung im zappeligen Alltag, wie eine Reise zurück in die eigene Kindheit. Und jede beginnt mit dem immer gleichen Satz: „Willkommen auf der Märcheninsel. Mit eurer Marmeladenoma und Enkel Janik…“

KStA abonnieren