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Diesel-Urteil erwartetBürger sammeln mit Messröhrchen Umweltdaten in Köln

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Barbara Burg platziert an der Inneren Kanalstraße ein Messröhrchen für Stickstoffdioxid der Deutschen Umwelthilfe.

Barbara Burg platziert an der Inneren Kanalstraße ein Messröhrchen für Stickstoffdioxid der Deutschen Umwelthilfe.

Köln – Nur wenn man genau hinsieht, fallen die beiden kleinen, mit einer hellgrünen chemischen Flüssigkeit gefüllte Röhrchen am Rand der Kreuzung von Merheimer Straße und Innerer Kanalstraße in Nippes im Vorbeigehen auf. Barbara Burg hat sie dort Anfang Februar im Rahmen einer Messaktion der Deutschen Umwelthilfe (DUH) mit Kabelbindern an einem Baum des Grüngürtels platziert.

Sie ist eine von 500 Personen, die sich deutschlandweit an der Kampagne „Decke auf, wo Atmen krank macht“ beteiligen, weil sie als Mitglied der Initiative „Grüne Lunge Köln“ seit Jahren für Erhalt und Ausbau von Grünflächen in der Stadt kämpft und sensibilisieren will für die Gesundheitsrisiken, die von Autoabgasen ausgehen.

Passivsammler zur Luft-Messung

Die Röhrchen – sogenannte Passivsammler – sollen erheben, wie stark die Luft in dem jeweiligen Bereich tatsächlich belastet ist. Denn Barbara Burg und die Bürgerinitiative „Grüne Lunge Köln“ teilen die Bedenken der DUH, dass die 14 vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (Lanuv) in Köln installierten Messstationen die Verschmutzung der Luft mit dem Gas Stickstoffdioxid (NO2) ausreichend dokumentieren, das vor allem von motorisiertem Verkehr ausgeht.

Alles zum Thema Henriette Reker

Kleiner Verein erlangt große Beachtung

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ist ein Umwelt- und Verbraucherschutzverein mit Sitz in Hannover, der dem Europäischen Umweltbüro in Brüssel angegliedert ist. Die DUH mit rund 250 Mitgliedern wurde 1975 gegründet, ist gemeinnützig anerkannt und „Verbandsklageberechtigt“ – der Verein darf also allgemeingültige Umweltrechte vor Gericht geltend machen.

Die Schwerpunkte der DUH liegen auf Klimaschutz, Erhaltung biologischen Vielfalt, Energieversorgung, Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft sowie sauberer Luft, nachhaltiger Mobilität und Verbraucherschutz. (ihi)

Bis März sammeln die Passivsammler nun Daten, dann werden alle 500 Röhrchen-Paare zur Auswertung an ein Schweizer Unternehmen gesendet. Neben dem von Burg hat die DUH elf weitere Paare unter Kölnern verteilt, in ganz NRW sind es 160.

„Eine Profi-Messung können sie nicht ersetzen“

„Die Bausätze der Deutschen Umwelthilfe sind nach Erkenntnissen des Kölner Umwelt- und Verbraucherschutzamtes auf Amateur-Niveau angesiedelt“, bewertet Sabine Wotzlaw vom Presseamt die Aktion der DUH aus Sicht der Stadt. „Eine Profi-Messung können sie nicht ersetzen, da es sich nur um Kurzzeitmessungen handelt. Die Methode, aus diesen Momentaufnahmen einen Jahresmittelwert zu ermitteln, ist äußerst fragwürdig.“

Die Stadt Köln und die Landesbehörden seien auf solide Daten angewiesen, die mit diesen Geräten nicht erlangt würden. Die Messung der Luftqualität werde auf Kölner Stadtgebiet darum weiterhin mittels der Stationen der Landesumweltamts fortgeführt.

Verbesserung der Luftqualität in Großstädten

Auch, wenn die privat gesammelten Daten wissenschaftlich nicht repräsentativ sind, so erhoffen sich die Mitglieder der DUH und Barbara Burg von „Grüne Lunge Köln“ vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um geeignete Mittel zu Verbesserung der Luftqualität in Großstädten weitere Kenntnisse darüber, wie stark die Belastung in urbanen Räumen abseits der bekannten Messstationen wirklich ist. „Wir wollen das Gesamtbild verdichten und zeigen, dass die Grenzwerte an viel mehr Orten als nur den offiziellen regelmäßig überschritten werden“, sagt Dorothee Saar, Leiterin Verkehr und Luftreinhaltung bei der DUH.

Umso mehr, als dass am Bundesverwaltungsgericht Leipzig 22. Februar ein möglicherweise wegweisender Gerichtsentscheid für den Umgang in Städten mit dem schädlichen Stickstoffdioxid (NO2) ansteht. Das Land Nordrhein-Westfalen lehnt Fahrverbote für bestimmte Fahrzeugtypen als ein Mittel zur Eindämmung des Ausstoßes ab.

Landesregierung wendet sich gegen das Urteil

Darum wendet sich die Landesregierung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13. September 2016, den Luftreinhalteplan für Düsseldorf so zu ändern, dass er zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Jahr gemittelten NO2-Grenzwertes im Stadtgebiet führt – dieser offizielle Grenzwert beträgt 40 Millionstel Gramm oder Mikrogramm je Kubikmeter Luft im Jahresmittel (40 µg/m³). Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet formal also pro oder kontra Fahrverbote.

Einig sind sich DUH und Stadt Köln darin, dass der Beschluss der Leipziger Juristen für den Düsseldorfer Fall auf andere Städte übertragbar sein wird. Nicht zuletzt darum hat der Stadtrat bei seiner Sitzung am 6. Februar einen Maßnahmen-Katalog beschlossen, den die Verwaltung im Fall der Anordnung umgehend durchzusetzender Schadstoffreduzierung in den Luftreinhalteplan für Köln der Bezirksregierung aufnehmen soll.

Kapazitätserhöhung und Elektro-Ausbau der Verkehrsmittel

Dazu gehören neben der Prüfung von Fahrverboten und Anpassung von Grenzen der derzeit geltenden Kölner Umweltzone auch die Kapazitätserhöhung sowie der Elektro-Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel. Außerdem sollen für Lieferverkehr mit dem Lkw-Führungskonzept Durchfahrtssperren auf bestimmten Straßenrouten sowie ein Tempolimit für die Rhein-Frachtschifffahrt geprüft werden. „Dabei sollen bevorzugt Maßnahmen zur Anwendung kommen, die es ermöglichen, pauschale Fahrverbote zu vermeiden“, sagt Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker.

Gleichwohl räumt sie ein, dass „wir ohne Fahrbeschränkungen die Grenzwerte an den Hauptbelastungspunkten unserer Stadt in absehbarer Zeit nicht einhalten werden“. Sie fordert den Bund auf, zügig einen rechtlich verbindlichen Rahmen für die Einführung der sogenannten blauen Plakette zu schaffen und die Automobilindustrie zu Hardware-Umrüstungen zu verpflichten.

Viele Kölner wollen nicht auf Politik warten

Viele Kölner wollen aber nicht warten, bis die Politik aktiv wird, da die hohen Schadstoffwerte bereits täglich vor allem Anwohner stark befahrener Straßen gefährden. Die Initiative „Frische Luft für Köln-Mülheim“ etwa plant, den Ausgang des Prozesses in Leipzig am Donnerstag mit einer Mahnwache an der Lanuv-Messstation am Clevischen Ring zu begleiten.

„Wir treffen uns um 15.40 Uhr auf zwei für uns gesperrten Fahrbahnspuren, um das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Diesel-Fahrverboten zu diskutieren und unseren Unmut über den derzeitigen Zustand in unserem Veedel zu zeigen“, so Organisator Wolfgang Bergmann. Unabhängig davon, ob und wie schnell dann möglicherweise Fahrverbote rund um die NRW-weit am stärksten belastete Messstelle in Mülheim gelten könnten, liegt die Priorität der Aktion für ihn an anderer Stelle: „Wichtig ist, in Köln endlich ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es so nicht weiter geht“, sagt Bergmann. „Die Gesundheit der Bürger muss geschützt werden.“  

Weitere Informationen zur Deutschen Umwelthilfe finden Sie hier. 

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