Prognose bis 2031Bis zu 8600 Wohnungen fehlen in Rhein-Berg

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Selbst wenn die Bevölkerung im Kreis schrumpfen würde, müssten neue Häuser gebaut werden, prognostiziert die Studie.

Selbst wenn die Bevölkerung im Kreis schrumpfen würde, müssten neue Häuser gebaut werden, prognostiziert die Studie.

Rhein-Berg – Selbst wenn die Bevölkerung in Rhein-Berg entgegen dem derzeitigen Trend schrumpfen würde, benötigte man bis 2031 rund 3200 zusätzliche Einfamilienhäuser oder Wohnungen.

Was widersprüchlich scheint, erklären die Autoren der am Donnerstag vorgestellten Wohnraumbedarfsanalyse für den Rheinisch-Bergischen Kreis so: Da insbesondere junge Familien nach Rhein-Berg ziehen, die in ihre Heimatregion zurückwollen oder in der Großstadt keinen Wohnraum finden, werden die freiwerdenden Gebäude allein nicht ausreichen.

Leerstände befürchtet

Der Wohnraum wäre laut Studie für junge Familien entweder zu teuer oder entspräche nicht der gesuchten Qualität. Zahlreiche Einfamilienhäuser werden nach den Prognosen auch gar nicht frei werden, weil Paare der Babyboomer-Generation darin wohnen bleiben, nachdem die Kinder aus dem Haus sind.

Prognostizierte Folge: Es gäbe Leerstände, und junge Familien suchten sich trotzdem einen Wohnort in Regionen weiter weg von der Großstadt wie im Oberbergischen, wo der Immobilienmarkt nicht so angespannt ist.

Die einzige Möglichkeit, um den Preis- und Mietenanstieg zu bremsen, sehen die Studienersteller im Bau neuer Häuser, bis zu 500 Wohneinheiten pro Jahr, je zur Hälfte Ein- und Zweifamilienhäuser.

Benötigte neue Baufläche bis 2031: selbst bei der Annahme einer schrumpfender Bevölkerung laut Studie bis zu 160 Hektar, eine Fläche so große wie mehr als 200 Fußballfelder.

Es steckt einiger Sprengstoff in der neuen Wohnraumbedarfsanalyse für Rhein-Berg, die das Forschungs- und Beratungsinstitut empirica auf Initiative des Kreises und finanziert durch die Kreissparkasse Köln sowie die Stadtsparkasse Wermelskirchen erarbeitet hat.

„Fachleute gehen davon aus, dass Köln und die gesamte Region in den nächsten Jahren weiter steigende Einwohnerzahlen haben werden“, sagte Landrat Stephan Santelmann als Begründung, warum sich die Trägerkreise der Kreissparkasse Köln vor anderthalb Jahren entschlossen haben, gemeinsam mit dem Kreditinstitut Prognosen für die Wohnraumnachfrage untersuchen zu lassen. Die Studie treffe bereits auf zahlreiche Bemühungen von Kommunen, Wohnbau-Modelle für die Zukunft zu erschließen, so Udo Buschmann vom Vorstand der Kreissparkasse Köln.

„Mit der empirica-Studie liegen nun genaue und fundierte Daten auch für den Rheinisch-Bergischen vor“, sagte Santelmann. Diese würden nun nicht nur in die Gremien des Kreises eingebracht und mit den Kommunen diskutiert, sondern bildeten auch die Grundlage für eine eigene Wohnbaukonferenz am 23. April. In empirischen Untersuchungen haben die Autoren der Studie die Entwicklung von Wirtschaft, Einwohnerzahl und Wohnungsmarkt der vergangenen Jahre analysiert und Modellrechnungen für die Jahre bis 2031 entworfen.

Was bis 2031 zu erwarten ist . . .

Die Autoren der Wohnraumbedarfsanalyse gehen davon aus:

1) Die Bedeutung von Rhein-Berg als Pendlerstandort wächst, vor allem Familien aus Köln kommen.

2) Stärkste Altersgruppe werden die 65- bis 69-Jährigen sein.

3) Weitere Zuwanderung von Familien ist nur möglich, wenn Häuser/Wohnungen frei sind, diese ihnen gefallen und sie finanzierbar sind.

4) Der aktuelle Preis- und Mietanstieg lässt sich bremsen, wenn ausreichend viel gebaut wird (bis zu 500 Wohneinheiten pro Jahr)

5) Flächen sparen lassen sich dabei, indem attraktive Angebote für Senioren sowie alternative Wohnangebote für Babyboomer geschaffen werden, damit diese eine Alternative haben, anstatt nach Auszug der Kinder im großen Wohnhaus zu bleiben. (wg)

Während die Wirtschaft seit Anfang der 2000er-Jahre in Rhein-Berg ähnlich gewachsen ist wie in Köln, ging die Einwohnerzahl im Kreis von 2004 bis 2011 zurück und stieg erst danach stark an. Zwar sterben in Rhein-Berg immer noch mehr Menschen als Kinder geboren werden, doch der Zuzug vor allem junger Familien aus Köln lässt die Einwohnerzahl und damit die Nachfrage nach Wohnraum seit 2011 steigen. Darunter sind zahlreiche gebürtige Rhein-Berger, die einst zu Studium oder Beruf nach Köln gegangen sind und jetzt mit einer eigenen Familie zurückkehren.

Eine zentrale Frage für die Entwicklungsszenarien der kommenden Jahre ist daher: Hält dieser Trend weiter an (Trendszenario), verstärkt er sich noch (Expansionsszenario) oder geht die Einwohnerzahl wieder zurück (Schrumpfungsszenario). Doch selbst dann gäbe es, wie eingangs beschrieben, laut Prognose zu wenig geeigneten Wohnraum insbesondere für junge Familien. Würde sich die aktuelle Bevölkerungsentwicklung und Neubaunachfrage fortsetzen (Trendszenario) fehlten bis 2031 insgesamt sogar 5400 Wohneinheiten, würden sie noch stärker steigen, wären es sogar 8600 Wohneinheiten, je zur Hälfte in Ein- und Mehrfamilienhäusern.

Das „Bauchgefühl“, das man in Politik und Verwaltung schon länger habe, werde durch die Studie mit fundierten Zahlen bestätigt, würdigte Rösraths Bürgermeister Marcus Mombauer das 135 Seiten starke Zahlenwerk, das Thomas Abrahm von der empirica gestern vorstellte. „Die Studie dokumentiert, dass der Druck enorm zunimmt“, so Mombauer, sie weise aber auch wichtige Handlungsansätze auf. Neben dem Baulückenkataster sei etwa die Schaffung weiteren Wohnraums durch Aufstockung vorhandener Gebäude sehr interessant – auch weil man beim Bau eines zusätzliches Geschosses auch noch einen Aufzug anbauen könne und das gesamte Gebäude damit barrierefrei würde.

Allerdings, so machte der Rathauschef auch deutlich, gebe es meist umgehend Widerstand, wenn irgendwo neu gebaut werde. „Dabei sind das nicht irgendwelche Kölner, die Wohnraum suchen, sondern oft die Kinder der Menschen, die bei uns leben.“

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