Goldgrube der StadtTausende Autos vor Bundeskunsthalle in Bonn zu Unrecht geblitzt?

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Ob das mobile Messgerät vor der Bundeskunsthalle ordnungsgemäß gemessen hat, muss ein Gutachter untersuchen.

Ob das mobile Messgerät vor der Bundeskunsthalle ordnungsgemäß gemessen hat, muss ein Gutachter untersuchen.

Bonn – Das Ding vor der Bundeskunsthalle sieht aus wie ein harmloser Anhänger, der irgendwann mal am Straßenrand vergessen wurde. Aber der weiße Kasten mit der nüchternen Bezeichnung PoliScan M1 HP hat es in sich und ist seit fast einem dreiviertel Jahr eine Goldgrube der Stadt Bonn. Denn seit seiner Aufstellung am 2. Juni 2017 hat die mobile Radarfalle an der B9 mehr als 43 451 Geschwindigkeitsverstöße registriert.

Ausbildung mit Aufstellen absolviert

Alleine in den ersten zehn Wochen waren es erstaunliche 23.600 Verstöße, wie die Stadt bestätigt. Aber nun ist nicht auszuschließen, dass in den ersten fünf Wochen Tausende von Verkehrsteilnehmern zu Unrecht geblitzt wurden.

Denn das mobile Gerät soll von einem jungen Messbeamten der Stadt Bonn installiert worden sein, der an diesem Tag erst seine theoretische und auch praktische Prüfung gemacht hat. Mit der Aufstellung just dieses Gerätes.

Prozess brachte Fall ans Licht

Ans Licht kam der Fall jetzt in einem Bußgeldverfahren vor dem Bonner Amtsgericht: Ein 53-jähriger Familienvater war am 12. Juni 2017 von dem Blitzer mit knapp 90 Stundenkilometern – erlaubt sind 50 – fotografiert worden.

Wenige Wochen später bekam er einen Bußgeldbescheid über 320 Euro und einen Monat Fahrverbot: Nach Toleranzabzug waren es ganze 37 km/h zu viel. Da er sein Geld als Lkw-Fahrer verdient, trifft es den Familienvater hart. Folglich legte er Einspruch ein, in der Hoffnung, wenigstens das Fahrverbot abwenden zu können. Eine Frage der Existenz, wie er beteuert.

Zuständiger Messbeamte war Zeuge

Im Prozess vor dem Bonner Amtsgericht wird schließlich der zuständige Messbeamte, der das lukrative Gerät aufgestellt hat, als Zeuge gehört: Der räumt auf intensive Nachfragen des Anwalts Mutlu Günal ein, dass er am 2. Juni, also am Tag der Aufstellung, noch nicht abschließend ausgebildet war, sondern just mit der Installation der PoliScan M1 HP zwischen 14 und 16 Uhr vor der Kunsthalle seine Ausbildung beendet hatte.

Allerdings mit Erfolg: Denn um 16. 01 Uhr bestätigte der Schulungsleiter, ein Mitarbeiter des Herstellers, der keinesfalls ein Messbeamter ist, dass der städtische Bedienstete nunmehr die Prüfung bestanden hat.

Vier Tage später bekam er das offizielle Zertifikat, dass er das Gerät, das beim Landesamt für Mess- und Eichwesen Berlin-Brandenburg in Potsdam geeicht wurde, auch bedienen darf.

Rechtswidriger Aufbau des Geräts

Für Anwalt Günal liegt der Fall klar: „Der Aufbau des Gerätes erfolgte offensichtlich rechtswidrig. Alle Messungen ab dem 2. Juni sind daher unverwertbar.“ Damit hätten womöglich Tausende von Autofahrern Anspruch auf Rückerstattung der bereits zu viel gezahlten Bußgelder.

Allerdings nur die, die bis zum 3. Juli 2017 erfasst wurden. Denn an diesem Tag wurde das mobile Messgerät für zwei Wochen an die Pützchens Chaussee verlegt. Da die Schlagzahlen der Verkehrssünder auf der anderen Rheinseite jedoch deutlich niedriger waren, wurde der PoliScan bereits am 18. Juli wieder vor die Kunsthalle gefahren und offenbar von zertifizierten Messbeamten aufgestellt.

Hier steht der weiße Anhänger mit dem Kennzeichen HWI seitdem ohne Unterbrechung. Zur Aufklärung des Falls wurde vom Amtsrichter ein Gutachter eingeschaltet. Der soll jetzt die Frage nach der „Ordnungsgemäßheit der Messung“ beantworten.

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