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SporthochschuleZwei Kölner testen historische Laufräder auf dem Weg nach Paris

Lesezeit 4 Minuten
Achim Schmidt und Frnak Hülsemann testen die Draisine 200 Jahre nach der Patentanmeldung des Laufrades.

Achim Schmidt und Frnak Hülsemann testen die Draisine 200 Jahre nach der Patentanmeldung des Laufrades.

Köln – Seine Erfindung soll bereits den russischen Zaren Alexander I. verzückt haben. Der Monarch schenkte einer Legende zufolge dem badischen Tüftler Karl von Drais einen Diamantring, als dieser ihm sein Laufrad vorführte.

Der „Wagen ohne Pferde“ verfügte im Jahr 1813 über vier Räder und keine Pedale. Es dauerte aber noch bis zum Jahr 1818, bis Drais sein Laufrad – mit zwei Rädern – als Patent anmeldete. Damalige Zeitungsartikel legten nahe, dass von Drais mit seinem Gefährt binnen dreier Wochen von Mannheim nach Paris gefahren sein könnte, erläutert der Kölner Sportwissenschaftler Frank Hülsemann von der Sporthochschule. Historisch verbürgt sei das aber nicht.

Laufmaschine nach historischen Plänen

War es also möglich, die 700 Kilometer lange Strecke per Draisine so schnell zurückzulegen? Hülsemann und sein Kollege Achim Schmidt wollten es 200 Jahre später wissen. Dazu bauten sie nach historischen Plänen die Laufmaschine nach, wie sie von Drais entwickelt hatte.

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Der Erfinder der Draisine

Karl von Drais lebte von 1785 bis 1851 in Baden. Bürgerlich war er Forstmeister, allerdings ohne Tätigkeitsbereich. 1818 wurde er von Großherzog Carl zudem zum Professor für Mechanik ernannt.

Seine berühmteste Erfindung war die Draisine, ein Laufrad mit Holzrahmen und Holzrädern, das auf einer Probefahrt 1818 immerhin 15 Stundenkilometer erreichte. Weil das Rad in Europa oftmals kopiert wurde, konnte von Drais schnell kaum noch Exemplare seines Laufrades verkaufen. Obwohl sein Laufrad als Vorläufer des modernen Fahrrads gilt, starb der Erfinder in ärmlichen Verhältnissen in Karlsruhe. (ris)

Innerhalb eines Jahres entstanden die beiden Räder mit Hilfe von Handwerkern und Mitarbeitern des Instituts für Biomechanik der Sporthochschule und des Technoseums in Mannheim. Auf die Route begaben sich die Sportwissenschaftler mit historischer Ausrüstung. Sie nutzen, so weit wie möglich, die alten Postwege.

Eine Tour für Extremsportler

Hülsemann (46) ist ein Extremsportler wie er im Buche steht. Mit dem Mountainbike ist er schon 4.500 Kilometer durch Alaska und Kanada gefahren, hat mit dem gleichen Gefährt 2.000 Kilometer und 18 Alpenpässen in elf Tagen passiert. Auf dem Fahrrad hat er auch die Seidenstraße von China bis Istanbul gemeistert, ist zu Fuß vom Baikalsee durch die sibirische Taiga gewandert. Viel Aufsehen erregte er 2009 mit der „Tour de Pfand“. Mit dem Rad ist er damals 2500 Kilometer durch Deutschland gefahren – ohne Bargeld, Kreditkarten und Verpflegung. Gelebt hat er während der dreiwöchigen Tour von Pfanddosen, die er am Wegesrand sammelte.

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Schon der Bau der Draisinen hatte es in sich. Bei einer Testfahrt im Kölner Grüngürtel brach der 1,50 Meter lange Hauptträger aus Eschenholz – das Laufrad zerfiel in zwei Teile. Eine Neuanfertigung war in der Kürze der Zeit nicht möglich. Hülsemann entschied sich, den Bruch mit Stahlplatten zu schienen. Kurzerhand mussten die Platten besorgt, angepasst und montiert werden, der Bruch wurden anschließend geleimt.

Ordentlich durchgeschüttelt

Am 11. März starteten Hülsemann und Schmidt am Mannheimer Schloss, die erste Etappe führte über Schwetzingen, Hockenheim und Waghäusel nach Graben. Die Räder hielten, es lockerten sich lediglich einige Muttern. Nach drei Tagen hatten die Forscher immerhin 120 Kilometer geschafft.

Während die Räder auf Asphalt gut rollten, saugten sie sich auf den ungepflasterten Wegen in den Matsch, besonders wenn es geregnet hatte. „Mal rutschten und schlitterten wir über Steinplatten und Waldwege, dann ratterten wir ein paar Kilometer über Asphalt“, notierte Hülsemann in seinem Tagebuch. Die Männer wurden daher auf der Piste kräftig durchgeschüttelt, besonders der Steiß machte sich bemerkbar. Ruhepausen wurden nach den Etappen nötig, die Hülsemann und Schmidt in den Wohnmobilen der mitgereisten Familien verbrachten. So viel moderner Luxus musste sein.

Empfang im Jardin de Luxembourg

Schmidt erwischte es dennoch auf der Strecke nach Nancy. Als die Fahrer von einem Wintereinbruch mit Schnee überrascht wurden, erkältete er sich und musste aufgeben. Hülsemann fuhr alleine weiter. Durch die Champagne mit schönen Fachwerkhäusern, entlang der Marne, wo sich Hülsemann durch Hochwasser mühte, und über den aufgeweichten Chemin de Halage, den alten Treidelweg.

„Aufmunternd und motivierend sind die Reaktionen der Franzosen auf der Strecke“, so der Sportwissenschaftler. Der Einzug nach Paris war kein Triumph, aber eine schöne Erfahrung. Immerhin ein paar französische Freunde historischer Räder waren gekommen, um den Deutschen im Jardin de Luxembourg zu empfangen.

Seine Erkenntnis nach der dreiwöchigen Tour: Die Maschine von Drais hat der Fahrt zwar standgehalten. Allerdings hält Hülsemann es für eher unrealistisch, dass die Fahrt vor 200 Jahren tatsächlich durchgeführt wurde. „Dafür waren die Wege in der damaligen Zeit wohl zu schlecht“, sagt Hülsemann.

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